Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gebrüder Heilbron <Berlin> [Hrsg.]
Nachlass des Johann Orth genannten Herrn Erzherzogs Johann Nepomuk Salvator aus den Schlössern Land- und Seeschloss Orth, Besitz Toskana - Haus Stöckel (Band 1): Sammlung Schloss Valkenhayn; Versteigerung: 11. Nov. 1912 - 18. Nov. 1912 (Katalog Nr. 14) — Berlin, 1912

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.17467#0007
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

Johann Nepomuk Salvator, Erzherzog von Österreich, Prinz von Toskana, Kaiserliche Hoheit, Ritter vom Goldenen
Vließ und Feldmarschalleutnant. Dann aber nichts weiter als Kapitän eines kleinen Handelsschiffes. Eine miihselig
ruhmlose, fragwürdige Existenz. Seefahrender Kaufmann und abenteuernder Unternehmer. Hineingewirbelt in die
von tausend Zufällen durcheinander gemischte, mehr als zweifelhafte Gesellschaft südamerikanischer Hafenstädte.
Gleich bei der ersten Ausfahrt alle Segel angesetzt zu einer tollkühnen Reise auf Leben und Tod, die keiner von den
abgebrühten Jungen der neuen Kameradschaft riskieren möchte, die aber der Mann, der kurz zuvor noch österreichischer
Erzherzog und Feldmarschalleutnant gewesen ist, eben deshalb wagt, weil sie Kühnheit verlangt, weil sie nicht blofi um
Profit und Frachtlohn, sondern um Leben und Tod geht. Dann ein Verschwinden auf weitem Ozean, ein Ende, das
geheimnisvoll umschleiert ist, ohne Zeugen, ohne Boten, lautlos und unsichtbar. Ein Hinweggenommenwerden von der
Erde, das der Entrückung biblischer Gestalten gleicht. Wie eine phantastische Ballade hört sich dies Schicksal an und ist
doch voll moderner Wirklichkeit.

*

Lange zögert das Volksempfinden und wehrt sich, Johann Orth für tot zu halten. So stark und lebendig erscheint
seine Gestalt, so heftig aufglühend in ihrem Willen zum Dasein. Die unvergefilich stürmische Geberde, mit der er den
fürstlichen Purpur hinschleudert und ausholt wie zu grofien Taten, hat atemlose Spannung erregt, hat ungemessenes
Erwarten an ihn geheftet. Und das stöbert und sucht, das fragt und späht, das hofft und bangt noch lange hinter dem
Verschollenen her, wie eine Verpflichtung, die er übernommen und die er doch erfüllen mufi, wie ein Versprechen, das
von ihm zurückblieb und das er sicherlich eines Tages einlösen wird. Das Drama, das man ihn aufführen sah, hat keinen
Aktschlufi. Die Tür ins Freie, die Tür ins Leben, die er mit so viel drängender Ungeduld aufsliefi, klafft noch immer weit
offen. Niemand hat gehört, dafi sie hinter ihm ins Schlofi fiel. AIl dies ist ein Anfang gewesen, nicht mehr als ein über-
wältigender, verblüffender Anfang. Aber das deutlich sichtbare Punktum fehlt. All dies ist nur der fabelhafte Anlauf zu
einem fabelhaften Sprung gewesen. Aber der Sprung ist nicht gemacht worden. Deshalb will man lange nicht daran
glauben, dafi es nun mit Johann Orth vorbei sein soll. Für immer vorbei. Enttäuschtes Erwarten flüchtet zur Phantasie,
und so stark ist die Lebendigkeit des Entschwundenen, dafi ihr Abglanz und Echo noch legendenbildende Kraft hat, dafi
die Erinnerung an ihn die Menschen antreibt, sein Schicksal weiter zu dichten. Er ist der Mann, dem sie es zutrauen, dafi
er tief untertaucht im Tumult und Chaos dieser Welt, hinabsteigt zu denen, die namenlos sind und ohne Vergangenheit,
dafi er mit romanhafter Bravour sich verborgen hält, die Spur seiner Schritte auslöscht auf allen seinen Wegen. Sie fragen
gar nicht weiter, zu welchem Zweck er das tun sollte. Denn auch der Zweck seines Handelns wird offenbar werden an
jenem Tag, an dem er beschliefit, wieder hervorzutreten. Sie erwarten, dafi er dann irgend eine Tat vollbracht haben
werde, in deren strahlendem Spiegel sich die Menschheit entzückt und erhoben betrachten könne; eine Tat, um die es sich
lohnt, von der Gipfelhöhe eines habsburgischen Prinzen hernieder gestiegen zu sein in den Abgrund der Welt. Sie
erwarten, dafi er dann etwa auch ein Leben vor ihnen ausbreiten werde, voll hinreifiend grofier, edler und einfacher
 
Annotationen