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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Collection Prinz Otto Sayn-Wittgenstein, Egern-Rottach: Kunst und Kunstgewerbe des XVII. und XVIII. Jahrhunderts, Ölgemälde alter Meister ; Auktion in München in der Galerie Helbing am Montag, den 28. Oktober 1907 unter Leitung des Kunsthändlers und gerichtlich vereideten Sachverständigen Hugo Helbing in München — München, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.15814#0062
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Möbel Louis XV. und Louis XVI.

280 Gradin. (Große Rokoko-Steh-Etagere.)

Sehr großes, offenes, vitrinenartiges Stehregal mit Spiegelglasvertäfelung an der Rückseite,
drei mit rotem Samt bekleideten Querbrettern zum Ausstellen von Porzellanen, Gold- und Silber-
arbeiten etc. und sechs reich in Holz geschnitzten, vergoldeten Leisten an der Vorderseite, die von
oben nach unten hängende Girlanden von Rosen, Ananas und Sonnenblumen in reichem Rocaille-

schnörkelwerk zeigen. Höhe 139 cm, Breite 220 cm, Tiefe 43 cm.

281 Grande Table-Bureau Louis XV. (Großer vierbeiniger Louis XV-Tisch.)

Nußbaum, fourniert, mit reichen Applikationen in vergoldeter Bronze. Der Tisch wird von vier
elegant geschweiften, vierkantigen Beinen getragen, die Fußenden sind mit Rankenwerk umkleidet, die
Kanten in Bronze geschient, an der oberen Ausbauchung der Beine eine Dekoration von Akanthus-
motiven, aus der weibliche Karyatiden erwachsen, die in ihren über der Brust gekreuzten Händen
Blumen halten und auf dem Kopfe einen ornamentalen Aufsatz tragen, der die Ecke der Tischwangen
flankiert und an die Platte reicht. Die Wangen umkleiden drei verschließbare Schiebfächer, deren
Griffhandhaben durch freistehende Rocailleranken gebildet werden. Die Stirnwange ist geschweift,
und zwar, analog der Schubfachanordnung, durch Einbuchtungen in drei Felder geteilt. Die Ein-
buchtungen sind durch prächtige Bronzeapplikationen, die Rankenwerk in Rocaillegeschmack zeigen,
geschmückt. Die der Stirnseite entgegengesetzte Längsseite zeigt denselben Dekor wie diese, auch
dieselben Griffhandhaben und Schlüssellochverkleidungen, obwohl die Schubladen nur an der Stirnseite
zu öffnen sind. Die breiten Schmalseiten sind durch je eine Rocailliekartusche in Bronze montiert. Die
den Wangen gemäß geschweifte Platte hat eine zweimal abgekantete breite Bronzeeinfassung, die an
den vier Ecken (über den Karyatiden) durch je eine Rocaillekartusche unterbrochen wird. Eingelassen
in die Platte ist eine große Ledertafel mit gepunzter Goldbordüre. In die linke, vordere Ecke dieser
Ledertafel eingepreßt ist die Meisterbezeichnung: P. Bernard. Höhe 79,5 cm, Breite 142 cm, Tiefe 78 cm.

Bernard, nach den Angaben der Almanaches der Zeit in der rue des Fossds-Saint-Germain wohnhaft, war einer der geachtetsten Ebenisten
der epoque Louis XV, er arbeitete auch für Francois Boucher (z. B. 1771, vgl. Champeaux, le Meuble, t. II und die einschlägige Literatur).

282 Toilette Louis XV.

Nußbaumholz mit Rosenholz und Ahorn eingelegt und mit feuervergoldetem, reichem Bronze-
beschläg. Vier diskret geschweifte Beine tragen das Möbel, sie sind an den drei nach außen gekehrten
Kanten in Bronze geschient und an den Füßen mit bronzenem Schnörkelwerk bekleidet. Der Rumpf
des Möbels zeigt eine durch entsprechende Schweifung markierte dreifache Gliederung, die Mittelpartie
ist ausgewölbt, um ein nahes Heranrücken des Stuhles zu erleichtern, während die beiden Seitenteile
weiter heruntergehen. Diese Seitenteile enthalten je ein Ausziehfach (Schublade) und ein weiteres Fach,
das durch Aufklappen des darüber liegenden Plattenteils zu öffnen ist. Die Mittelpartie enthält eine
Schublade, darüber eine Ausziehplatte und einen in die Rückseite der Platte eingelassenen, fahrbaren,
aufzustellenden Spiegel. Die Stirnseite umrahmt die drei Felder durch reiche Bronzeapplikationen, die
geschnörkeltes Rankenwerk zeigen; die Felder selbst sind fast ganz ausgefüllt durch große Rosenholz-
einlagen, in die wiederum Ahorneinlagen eingelassen sind und zwar zeigen diese Ahorneinlagen natura-
listisch gegebene Pflanzenzweige mit einigen Blumen. Die beiden Ecken der Stirnseite haben als Abschluß
der Beinschienen große durch Rankenwerk gebildete Rocaillekartuschen. Die beiden Seitenwände des
Möbels haben denselben Applikationsschmuck wie die Felder der Hauptseite, die Bronzeumrahmung
schließt auch hier eine größere Rosenholzeinlage ein, doch hat diese keinen weiteren Schmuck, ist viel-
mehr schräg ä damier angeordnet. Die Platte hat wie der vorher beschriebene Tisch, dem das Möbel
in seiner ganzen Konzeption nahe verwandt ist, eine Bronzeeinfassung mit dekorativen Eckstücken, die
hier drei Bourbonsche Lilien in einer Kartusche zeigen. Im übrigen ist diese Platte, analog der drei-
fachen Gliederung des ganzen Möbels, in drei aufzuklappende Felder geteilt, die wie die Felder der Stirn-
seite dekoriert sind, natürlich ohne Bronzeapplikationen, vielmehr lediglich die Ahornpflanzenmotive in
Rosenholzeinlagen, die in das Nußbaumholz, das eigentliche Material des Möbels, eingelassen sind, zeigen.

Höhe 76,5 cm, Breite 95 cm, Tiefe 57,5 cm.

An der linken Schieblade die Meisterbezeichnung J. F. Olben || Maitre-Ebeniste.

Diese Bezeichnung weist das Möbel dem berühmtesten Ebenisten der Epoche, dem in der Literatur meist Jean-Francois Oeben, aber auch
■•nobenne" (Les Tablettes royales de Renommee 1772) genannten Lieferanten der Pompadour und „de la plupart des curieux du temps" (Champeaux)
h"' Vi + • bio&raPhische Daten über ihn nur spärlich vorhanden sind, ist diese hier vielleicht erstmalig auftauchende Schreibweise des Namens jedenfalls
nochst interessant. Oeben war der Nachfolger von Boulle im Range des eböniste du roy, die Bronzemontierung ist bei seinen Möbeln nie von ihm selbst
(Champeaux), bei vorliegendem Stück soll sie von Beurdeley stammen.
 
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