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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Katalog einer Sammlung von Goldemail-Uhren vorwiegend des XVIII. Jahrhunderts aus Berliner Privatbesitz: [Auktion in der Galerie Helbing in München, Dienstag, den 19. November 1912] — München, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.21411#0009
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VORWORT

Die Mode des 18. Jahrhunderts verlangte abwechselnd die Taschenuhr als Schmuckstück offen
an der Chateleine neben Petschaft und Schlüssel zu tragen oder in der Tasche zu bergen.

Die zweite Art, die Taschenuhr zu tragen, die einzige, die uns heute geläufig ist, verlangte flache
Gehäusedekorationen und war deshalb dem Email besonders günstig. Taschenuhren des Rokoko aber,
die zu freiem Tragen bestimmt waren, verzierte man auf der Rückseite gerne mit getriebenen Reliefs.

Email wurde zum Schmuck der tragbaren Uhren schon verwendet, als sie sich aus primitiven
Anfängen nach der Mitte des 16. Jahrhunderts zu Halsuhren zu entwickeln begannen. Im Verlaufe
des 17. Jahrhunderts wurden die zarten Schmelzarbeiten aus Attenstätters Werkstatt und Schule durch
das wirkungsvollere Maleremail verdrängt, in dessen Ausführung auf Taschenuhren das Atelier der Brüder
Huaut die bedeutendsten Leistungen hervorgebracht hat.

Mit einem Werke dieser Künstler beginnt das Sammelgebiet, das sich der Besitzer der hier be-
schriebenen Uhren gewählt hat. Emailuhren des 18. Jahrhunderts und des frühen 19. Jahrhunderts,
in guten Beispielen zu einer Sammlung vereinigt, bieten ein Bild, das reich ist an Abwechslungen: die
Uhren der ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts in ihrer schweren, noch ganz barocken Pracht der
Dekoration werden im Rokoko von zierlicheren, hellerfarbigen Gebilden abgelöst, die neben dem Email
oft noch mit Perlen, edlen Steinen und vierfarbigem Golde verziert sind. Die Uhren des ausgehenden
18. Jahrhunderts und des frühen Empirestiles zeigen noch manchmal jene hohe, stille Schönheit, wie
sie das Kunstgewerbe erreichte, ehe sein Niedergang im Verlaufe des 19. Jahrhunderts begann. Der
reife Empirestil hat noch vereinzelte Taschenuhren von stolzester Pracht und geklärtem Geschmacke
hervorgebracht.

Die hier beschriebene Sammlung bietet von Emailuhren vielfach das Beste, was diese Epochen
überhaupt geschaffen. Wir finden die Namen der hervorragendsten Meister, die gewohnt waren, ihre
kostbaren Werke nur in die edelsten Gehäuse einschließen zu lassen: Berthoud, Ellicot, Jiirgensen,
Mudge, Le Roy.

Von Städten sind nicht nur die Zentren der damaligen Taschenuhrenfabrikation, Paris, Genf und
London, vertreten, sondern auch weniger bekannte damalige Sitze der Uhrmacherei, wie Berlin, Kon-
stanz, Kopenhagen, Lüttich, Stockholm. Wer sich für technische Merkwürdigkeiten interessiert, wird
unter den gepflegten Werken frühe Zylinder- und Ankergänge, Duplex- und Kommagänge, Perpetualen
und Musikwerke finden.

München, im Oktober 1912.

Dr. ERNST BASSERMANN-JORDAN.
 
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