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Hugo Helbing [Editor]; Seiler, Carl [Oth.]; Adlerberg, Nikolaj V. [Oth.]
Ölgemälde moderner Meister: aus den Nachlässen: Professor Carl Seiler †, München, Stuttgarter Privatbesitz, Graf Nikaolai v. Adlerberg †, München und aus anderem Besitz; Auktion in München in der Galerie Helbing, 15. November 1921, 16. November 1921 — München: Helbing, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.53528#0005
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Professor Carl Seiler starb im Frühjahr dieses Jahres im Alter von 75 Jahren, geachtet und
geehrt ob seines lauteren, offenen Charakters und vornehmen Wesens von allen, die ihn kannten.
Er war ein echter Deutscher, Patriot durch und durch, für ihn gab es nur ein deutsches Vater-
land, für dessen Wohl und Einigung er auch im Jahre 1870 in das Feld zog, und so mithalf, ein großes
Deutschland zu schaffen.
Carl Seiler zeigte schon in frühester Jugend große Begabung zum Zeichnen und begann sein Stu-
dium an den Bauakademien von Berlin und München, da ihn vor allem das Studium der Architektur
anzog. Als er sich auf dem Gebiete der Architektur und in der Perspektive genügend gebildet hatte,
wurde in ihm der Wunsch rege, sich auch auf dem Gebiete der Malerei zu betätigen. Er trat daher
in die Komponierklasse von Professor Carl Raupp ein, um sich auch im Figürlichen und landschaftlichen
zu vervollkommnen. Die so geschaffenen Grundlagen, aufgebaut auf solidem zeichnerischen Können
und reichem geschichtlichen Wissen, gaben ihm die Möglichkeit, jene Werke zu schaffen, die ihm
Ansehen in der gesamten kunstverständigen Welt schufen. Seine Gemälde, Motive aus dem Kloster
Ettal, aus der Johanniskirche zu München, aus Rothenburg, aus den vornehmsten Schlössern, gaben
ihm Gelegenheit, die Architektur mit dem Figürlichen zu verbinden und so in der Wiedergabe des
Gesehenen und geschichtlich Überlieferten wahre und echte Werte zu schaffen. Carl Seiler bestätigt
auch wieder die Tatsache, daß die Lehren des Lehrers nicht dazu dienen sollen, Art und Motiv nachzu-
ahmen, sondern den Schüler nur anzuleiten, sich zu bilden, ohne das eigene geistige Streben irgendwie
zu hemmen. Prof. Carl Raupps Ruf als Lehrer hat in Carl Seilers Können aufs neue Bestätigung
gefunden.
Professor Carl Seiler war einer jener Künstler, denen das Malen nicht nur allein Mittel zum Zweck
war, er freute sich seiner Schöpfungen und reihte Studien und Bilder aneinander, um sich am Geschaf-
fenen — auch bei Spitzweg war dieses der Fall — in der Beschaulichkeit seines Ateliers zu erfreuen.
Diesem Umstand ist es auch zu verdanken, daß der Nachlaß so prächtige Bilder, Studien und Skizzen
enthält. Diese letzteren zeigen, wie gewissenhaft der Künstler die figürlichen, architektonischen und
landschaftlichen Motive behandelte, und sie dann in seinen Bildern zu einem Ganzen zusammenstimmte.
Es seien hier einige Werke benannt: „Die beiden Freunde“, „Ein Toast“, „Die Freundinnen“, „Beim
Souper“, „Die Sängerin“, „Im Raritätenkabinett“, „Im Hirschgarten“, „Das Biwak“, „Der Bügel-
trunk“, „Bei der Messe“, Gottesdienst in der Johanniskirche“, „Holländische Bauernhäuser“, „Aus
Holland“, „Aus Sterzing“, „Inneres der Ettaler Kirche“, „Aus Rothenburg“, „Gemäldegalerie“,
„Aus einem Palazzo“, und ganz besonders „Niederländischer Maler“ und „Rembrandt in seinem
Atelier“, zwei Schöpfungen, bei denen sich die Behandlung des figürlichen und des Interieurs sowie
das Eingehen auf die Zeit der Niederländer zu einer bedeutenden malerischen Leistung vereinigten.
Werte — die genügen würden, das Ansehen des Künstlers für alle Zeiten zu festigen.
Nun sei noch von dem weiteren Inhalt des Kataloges eine kurze Übersicht gegeben: Anselm *
Feuerbachs „Kinder am Strande“, ein aus dem Feuerbach-Werke von Uhde-Bernays, auf Seite 123,
abgebildetes wohlbekanntes Werk, bedürfte eigentlich eines besonderen Hinweises nicht und trotzdem
kann nicht unterlassen werden, auf die vornehme Art, in der die Körperformen des aufblühenden
Weibes, in dem Mädchen wiedergegeben sind, hinzuweisen; das muschelsuchende Schwesterchen
zeigt eine Anmut, die in ihrer Unbefangenheit das rein kindliche so recht zur Geltung bringt. Der
den Fuß des großen Mädchens umspielende leichte Wellenschlag, gibt gleichsam den Takt zu einer
Symphonie echt Feuerbachschen Empfindens.
C. Spitzwegs „Anachoret“ vereint in der Schilderung des weltentrückten Mannes, in der Behand-
lung des türkisblauen Himmels und der den Hintergrund bildenden Ruine, das Ganze getaucht
in die warmen Töne des Südens, alle jene Vorzüge, die dieses Künstlers Ansehen schufen.
 
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