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Hugo Helbing <München> [Hrsg.]
Die Judaica-Sammlung S. Kirschstein, Berlin: Kultgeräte für Haus und Synagoge, Manuskripte, Gemälde, Miniaturen, Graphik, Urkunden, Bücher ; 12. bis 14. Juli 1932 — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.6567#0008
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sitzers noch aufgestellte Synagogen-Einrichtung (Nr. 166) besondere Beachtung. Neben den
Thorarollen, von denen eine durch ihren aufmontierten Silberschmuck (Nr. 167), eine andere
wegen des Schreibmaterials (Hirschhaut) bemerkenswert ist, sind es die M'gilloth, die Perga-
mentrollen mit dem Buche Esther, die durch ihren künstlerischen Schmuck sich auszeichnen.
Iiier hat Kirschstein mit besonderer Liebe die ältesten und bemerkenswertesten Arbeiten
zu vereinen sich bemüht. Als Resultat seiner eindringenden Beschäftigung ist von ihm, der sich
durch sein Werk „Jüdische Graphiker aus der Zeit von 1625—1825" bereits erfolgreich litera-
risch versucht hat, eine Darstellung der Kunstentwicklung in der Schmückung der M'gillah
zu erwarten. Als wertvollstes Stück betrachtet er die M'gillah Nr. 182, die er als ältestes ihm
bisher bekannt gewordenes illuminiertes Exemplar ansieht. Er vermutet ihren Urheber im
Kreise der jüdischen Miniatoren, die die zweite Haggadah des Germanischen Museums und
andere gleichartige Werke geschaffen haben. Dabei sind die meisten übrigen M'gilloth aus
dem 16., 17. und 18. Jahrhundert von nicht weniger hoher Bedeutung. Auf dem Gebiete des
Handschriftenwesens besitzt Kirschstein noch mehrere Unikä, so die Haggadah auf 64 Rund-
blättchen (Nr. 213), das Psalmen-Ms. (Nr. 214) und das Gebetbuch (Nr. 215), das Abraham
Farissol im Jahre 1485 in bester Zierschreiberkunst fertigte. Von hohem geschichtlichem
Werte sind die Urkunden, die sich auf Rabbiner David Oppenheim beziehen, dessen berühmte
Bibliothek jetzt die Bodleiana ziert (Nr. 274). Beim Sammeln der Portraits und Miniaturen
wurde vor allem auf die Familienzusammenhänge Wert gelegt und dabei Berlin als die Heimat
des Sammlers begreiflicherweise besonders berücksichtigt. So ist der erste Vorsitzende der
Berliner Gemeinde, B. H. Fraenkel-Mirels (Nr. 291) zu finden, wie der Lehrer Moses Mendels-
sohns (Nr. 298). Dabei sind auch Zeugnisse jüdischer Künstler, wie die seltenen Blätter der
Henschel (Nr. 312—315) nicht außer Acht gelassen. Besonderes Interesse verdient die reich-
haltige Kollektion von Portraits jüdischer Persönlichkeiten aus allen Gebieten und die Samm-
lung von historischen Dokumenten, die sich auf Juden und Judentum beziehen. Ohne die
Absicht, eine umfassende Bibliothek zu schaffen, hat Herr Kirschstein bemerkenswerte Druck-
werke in hebräischer, deutscher und lateinischer Sprache zusammengebracht, vor allem natür-
lich die Bibel in verschiedenen Ausgaben, exegetische Werke, aber auch wissenschaftliche
Arbeiten verwandter Gebiete. Wir finden den S"MaG des Moses de Coucy in der Bombergschen
Ausgabe von 1522 (Nr. 461), die von Fagius herausgegebenen „Sprüche der Väter" (Isny 1541,
Nr. 462), Reuchlins Rudimenta Linguae hebraicae (Nr. 477) und Fürst's Bibliotheca Judaica
Nr. 601) sowie lexigraphische Werke. Vorhanden sind Bodenschatzens kirchliche Verfassung
in Originalausgabe und Herrlibergers mächtiger Foliant. Spezialthemen wie Moses Mendels-
sohn, Jud Süss, Antisemitica werden berührt. Eine Beihe seltener Werke behandelt die Lokal-
geschichte jüdischer Gemeinden. Besonders sei noch die Aufmerksamkeit gelenkt auf das
große Konvolut Nr. 513, das in 151 Originalblättern die Entwicklung des jüdisch-hebräischen
Buchdruckes aufzeigt.

Die Sammlung ermöglicht durch die Vielseitigkeit, mit der Kirschstein alle Gebiete
jüdischer Kultur berücksichtigt hat, die wissenschaftliche Beschreibung des umfangreichen
Stoffs in vielleicht nie wiederkehrender Weise. Es wäre daher zu bedauern, wenn sich nicht noch
in letzter Stunde Gelegenheit ergeben würde, die einzigartige Sammlung als Ganzes zu erhalten.

THEODOR HARBURGER
 
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