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X. Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung betritt ein bisher von der Geographic noch nicht
systematisch erschlossenes Gebiet, namlich das der raumlichen Auswirkungen
der jiingeren christlichen Missionstatigkeit. Sie begreift sich dabei nicht als
in der Tradition der Religionsgeographie als einer selbstandigen geographi-
schen Disziplin stehend, sondern will im Rahmen einer Wirtschafts- und Sozial-
geographie zur Erklarung raumlicher Strukturen in einem Land Schwarzafrikas
beitragen, indem sie als einen beeinflussenden Faktor die christlichen Missio-
nen isolierend herausstellt. Schwarzafrika, das noch um die Jahrhundertwende
nur in Randgebieten christianisiert war, mufl heute als iiberwiegend christlicher
Kontinent angesehen werden, da sich hier die Mehrzahl der Einwohner als zum
Christentum zugehdrig betrachtet. Zu den traditionellen afrikanischen Religio-
nen gehdren heute weniger als 20% der Bevdlkerung, und der Islam ist regional
auf die Sudan- und Sahelzone Westafrikas sowie auf die ostafrikanische Kiiste
beschrankt.
Der Raum des heutigen Zambia wurde als einer der letzten in Afrika erst
gegen Ende des 19. Jahrhunderts von christlichen Missionaren erreicht. Diese
kamen in den meisten Fallen vor der kolonialen Besitznahme. Sie waren auf
protestantischer Seite in Missionsgesellschaften, auf katholischer in Orden or-
ganisiert und siedelten sich in Missionsstationen an. Nordrhodesien, wie das
Territorium nach der Inbesitznahme durch die British South African Com-
pany genannt wurde, war durch eine groBe Vielfalt von Missionen gekenn-
zeichnet. Bis zum Ersten Weltkrieg arbeiteten bereits zwdlf protestantische
Gesellschaften und zwei katholische Orden hier, spater kamen weitere hinzu.
Alle wichtigen protestantischen Denominationen waren vertreten. Die Mis-
sionare waren iiberwiegend Briten, Iren, Deutsche, Polen, Franzosen, US-
Amerikaner, Siidafrikaner und Italiener.
Die Vielzahl der Missionsgesellschaften fiihrte zu einer groBen Anzahl von
christlichen Kirchen. Die heute uber 100 Gruppen, die fast drei Viertel der
Gesamtbevolkerung des Landes als Anhanger umfassen, reichen von der groBen
katholischen Kirche mit einem Drittel der Christen des Landes bis zu kleinsten
charismatischen oder afrikanisch-unabhangigen Gruppierungen mit weniger als
100 Anhangern. Die unabhangigen christlichen Kirchen haben in Zambia nicht
eine so groBe Bedeutung wie in anderen schwarzafrikanischen Landern, da
die Zeugen Jehovahs (“Watchtower”), die die zweitgroBte Religionsgemein-
schaft des Landes bilden und viele Merkmale mit den unabhangigen Kirchen
gemeinsam haben, einen GroBteil des entsprechenden Mitglieder-Potentials ab-
sorbierten. In einer Analyse der raumlichen Verteilung der wichtigsten Kirchen
des Landes wird der Unterschied zwischen nationalen und regionalen (oder
“Stammes”-) Kirchen herausgestellt. Zu den ersteren gehoren einerseits aus
solchen Missionen entstandene Kirchen, die von vornherein mit dem Anspruch
X. Zusammenfassung
Die vorliegende Untersuchung betritt ein bisher von der Geographic noch nicht
systematisch erschlossenes Gebiet, namlich das der raumlichen Auswirkungen
der jiingeren christlichen Missionstatigkeit. Sie begreift sich dabei nicht als
in der Tradition der Religionsgeographie als einer selbstandigen geographi-
schen Disziplin stehend, sondern will im Rahmen einer Wirtschafts- und Sozial-
geographie zur Erklarung raumlicher Strukturen in einem Land Schwarzafrikas
beitragen, indem sie als einen beeinflussenden Faktor die christlichen Missio-
nen isolierend herausstellt. Schwarzafrika, das noch um die Jahrhundertwende
nur in Randgebieten christianisiert war, mufl heute als iiberwiegend christlicher
Kontinent angesehen werden, da sich hier die Mehrzahl der Einwohner als zum
Christentum zugehdrig betrachtet. Zu den traditionellen afrikanischen Religio-
nen gehdren heute weniger als 20% der Bevdlkerung, und der Islam ist regional
auf die Sudan- und Sahelzone Westafrikas sowie auf die ostafrikanische Kiiste
beschrankt.
Der Raum des heutigen Zambia wurde als einer der letzten in Afrika erst
gegen Ende des 19. Jahrhunderts von christlichen Missionaren erreicht. Diese
kamen in den meisten Fallen vor der kolonialen Besitznahme. Sie waren auf
protestantischer Seite in Missionsgesellschaften, auf katholischer in Orden or-
ganisiert und siedelten sich in Missionsstationen an. Nordrhodesien, wie das
Territorium nach der Inbesitznahme durch die British South African Com-
pany genannt wurde, war durch eine groBe Vielfalt von Missionen gekenn-
zeichnet. Bis zum Ersten Weltkrieg arbeiteten bereits zwdlf protestantische
Gesellschaften und zwei katholische Orden hier, spater kamen weitere hinzu.
Alle wichtigen protestantischen Denominationen waren vertreten. Die Mis-
sionare waren iiberwiegend Briten, Iren, Deutsche, Polen, Franzosen, US-
Amerikaner, Siidafrikaner und Italiener.
Die Vielzahl der Missionsgesellschaften fiihrte zu einer groBen Anzahl von
christlichen Kirchen. Die heute uber 100 Gruppen, die fast drei Viertel der
Gesamtbevolkerung des Landes als Anhanger umfassen, reichen von der groBen
katholischen Kirche mit einem Drittel der Christen des Landes bis zu kleinsten
charismatischen oder afrikanisch-unabhangigen Gruppierungen mit weniger als
100 Anhangern. Die unabhangigen christlichen Kirchen haben in Zambia nicht
eine so groBe Bedeutung wie in anderen schwarzafrikanischen Landern, da
die Zeugen Jehovahs (“Watchtower”), die die zweitgroBte Religionsgemein-
schaft des Landes bilden und viele Merkmale mit den unabhangigen Kirchen
gemeinsam haben, einen GroBteil des entsprechenden Mitglieder-Potentials ab-
sorbierten. In einer Analyse der raumlichen Verteilung der wichtigsten Kirchen
des Landes wird der Unterschied zwischen nationalen und regionalen (oder
“Stammes”-) Kirchen herausgestellt. Zu den ersteren gehoren einerseits aus
solchen Missionen entstandene Kirchen, die von vornherein mit dem Anspruch