mit den Mitteln nicht der Malerei, sondern des Kolorierens wiedergegeben.
Unter Malerei verstand man bislang das Transponieren eines Naturobjektes
in die Form der Kunst im Sinne einer Deutung, der Künstler näherte sich
dem Geheimnis der Erscheinung. Als dieses Wesentliche in der Kunst wieder-
erkannt wurde, verzichtete sie auf die Literatur, auf den sogenannten Inhalt,
geriet in das andere Extrem, in das Prinzip des l'Art pour l'Art, dessen
Glaubensbekenntnis lautet: Die Form und nichts anderes ist der Inhalt des
Kunstwerks. Man mag diesen Grundsag verdammen (das gesamte Werk des
großen Meisters Cezanne beruht darauf), jedoch man muß einsehen, daß nur
auf dieser Basis gültige Kunstwerke geschaffen werden können, selbst wenn
sie sich, wie etwa bei Picasso, der den unsicheren Himmel der Kunst wie ein
Komet durchfährt, in der Region des gewaltsam Gewaltigen bewegen. So
können auch nur diejenigen Werke neuester Richtungen Bestand haben,
die auf dem Grund der Geseke stehen.
Nicht wegen der darin zum Ausdruck gebrachten Gläubigkeit oder Frömmig-
keit, nicht wegen der erzählenden Legende bewahren wir die große christ-
liche Kunst des Mittelalters in den Museen, sondern wegen der hohen
künstlerischen Form, in der das Vorgestellte und Ausgesagte zur Darstellung
gelangte. Am Inhalt aber wuchs die Form.
Wie alles, was heute geschieht, hat auch die begreifliche und nur zu be-
grüßende Forderung nach neuen Inhalten der Kunst 'ein doppeltes Gesicht.
Diese Forderung darf uns nicht über die drohende Gefahr täuschen, daß im
neuen außerordentlich bestechenden Gewand wiederum Literarisches er-
scheint, genauer gesagt, diesmal Poetisches, worüber alles Begreifen der
eigentliclien Substanz und des eigentlichen Wesens der bildenden Kunst
wiederum verlorenginge. Vielleicht auch ist dieser Verlust das Primäre.
Denn wo Form und Gestaltung nicht mehr gesehen werden, ruft man nach
neuen Inhalten. Was sollte ein Kunstwerk dem, der das Wesentliche nicht
mehr sieht? Was ist nun Naturalismus? Auf Grünewalds Isenheimer Altar
gibt es eine Szene, wo ein Teufel ein Bogenfenster einschlägt, um in ein
Heiligtum zu dringen, dargestellt mit einer audi von Anton von Werner
oder gewissen Sachsen nicht zu überbietenden Ausführlichkeit; krasser Na-
turalismus, kein Sinnbild, sondern ein Abbild, peinlich genauestens durch
keine Fotografie zu überbietendes Abbild von zerstörten Budenscheiben,
deren Bleiführung sich biegt. Und von gleicher Realität ist der dargestellte
kleine Teufel. Naturalismus? Ja und nein — und warum nicht? — jeden-
falls aber reiner Geist, Expression, also Expressionismus, wenn man dies
schon peinlich gewordene Wortgebilde damit in Zusammenhang bringen will.
Und daneben erinnere man sich des berühmten Dürerschen Hasen, über den
sich dereinst die Kunstrauschebärte, die Träne im Auge, in Ehrfurcht neigten,
in Ehrfurcht vor der Ehrfurcht vor der Natur. Ach, es gibt, wie gesagt,
Leute in Sachsen, die das ebensogut, ja nodi besser können, denn mit Kunst
hat dieses berühmte Blatt nichts zu tun und mit der Kunst Dürers aucli nicht,
er hat es eben gemacht und hat sich gewiß sehr gefreut, daß es ihm
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Unter Malerei verstand man bislang das Transponieren eines Naturobjektes
in die Form der Kunst im Sinne einer Deutung, der Künstler näherte sich
dem Geheimnis der Erscheinung. Als dieses Wesentliche in der Kunst wieder-
erkannt wurde, verzichtete sie auf die Literatur, auf den sogenannten Inhalt,
geriet in das andere Extrem, in das Prinzip des l'Art pour l'Art, dessen
Glaubensbekenntnis lautet: Die Form und nichts anderes ist der Inhalt des
Kunstwerks. Man mag diesen Grundsag verdammen (das gesamte Werk des
großen Meisters Cezanne beruht darauf), jedoch man muß einsehen, daß nur
auf dieser Basis gültige Kunstwerke geschaffen werden können, selbst wenn
sie sich, wie etwa bei Picasso, der den unsicheren Himmel der Kunst wie ein
Komet durchfährt, in der Region des gewaltsam Gewaltigen bewegen. So
können auch nur diejenigen Werke neuester Richtungen Bestand haben,
die auf dem Grund der Geseke stehen.
Nicht wegen der darin zum Ausdruck gebrachten Gläubigkeit oder Frömmig-
keit, nicht wegen der erzählenden Legende bewahren wir die große christ-
liche Kunst des Mittelalters in den Museen, sondern wegen der hohen
künstlerischen Form, in der das Vorgestellte und Ausgesagte zur Darstellung
gelangte. Am Inhalt aber wuchs die Form.
Wie alles, was heute geschieht, hat auch die begreifliche und nur zu be-
grüßende Forderung nach neuen Inhalten der Kunst 'ein doppeltes Gesicht.
Diese Forderung darf uns nicht über die drohende Gefahr täuschen, daß im
neuen außerordentlich bestechenden Gewand wiederum Literarisches er-
scheint, genauer gesagt, diesmal Poetisches, worüber alles Begreifen der
eigentliclien Substanz und des eigentlichen Wesens der bildenden Kunst
wiederum verlorenginge. Vielleicht auch ist dieser Verlust das Primäre.
Denn wo Form und Gestaltung nicht mehr gesehen werden, ruft man nach
neuen Inhalten. Was sollte ein Kunstwerk dem, der das Wesentliche nicht
mehr sieht? Was ist nun Naturalismus? Auf Grünewalds Isenheimer Altar
gibt es eine Szene, wo ein Teufel ein Bogenfenster einschlägt, um in ein
Heiligtum zu dringen, dargestellt mit einer audi von Anton von Werner
oder gewissen Sachsen nicht zu überbietenden Ausführlichkeit; krasser Na-
turalismus, kein Sinnbild, sondern ein Abbild, peinlich genauestens durch
keine Fotografie zu überbietendes Abbild von zerstörten Budenscheiben,
deren Bleiführung sich biegt. Und von gleicher Realität ist der dargestellte
kleine Teufel. Naturalismus? Ja und nein — und warum nicht? — jeden-
falls aber reiner Geist, Expression, also Expressionismus, wenn man dies
schon peinlich gewordene Wortgebilde damit in Zusammenhang bringen will.
Und daneben erinnere man sich des berühmten Dürerschen Hasen, über den
sich dereinst die Kunstrauschebärte, die Träne im Auge, in Ehrfurcht neigten,
in Ehrfurcht vor der Ehrfurcht vor der Natur. Ach, es gibt, wie gesagt,
Leute in Sachsen, die das ebensogut, ja nodi besser können, denn mit Kunst
hat dieses berühmte Blatt nichts zu tun und mit der Kunst Dürers aucli nicht,
er hat es eben gemacht und hat sich gewiß sehr gefreut, daß es ihm
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