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Heydemann, Heinrich [Hrsg.]
Illiupersis auf einer Trinkschale des Brygos — Berlin, 1866

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https://doi.org/10.11588/diglit.854#0003
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Öo zalreich im denkmälervorrat der alten kunst darstellungen einzelner scenen auß der Zerstörung Trojas erhalten sind,
so klein ist die zal derjenigen werke, welche alle oder wenigstens merere begebenheiten diser vilgefeierten tat zusammenfaßen
und eine wirkliche lliupersis uns vorfüren, je mer man daher eine vermerung und vervolständigung der darauf bezüglichen
denkmäler wilkommen heißen wird, desto auffallender ist eß, daß eine vulcentische seit langer zeit bekante und ser geprisene T)
trinkschale des ßrygos noch immer nicht veröffentlicht worden ist. diß Versäumnis bin ich jetzt, durch die dankenswerte gute
meines vererten lerers Herrn Professor Otto Jahn, nachzuholen in stand gesetzt; eine außfürliche besprechung der schönen
schale (Tafel I), zugleich mit berüksichtigung der anderen kunstdarstellungen der lliupersis, ist der zwek der vorligendea schrift.
eß gibt in der tat nicht alzuvile gefäßbilder des alten töpferhandwerks, welche mit recht das interesse so alseitig beanspruchen
dürften als dise rotfigurige schale, deren bild, durch adel und kraft der erfindung durch maß und Verständnis der darstellung
durch Schönheit und anmut der Zeichnung den besten seiner gattung ebenbürtig, die bißherige vernachläßigung von seiten der
archäologie durchauß nicht verdient hat. zwar steht unser gefäß der berümten Vivenziovase (Tafel II, 1), welche vorläufig
daß umfaßendste bild einer lliupersis aufweist, an volständigkeit und umfang der darstellung nach; aber in jeder anderen be-
ziehung ist eß jenem herrlichen erzeugnis griechischen kunsthandwerks völlig gewachsen und gleich jener nolanischen hydria
recht geeignet, auf die glucklichen Vorzüge und grundlagen griechischer kunsttätigkeit, die künstlerische durchbildunc des
gesamten Volkes sowie seine bewunderungswürdige kentnis der alten sagen und seinen rastlosen trib zu deren bildlicher
darstellung, immer und immer wider hinzuweisen als diejenigen stufen auf welchen die griechische kunst zur höchsten Stellung
im reich des ewig schönen emporgestigen ist und sich dort zu unvergänglicher blute entfaltet hat.

Den Untergang Ilions welchem unsere schale iren bildlichen schmuk entmint, hatte nach alten liedern, wie der blinde
üemodokos beim mal der Phäaken eineß sang 3), zuerst Arktinos auß Milet in einheitlicher abrundung zusammengefaßt und in
zwei büchern besungen, glich sein erhabeneß tragischeß gedieht vom langbestimten fal Ilions einem blutigen dunklen nacht-
stükke, so scheint dagegen der spätere Lesches am Schluß seiner 'kleinen Ilias' den schaurigen hintergrund durch mancheß
Streiflicht erhelt und erheitert zu haben, wärend Stesichoros 3) wol durch einmischung subjeetiver lyrik uud durch hinweisuno- auf
die glanzvolle zukunft der geretteten Aeneaden daß herbe geschik der Priamosstadt gemildert haben mochte 4). nur wenige
Überreste 6) sind uns, neben dem dürftigen trokkenen außzug des Proklos auß den kyklischen dichtem und neben der für den
Unterricht der römischen Jugend bestirnten Tabula Iliaca, von disen epischen gedächten erhalten, wie auch die disem teil der
heroensage entnommenen dichtungen eines Aeschylos, eines Sophokles un'd anderer griechischer oder .römischer dramatiker biß
auf geringfügige spuren e) untergegangen sind, disen verlust können die erhaltenen rürstükke der euripideischen muse, 'Hekabe'
und 'Troades' 7), ebensowenig ersetzen als die rhetorischen erzeugniße der erkünstelten nationalen begeisterung Vergils und der
frostigen eklektischen schwülstigkeit des Seneca eß vermögen 3). die späten versificationen aber des Quintus Smyrnaeus, des
Tryphiodoros und anderer dichterlinge, endlich die romantische novellistik eines Dictys und eines Dares verdienen nur wegen

') Vgl. Bull, dell' Instituto de corr. arch. 1843 p. 71. Gerhard, Arch. Ztg. 1843 S. 141 (wo Prylos ein Druckfehler ist; ebenso bei Walz, Heidelb.
Jarb. 1845 S.389). Welcker, Rhein. Mus. 1848 N. F. VI S. 390. Panofka, Namen der vaseubildner Berl. Äkad. 1849 S. 165. de Witte, Revue de philol.
II p. 399; Ännali dell' Instituto 1856 p.'82. Overbeek, Bildw. zum theb. troisch. heldenkr. S.623ff. Bruan, Gesch. der gr. Künstl. II S.665.

2) Hora. Odyss. 0, 499 ss.

3) üeber die verwandte lliupersis des Sakadas (Athen XIII, 91 p. 610 C) wissen wir gar nichts.

4) Vgl. Welcker, Epischer Cyclus II S. 235 f.

5) Gesammelt von Welcker, ebd. II S. 527 ff. (Arktinos). 532 ff. (Lesches) und von Bergk Poetae lyr. gr. p. 745 sq. (Stesichoros).

6) Vgl. Welcker, Aesch. Trilog. S. 449 ff. Gr. Trag. I S. 39 ff. III S. 1515 ff. (Aeschylos); I 8. 151 ff. (Sophokles); II S. 523 ff. (Euripides); III
S.967 (Philokles); S. 975'(Jophon); S. 980 (Euripides der jüngere); S. 992 ff. (Agathon); S. 1010 (Kleophon); S. 1015 (Nikoraachos); S. 1074 (Theodektes)
und über die römischen dramatiker ebd. III S. 1333 ff.

v) Hekabe: wol Ol. 83, 4 (424) gedichtet; vgl. Otfr. Müller Gesch. der gr. litteratur II S. 160ff. Bernhardy, grundriß der gr. litteratar II, 2.
S.40lt — Troades: aufgeführt Ol. 91, 1 (415); vgl. Otfr. Müller ebd. II S. 168f. Bernhardy ebd. S.422f.

") Verg. Aen. II, 268 ss. — Andere urteile über die 'Troades* des Seneca stelt Welcker Gr. Trag. III S. 1453 f. zusammen.
 
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