Karl W. HiersemaNN
BUCHHÄNDLER UND ANTIQUAR
* * * KÖNIGSSTRASSE 3 * LEIPZIG
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' mo tiempo, sobre cuäl raino de arte ö ciencia
desean informarse.
Manuscripte mit Miniaturen.
M. Pf.
1 Antiphonarium. Pergament-Manuscript mit Musiknoten aus dem
XV. Jahrhundert. 162 Blätter in Grossfolio (58X41 cm.) Mit
3 schönen Miniaturen in Farben mit Gold erhöht, 51 grossen Initialen
’n Blau und Roth und 487 kleineren in ebensolcher Ausführung. Sechs
Zeilen in sorgsamster Lapidarschrift auf der Seite und ebensoviele
Reihen Musiknoten auf rothen Linien. 1400 —
In mächtigem Holzeinband mit Leder überzogen und mit Blindpressung geziert. Auf
jedem der beiden Einbanddeckel sitzt in der Mitte ein derber Buckel auf einer
Rosette , die darumliegenden 6 Felder sind durch Blindpressung quadratisch ge-
theilt, darin ein Kreis , dessen Mittelpunkt ein kleiner Metallbuckel bildet. Dies
ist offenbar der erste Einband, dem die Krampen fehlen. Später ist dieser Ein-
band geschützt worden durch breite Messingleisten um Deckel und Rücken. Diese
Messingleisten sind von allen Seiten geschützt durch haselnussgrosse Nagelköpfe
und auf den beiden Deckeln mit aneinandergereihtem Stempel geziert. Zum Ueber-
fluss ist über diese Messingbeschläge noch eine derbe Eichenholzleiste gelegt.
Damit die grossen schweren Pergamentblätter sich im Einband nicht senken
können, sind an der unteren Kante der Einbanddeckel zwei starke gegenüber-
stehende Messingzungen eingelassen.
Die erste Miniatur stellt den Apostel Andreas mit dem Kreuz dar. Er liest mit
etwas gesenktem Haupt in dem Buch, das er in ddr linken Hand hält. Aus dem
Initial der mit Gold reich eingefasst ist, hebt sich ein Füllhorn mit Mohnblumen.
Leider hat sich die Farbe im unteren Theil des Gesichtes etwas abgebröckelt.
Alle anderen Farben sind frisch erhalten.
Von unvergleichlich höherem Werth ist die folgende Miniatur, eine praeraffae-
litisehe Madonna della Sedia. Die Madonna mit röthlichblondem
schlichtem Haar hat einen mädchenhaften lieblichen Gesichtsausdruck. Besonders
bemerkenswerth scheint mir an der Darstellung, wie innig sich Mutter und Kind
aneinander schliessen. Das Jesukind hat den Arm um den Hals der Mutter ge-
schlungen und den Kopf dicht an das mütterliche Haupt gepresst. Die linke
Hand der Mutter umspannt den Schenkel des Kindes, das den Daumen dieser
Hand festhält. Noch charakteristischer ist die Haltung der anderen Hand,
die den Fuss des Kindes wie eine Hülle oben und unten umschliesst, und so,
dass die Umrisse der Hand, wie die des Fusses sich nirgends kreuzen oder decken.
Eine innigere Zusammengehörigkeit von Mutter und Kind lässt sich nicht er-
denken. Der Liebreiz des Bildes ist unbeschreiblich.
Die letzte Miniatur stellt die Stigmatisirung des heiligen Franziskus dar, der die
wunden Hände erhebt. Der asketische Gesichtsausdruck ist sehr lebenswahr und
die ganze Darstellung ein kleines Meisterstück.
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königsstrasse 3. Katalog 258.
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