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Musik und Liturgie.
M. Pf.
Prachtinitialen (bis 6X6 cm), 4 kleineren in Gold u. Farben, und zahl-
losen reich verzierten Initialen mittlerer' Grösse, die meisten in mehreren
Farben. 2 colorirte, etwas spätere Bilder (Holzschnitt u. Feder-
zeichnung) sind an den Innenseiten der Deckel eingeklebt, ein drittes
uncolorirtes auf Bl. 152 b. — Die umfangreiche Handschrift ist un-
gemein sauber und gut erhalten, abgesehen von einigen als schadhaft
abgeschnittenen Randstellen, und befindet sich in altem kostbaren
Einband von 1515 mit tadellos erhaltenen Metall-Schliessen und
-Beschlägen. Das kastanienbraune Leder zeigt reiche Blindpressung,
deren Details in voller Frische erhalten sind. Die Schliessen und
Krampen sind von künstlerischer Form, durchbrochene Arbeit, und
haben ausserdem in Gravirung feine Ornamente; man liest darauf
an der Unterseite Anno dni 1515 (eingravirt). Masse des Codex
31X24 cm; Dicke 7 cm. 8500 —
Inhalt. Voraus gehen 3 unbeschriebene Pergt.-Blätter, auf deren letztem sich
rückwärts ein Bibeltext gleicher Epoche (Handschrift mit farbigen Initialen)
abgedrückt hat.
Bl. 4—17. (Anfang): Psalm 94. Venite exultate dno, welcher achtmal in ver-
schiedenen toni wiederholt ist; das neunte Mal ist nur der Text da, mit dem
vorgezeichneten Notensystem, welches aber nicht ausgefüllt ist.
Bl. 17—73. Die Gesänge und Responsorien für die Messen der Feste und Wochen-
tage von Advent bis Trinitatis; dazu Bl. 73—84 die gesungenen Partien von
Liber sapientiae, Hiob, Judith, Esther, Maccabäer und hist, prophetarum et
martyrum.
Bl. 84 b—86. In dedicatione ecclesiae (mit Bild).
BI. 86 b—94. Incipit comune (sanctorum): Fuerunt sive facti sunt, tradiderunt
corp. etc.
Bl. 95. Nur die Grundlinien vorgezeichnet, aber sonst unbeschrieben, wohl
wegen einer schadhaften Stelle im Pergament.
Bl. 96—109. Ohne Überschrift, enthält das Poprium Sanctorum. Nov. bis Ende
März: S. Andrea bis Mariä Verkündigung. (Der Titel am Schluß: Incip.
comm. sanct. etc. scheint nicht zutreffend, wie auch der auf der 1. Seite>
der Hs. oben ungenau).
Bl. 110—138. Wiederaufnahme und Ergänzung der Bl. 73 unterbrochenen Partie,
von S. Ambrosius bis Advent.
Bl. 138—151. Die Horen der Festzeiten.
Bl. 152. Das Gloria patri et fil. et sp. s. in 8 verschiedenen toni. (Danach
Ausfall von 4 Bl.)
Bl. 161—198. Graduale zu den verschiedenen Festen. Bemerkenswert 168 Ad
consecrationem cerei pas. 171 hic incendatur cereus. 184 In temp. pesti-
lenciae. 184 ff. Proprium und Commune Sanctorum.
Die großen, scharfgeprägten und sehr regelmäßigen Neumen zeigen den Huf-
nagel-Typus auf Fünfliniensystem mit c-Schlüssel und f-Schlüssel, letzterer
durch Punkt bezeichnet, am Ende jeder Reihe den hakenförmigen custos,
als Punkt mit schräg ansetzender Linie. Hie und da sind rote Abteilungs-
striche (nicht Taktstriche) zum Atemholen eingefügt, welche bis in den Text
hinunterreichen. Die manchmal (besonders von Blatt 161 an) recht aus-
gedehnten jubili werden im Text durch rote Flechtbänder, Wellen — oder
Zickzacklinien ausgefüllt, welche oft mit Scheinbuchstaben untermischt, ein
geschmackvolles Streben nach Abwechslung bekunden und die Illusion einer
Kursivschrift erwecken.
Als rote Farbe ist im Text stets eine Art Lack verwendet, nicht so bei den
Initialen. — Da jede Seite nur 9—10 Textzeilen hat und jeder Satz mit
einem großen künstlerisch behandelten Anfangsbuchstaben beginnt, so ist
der markige, farbenkräftige Eindruck einer solchen Schriftseite leicht zu
ermessen — auch wo sich keine Prachtinitialen dazugesellen.
Die Initialen sind teils lateinische, teils gotische, jede nach anderen Stilgesetzen
entworfen und verziert, die gotischen schwarz mit schraffierten Ornamenten
in Federzeichnung, mit etwas verdünnter Tinte, die andern farbig, rot, blau,
rosa, violett, orange; jene eckig, vielfach geknickt und gedreht, diese rund-
lich anschwellend, oft mit ausgesparten Ornamenten im Gebälk und oft
zackiger Profilierung. Wo die lateinischen Buchstaben von Ornament um-
geben oder von solchen erfüllt sind, geschieht dies in diskreter Weise,
in zarten Farben, lila, hellgelb, rosa, in feinen Linien mit Schraffierung!
Als Elemente dienen in beiden Sorten gewellte Blätter (Akanthus und Kohl
ähnliche), gefältelte Bänder, Krausen, fächerartige Stücke wie von Pfauen-
federn (bekanntes Motiv der Schreiber-Initialen seit dem XIII. und XIV.
Jahrhundert); dabei sehen überall Gesichter und kleine komische Köpfe
zwischendurch aus den Schnörkeln heraus: ein Rest der alten dröleries.
Einige Initialen, fol. 60, 69, 173, 177 sind ganz in Gold auf himmelblauem
oder grünem Felde gemalt. Die größten finden sich fol. 4 (im Eingang),
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königstrasse 29. Katalog 392<
Musik und Liturgie.
M. Pf.
Prachtinitialen (bis 6X6 cm), 4 kleineren in Gold u. Farben, und zahl-
losen reich verzierten Initialen mittlerer' Grösse, die meisten in mehreren
Farben. 2 colorirte, etwas spätere Bilder (Holzschnitt u. Feder-
zeichnung) sind an den Innenseiten der Deckel eingeklebt, ein drittes
uncolorirtes auf Bl. 152 b. — Die umfangreiche Handschrift ist un-
gemein sauber und gut erhalten, abgesehen von einigen als schadhaft
abgeschnittenen Randstellen, und befindet sich in altem kostbaren
Einband von 1515 mit tadellos erhaltenen Metall-Schliessen und
-Beschlägen. Das kastanienbraune Leder zeigt reiche Blindpressung,
deren Details in voller Frische erhalten sind. Die Schliessen und
Krampen sind von künstlerischer Form, durchbrochene Arbeit, und
haben ausserdem in Gravirung feine Ornamente; man liest darauf
an der Unterseite Anno dni 1515 (eingravirt). Masse des Codex
31X24 cm; Dicke 7 cm. 8500 —
Inhalt. Voraus gehen 3 unbeschriebene Pergt.-Blätter, auf deren letztem sich
rückwärts ein Bibeltext gleicher Epoche (Handschrift mit farbigen Initialen)
abgedrückt hat.
Bl. 4—17. (Anfang): Psalm 94. Venite exultate dno, welcher achtmal in ver-
schiedenen toni wiederholt ist; das neunte Mal ist nur der Text da, mit dem
vorgezeichneten Notensystem, welches aber nicht ausgefüllt ist.
Bl. 17—73. Die Gesänge und Responsorien für die Messen der Feste und Wochen-
tage von Advent bis Trinitatis; dazu Bl. 73—84 die gesungenen Partien von
Liber sapientiae, Hiob, Judith, Esther, Maccabäer und hist, prophetarum et
martyrum.
Bl. 84 b—86. In dedicatione ecclesiae (mit Bild).
BI. 86 b—94. Incipit comune (sanctorum): Fuerunt sive facti sunt, tradiderunt
corp. etc.
Bl. 95. Nur die Grundlinien vorgezeichnet, aber sonst unbeschrieben, wohl
wegen einer schadhaften Stelle im Pergament.
Bl. 96—109. Ohne Überschrift, enthält das Poprium Sanctorum. Nov. bis Ende
März: S. Andrea bis Mariä Verkündigung. (Der Titel am Schluß: Incip.
comm. sanct. etc. scheint nicht zutreffend, wie auch der auf der 1. Seite>
der Hs. oben ungenau).
Bl. 110—138. Wiederaufnahme und Ergänzung der Bl. 73 unterbrochenen Partie,
von S. Ambrosius bis Advent.
Bl. 138—151. Die Horen der Festzeiten.
Bl. 152. Das Gloria patri et fil. et sp. s. in 8 verschiedenen toni. (Danach
Ausfall von 4 Bl.)
Bl. 161—198. Graduale zu den verschiedenen Festen. Bemerkenswert 168 Ad
consecrationem cerei pas. 171 hic incendatur cereus. 184 In temp. pesti-
lenciae. 184 ff. Proprium und Commune Sanctorum.
Die großen, scharfgeprägten und sehr regelmäßigen Neumen zeigen den Huf-
nagel-Typus auf Fünfliniensystem mit c-Schlüssel und f-Schlüssel, letzterer
durch Punkt bezeichnet, am Ende jeder Reihe den hakenförmigen custos,
als Punkt mit schräg ansetzender Linie. Hie und da sind rote Abteilungs-
striche (nicht Taktstriche) zum Atemholen eingefügt, welche bis in den Text
hinunterreichen. Die manchmal (besonders von Blatt 161 an) recht aus-
gedehnten jubili werden im Text durch rote Flechtbänder, Wellen — oder
Zickzacklinien ausgefüllt, welche oft mit Scheinbuchstaben untermischt, ein
geschmackvolles Streben nach Abwechslung bekunden und die Illusion einer
Kursivschrift erwecken.
Als rote Farbe ist im Text stets eine Art Lack verwendet, nicht so bei den
Initialen. — Da jede Seite nur 9—10 Textzeilen hat und jeder Satz mit
einem großen künstlerisch behandelten Anfangsbuchstaben beginnt, so ist
der markige, farbenkräftige Eindruck einer solchen Schriftseite leicht zu
ermessen — auch wo sich keine Prachtinitialen dazugesellen.
Die Initialen sind teils lateinische, teils gotische, jede nach anderen Stilgesetzen
entworfen und verziert, die gotischen schwarz mit schraffierten Ornamenten
in Federzeichnung, mit etwas verdünnter Tinte, die andern farbig, rot, blau,
rosa, violett, orange; jene eckig, vielfach geknickt und gedreht, diese rund-
lich anschwellend, oft mit ausgesparten Ornamenten im Gebälk und oft
zackiger Profilierung. Wo die lateinischen Buchstaben von Ornament um-
geben oder von solchen erfüllt sind, geschieht dies in diskreter Weise,
in zarten Farben, lila, hellgelb, rosa, in feinen Linien mit Schraffierung!
Als Elemente dienen in beiden Sorten gewellte Blätter (Akanthus und Kohl
ähnliche), gefältelte Bänder, Krausen, fächerartige Stücke wie von Pfauen-
federn (bekanntes Motiv der Schreiber-Initialen seit dem XIII. und XIV.
Jahrhundert); dabei sehen überall Gesichter und kleine komische Köpfe
zwischendurch aus den Schnörkeln heraus: ein Rest der alten dröleries.
Einige Initialen, fol. 60, 69, 173, 177 sind ganz in Gold auf himmelblauem
oder grünem Felde gemalt. Die größten finden sich fol. 4 (im Eingang),
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königstrasse 29. Katalog 392<