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2. Einzelminiaturen.
M. Pf.
183 Himmelfahrt Christi. Bildinitiale E. Miniaturmalerei des XIV. Jahrh.
oberitalienisch, aus einem liturgischen Pergament-Kodex. 8: 7 cm
gross 4800 —
So häufig in der Buchmalerei die Auferstehung am offenen Grabe und so häufig
andererseits die Pfingstversammlung mit der Taube des hl. Geistes zur Dar-
stellung gelangt, so selten ist der hier vergegenwärtigte Moment, der auf
Apostelgescb. 1, 9 beruht. Allerdings merkt man dem unteren Teile des
Bildes den Einfluss der Pfingstbilder an; denn die Köpfe müssten sich sonst
nach oben richten, wohin Christus auf einer rosa Wolke entschwebt, lin
feiner Goldstrahlen-Gleriole. Doch sind diese Köpfe gerade das Allerbeste an
dem Bilde.
184 Himmelfahrt Mariae. Miniaturmalerei aus einem französischem Bre-
vier oder Horenbuch von 1500. Papier; hinten unbeschrieben. 9:51/2cm. 4200 —
Wie bei so manchen kleinen Darstellungen dieser Szene liegen Vorbilder aus der
zeitgenössischen Tafelmalerei zu Grunde. Ihr wird die schwierige Gruppen-Kom-
position um den Sarkophag herum verdankt, mit den 3 ganz oder teilweise vom
Rücken gesehenen Figuren des Vordergrundes. Die Durchführung ist durchaus
der Vorbilder würdig, bis auf die landschaftlichen Zutaten, die dagegen ab-
fallen. Oben im Zenith öffnet sich über der emporschwebenden Figur der
blaue Himmelsgrund für die Gotteserscheinung.
185 Horologium. Pergamentbl. Kl.-Fol., mit Schrift u. merkwürdigen
Federzeichnungen des XIV. Jahrh. deutschen Ursprungs. Ringsum ab-
geschnitten, mit dem Rest eines zweiten Blattes. 900 —
Oben 13 mehr oder weniger vollständige Kreise: 1. Uhrenziffemblatt. 2. Der
Weltenschöpfer? 3. Krönung Mariä. 4. Exilium, ein Verbannter in der Wild-
nis, unter Bäumen, ß. Mors, Gerippe mit Sense. 6. Infernum, der Höllen-
rachen. Dazwischen Kreise ohne Figuren, nur mit Beischriften wie libri
(==liberi?) arbitrii — de cogitatitonibus?), in hoc mundo miserie etc. Linker-
seits liest man noch (de virtut)ibus ... (in par)adiso, (terr)estri. Der Inhalt
des Buches selbst, dessen Eingangsblatt hier vorliegt, muss sich teils aus der
Überschrift ergeben ab (?) quatuor duodecim actibus comprehcnsa, teils aus
den nachfolgenden 4 Kolumnen, welche wohl ein Kapitelverzeichnis darbieten:
Duodecim apostolorum f 72. Duorum discipulorum etc.
186 Jacob’s Traum. Französische Pergament-Malerei des XVI. Jahrh.
Schule v. Fontainebleau. Blatt aus einem latein. Gebetbuch in-8.
Auf der Rückseite Text mit sehr manigfach in Gold u. Farben be-
handelten Zier-Initialen. Ein Gegenstück zu diesem Bilde besitzt das
Museum des Louvre. 4000 —
Unterhalb der Gotteserscheinung, die zunächst von goldenem und hellerem, dann
immer dunklerem Gewölk umgeben ist, teilt sich das Bild deutlich in zwei
dunkele Massen, Vorder- und Hintergrund, zwischen denen sich ein breiter
heller Pfad hindurchwindet, wo die Himmelsleiter mit den auf- und absteigen-
den, bunt gekleideten Engeln aufruht. Rechts vorn, auf dunkelgrünem,
steinigen Terrain der Schläfer in hellblauem u. rosafarbenem Idealkostüm;
zu seinen Füssen Stab und Pilgerflasche von interessanter, einem Fässchen
ähnlicher, prähistorisch wohlbekannter Form; daneben steht minder passend,
ja kaum verständlich, eine goldbronzene Prachtvase. Hinten an dunkelgrünes
Terrain anschliessend, Felsen mit Wasser und Baulichkeiten in kleines Stadt-
bild übergehend: Alles höchst fesselnd und eigenartig. Charakteristisch ist die
wohl auf Morgenröte deutende Färbung der Himmelspartie zur Rechten, wie
auch der Wechsel der Farbentöne auf dem Fusswege, nicht minder die eigen-
tümliche Aufhellung des Grundes hinter dem mittleren Engel, wo man kaum
eine Fortsetzung des Sees oder Flusses erwartet.
187 Jesus und Maria. Bildinitiale O, böhmische Arbeit des XV. Jahrh.
Pergament-Ausschnitt aus einem Chorbuch, dessen Schrift auf der
Rückseite sichtbar. 15 : l&l/2 cm. 5500 —
Dieses schöne Blatt zeigt die böhmische Kunstschule von ihrer besten Seite,
nur dass vorn die kleine Flusslandschaft der Perspektive zum Trotz einge-
fügt ist. In kostbare Stoffe gekleidet sitzen die beiden Personen einander
gegenüber, vor einem grünen Vorhang, in dessen goldener Musterung franzö-
sische Lilien verwendet, aber umgemodelt sind. Marias Demut und Anmut
ist ungewöhnlich gut zum Ausdruck gebracht. Den lünettenartigen freien
Raum oben füllt mit ausgebreiteten Flügeln die Halbfigur eines musizieren-
den Engels. Ähnliche Motive entdeckt man in dem Ornament des blauen
Buchstabens, der auf matt-creme-farbenem, golden damaskiertem Grunde wie
auf einem kostbaren Webstoff ruht. Der fleischfarbene Rahmen zeigt plastisch
gedachte Profilierung u. Buckel wechselnder Form.
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königstrasse 29. Katalog 487.
2. Einzelminiaturen.
M. Pf.
183 Himmelfahrt Christi. Bildinitiale E. Miniaturmalerei des XIV. Jahrh.
oberitalienisch, aus einem liturgischen Pergament-Kodex. 8: 7 cm
gross 4800 —
So häufig in der Buchmalerei die Auferstehung am offenen Grabe und so häufig
andererseits die Pfingstversammlung mit der Taube des hl. Geistes zur Dar-
stellung gelangt, so selten ist der hier vergegenwärtigte Moment, der auf
Apostelgescb. 1, 9 beruht. Allerdings merkt man dem unteren Teile des
Bildes den Einfluss der Pfingstbilder an; denn die Köpfe müssten sich sonst
nach oben richten, wohin Christus auf einer rosa Wolke entschwebt, lin
feiner Goldstrahlen-Gleriole. Doch sind diese Köpfe gerade das Allerbeste an
dem Bilde.
184 Himmelfahrt Mariae. Miniaturmalerei aus einem französischem Bre-
vier oder Horenbuch von 1500. Papier; hinten unbeschrieben. 9:51/2cm. 4200 —
Wie bei so manchen kleinen Darstellungen dieser Szene liegen Vorbilder aus der
zeitgenössischen Tafelmalerei zu Grunde. Ihr wird die schwierige Gruppen-Kom-
position um den Sarkophag herum verdankt, mit den 3 ganz oder teilweise vom
Rücken gesehenen Figuren des Vordergrundes. Die Durchführung ist durchaus
der Vorbilder würdig, bis auf die landschaftlichen Zutaten, die dagegen ab-
fallen. Oben im Zenith öffnet sich über der emporschwebenden Figur der
blaue Himmelsgrund für die Gotteserscheinung.
185 Horologium. Pergamentbl. Kl.-Fol., mit Schrift u. merkwürdigen
Federzeichnungen des XIV. Jahrh. deutschen Ursprungs. Ringsum ab-
geschnitten, mit dem Rest eines zweiten Blattes. 900 —
Oben 13 mehr oder weniger vollständige Kreise: 1. Uhrenziffemblatt. 2. Der
Weltenschöpfer? 3. Krönung Mariä. 4. Exilium, ein Verbannter in der Wild-
nis, unter Bäumen, ß. Mors, Gerippe mit Sense. 6. Infernum, der Höllen-
rachen. Dazwischen Kreise ohne Figuren, nur mit Beischriften wie libri
(==liberi?) arbitrii — de cogitatitonibus?), in hoc mundo miserie etc. Linker-
seits liest man noch (de virtut)ibus ... (in par)adiso, (terr)estri. Der Inhalt
des Buches selbst, dessen Eingangsblatt hier vorliegt, muss sich teils aus der
Überschrift ergeben ab (?) quatuor duodecim actibus comprehcnsa, teils aus
den nachfolgenden 4 Kolumnen, welche wohl ein Kapitelverzeichnis darbieten:
Duodecim apostolorum f 72. Duorum discipulorum etc.
186 Jacob’s Traum. Französische Pergament-Malerei des XVI. Jahrh.
Schule v. Fontainebleau. Blatt aus einem latein. Gebetbuch in-8.
Auf der Rückseite Text mit sehr manigfach in Gold u. Farben be-
handelten Zier-Initialen. Ein Gegenstück zu diesem Bilde besitzt das
Museum des Louvre. 4000 —
Unterhalb der Gotteserscheinung, die zunächst von goldenem und hellerem, dann
immer dunklerem Gewölk umgeben ist, teilt sich das Bild deutlich in zwei
dunkele Massen, Vorder- und Hintergrund, zwischen denen sich ein breiter
heller Pfad hindurchwindet, wo die Himmelsleiter mit den auf- und absteigen-
den, bunt gekleideten Engeln aufruht. Rechts vorn, auf dunkelgrünem,
steinigen Terrain der Schläfer in hellblauem u. rosafarbenem Idealkostüm;
zu seinen Füssen Stab und Pilgerflasche von interessanter, einem Fässchen
ähnlicher, prähistorisch wohlbekannter Form; daneben steht minder passend,
ja kaum verständlich, eine goldbronzene Prachtvase. Hinten an dunkelgrünes
Terrain anschliessend, Felsen mit Wasser und Baulichkeiten in kleines Stadt-
bild übergehend: Alles höchst fesselnd und eigenartig. Charakteristisch ist die
wohl auf Morgenröte deutende Färbung der Himmelspartie zur Rechten, wie
auch der Wechsel der Farbentöne auf dem Fusswege, nicht minder die eigen-
tümliche Aufhellung des Grundes hinter dem mittleren Engel, wo man kaum
eine Fortsetzung des Sees oder Flusses erwartet.
187 Jesus und Maria. Bildinitiale O, böhmische Arbeit des XV. Jahrh.
Pergament-Ausschnitt aus einem Chorbuch, dessen Schrift auf der
Rückseite sichtbar. 15 : l&l/2 cm. 5500 —
Dieses schöne Blatt zeigt die böhmische Kunstschule von ihrer besten Seite,
nur dass vorn die kleine Flusslandschaft der Perspektive zum Trotz einge-
fügt ist. In kostbare Stoffe gekleidet sitzen die beiden Personen einander
gegenüber, vor einem grünen Vorhang, in dessen goldener Musterung franzö-
sische Lilien verwendet, aber umgemodelt sind. Marias Demut und Anmut
ist ungewöhnlich gut zum Ausdruck gebracht. Den lünettenartigen freien
Raum oben füllt mit ausgebreiteten Flügeln die Halbfigur eines musizieren-
den Engels. Ähnliche Motive entdeckt man in dem Ornament des blauen
Buchstabens, der auf matt-creme-farbenem, golden damaskiertem Grunde wie
auf einem kostbaren Webstoff ruht. Der fleischfarbene Rahmen zeigt plastisch
gedachte Profilierung u. Buckel wechselnder Form.
Karl W. Hiersemann in Leipzig, Königstrasse 29. Katalog 487.