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Entwicklung und die Fabrikarbeit der heutigen Zeit dazu geführt hat, das Gefühl für
die Art des Entstehens überhaupt zu schwächen und das Produkt nur an sich, nicht
aber als Ausdruck und Niederschlag einer bestimmten geistigen Tätigkeit aufzufas-
sen. Ich hoffe, daß es mir gelungen ist, zu zeigen, welche Bedeutung für das Kunst-
werk im natürlichen Entstehungsprozesse liegt, wie aus ihm das Gute, Echte sozusa-
gen von selber entsteht, und wie es um die Kunst nur dann gut bestellt ist, wenn der
Künstler die natürliche Schaffensbahn wandelt, mehr bestrebt, auf echte Weise et-
was hervorzubringen - mag es zuletzt noch so bescheiden ausfallen - als ein glänzen-
deres Resultat erzielen zu wollen, das nur als Produkt eines größeren Könnens berech-
tigt, mit unechten Mitteln gezeugt dem Schicksale alles Unechten verfallen ist.
Einleitung
Die nachstehende Arbeit bezieht sich auf das Verhältnis der Form zur Erscheinung
und seine Konsequenzen für die künstlerische Darstellung. Da ein und derselbe Ge-
genstand sehr verschieden erscheinen kann, so entsteht für den bildenden Künstler
die Frage: sind diese verschiedenen Erscheinungen alle gleichwertig und wonach mes-
sen wir deren Wert?
Es braucht wohl keine nähere Begründung, daß unser Verhältnis zur Außenwelt, in-
sofern diese fürs Auge existiert, in erster Linie auf der Erkenntnis und Vorstellung
von Raum und Form beruht. Ohne diese ist eine Orientierung in der Außenwelt
schlechterdings unmöglich. Wir müssen also die räumliche Vorstellung im allgemei-
nen und die Formvorstellung, als die des begrenzten Raumes, im besonderen als den
wesentlichen Inhalt oder die wesentliche Realität der Dinge auffassen. Stellen wir
den Gegenstand oder diese räumliche Vorstellung von ihm der wechselnden Erschei-
nung gegenüber, die wir von ihm erhalten können, so bedeuten alle Erscheinungen
nur Ausdrucksbilder unserer räumlichen Vorstellung und der Wert der Erscheinung
wird sich nach der Stärke der Ausdrucksfähigkeit bemessen, die sie als Bild der räum-
lichen Vorstellung besitzt.
Die Farbigkeit der Natur gilt alsdann gleichsam als ein farbiges Gewand, welches die
Natur als Körper trägt, und der Wert der wechselnden Farbenerscheinung wird sich
gleichfalls danach bemessen, wie weit das Farbige an der Klärung des räumlichen
Ausdrucks teilnimmt.
Wir sehen alsdann die Natur so an, als wenn sie uns nur alle möglichen Erscheinungs-
variationen über ein Thema gäbe, ohne jemals dasselbe an sich zu geben. Denn die
Formvorstellung ist ein Fazit, welches wir aus dem Vergleich der Erscheinungsweisen
gezogen haben, und welches das Notwendige vom Zufälligen schon gesondert hat.
Sie ist also nicht eine Wahrnehmung schlechtweg, sondern eine Verarbeitung von
Wahrnehmungen aus einem bestimmten Gesichtspunkt. Damit meine ich nicht etwa
einen subjektiven Gesichtspunkt, sondern im Gegenteil den ganz allgemeinen der
räumlichen Orientierung, wie er sich bei jedem naturgemäß bilden muß im Verkehr
mit der räumlichen Außenwelt.
 
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