I. Deutsche Dichter und Denker (Gottsched)
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Schweizer Franken
die Freiheit nicht bloß, sondern sie ist ihm eine Notdurft. Aber er will eine
christliche Freiheit . . . Der Hauptgrund warum der Verfasser auch beim besten
Willen von der sogenannten Politik nicht lassen kann, ist der, daß ja die heutige
Politik überall ist, daß ja gerade das das bezeichnende Merkmal des Radikalis-
mus oder der radikalen Politik ist, daß sie selbst sich in alle Lebensverhält-
nisse aller Stände drängt, das Heiligtum der Familie verwüstet, alle christlichen
Elemente zersetzt. Wo man im Hause den Fuß absetzt, tritt man auf diese
Schlange, diese Landplage Europas."
Außer diesem Ms. konnten wir kein anderes im Handel nachweisen.
76 Gottsched, Johann Christoph, deutscher Gelehrter des 18. Jahrh.,
wirkte durch sein Hauptwerk „Die krit. Dichtkunst" (1730), nach-
haltig auf d. deutsche Lit.; forderte Nachahmung der Natur u. Ver-
nunft als obersten Kunstmaßstab. In seiner Abneigung gegen die
frei schaffende Phantasie stellte er dem verwilderten deutschen
Schauspiel das formenstrenge französ. Drama als Muster gegenüber.
Anerkennenswert sind seine Bemühungen um eine reine deutsche
Schriftsprache. Er wirkte auch selbst als Dichter. Prof. a. d. Univ,
zu Leipzig. 1700—1766. Eigenh. Ged. m. U. Stammbuchblatt mit
einem sehr hübschen eigenen Gedicht in deutscher Sprache und
einem großen lateinischen Kompliment. 1 S. Queroktav. 180.—
Die an e. befreundeten Arzt und Dichter namens L a d e w i g gerichtete
Stammbucheintragung lautet:
„Du bist des Phöbus Sohn im Heilen und im Dichten,
Und reisest in die Welt, nebst andern auszurichten,
Was euch August befahl. Du gehst nach Africa,
Das bis auf diesen Tag kein Deutscher Dichter sah.
Zog Meissens Flemming einst durch Orient und Norden,
Der gleichfalls Phöbus Freund, ein Artzt und Dichter war:
So stellt uns Lad ewig den andern Flemming dar,-
Indem Sein Schicksal ihm in allem ähnlich worden.
... Jo. Christ. Gottsched Poes. P. P. et Soc. Reg. Berol. Sodalis.
Lipsiae D. XVI. Aug. MDCCXXXI." (1731).
Paul Fleming, der von Gottsched mit seinem Freunde Ladewig verglichen
wird, war gleichfalls ein sächsischer Arzt und Dichter, vor allem von Kirchen-
liedern. Durch seinen Freund Adam Olearius veranlaßt, erwarb er sich die Er-
laubnis, an der von Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein geplanten großen
Gesandtschaft nach Moskau und Persien teilnehmen zu dürfen, die durch die
Beschreibung der Reise von Seiten des Olearius berühmt geworden ist. Fleming
begleitete die Gesandtschaft unter dem Titel eines Hofjunkers und Truchsesses.
Am 14. Oktober 1633 verließ er mit den übrigen Hamburg, nachdem er zuvor
sein schönes Reiselied gedichtet hatte.- „In allen meinen Thaten laß Gott den
Höchsten rathen . . ."- das als Kirchenlied sehr bekannt und in die protestanti-
schen Gesangbücher aufgenommen wurde. Länger als fünf Jahre teilte er die
Wechselfälle der merkwürdigen Gesandtschaft auf ihren Zügen durch Ruß-
land, ihre Fahrt auf der Wolga und über das kaspische Meer bis nach Persien,
freudige wie traurige Ereignisse durch seine Lieder festhaltend, überall beob-
achtend und lernend. Erst am 13. April 1639 traf man auf der Rückreise wieder
in Reval ein. Am 1. August langte die Gesandtschaft glücklich wieder am Hofe
des Herzogs Friedrich zu Gottorf an.
Auf diese Weltreise Flemings „durch Orient und Norden" spielt Gottsched
in seinem Widmungsgedichte an.
Aus der Sammlung Dr. Carl Geibel. Gedichtmanuskripte Johann Christoph
Gottscheds sind von außerordentlicher Seltenheit!
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Schweizer Franken
die Freiheit nicht bloß, sondern sie ist ihm eine Notdurft. Aber er will eine
christliche Freiheit . . . Der Hauptgrund warum der Verfasser auch beim besten
Willen von der sogenannten Politik nicht lassen kann, ist der, daß ja die heutige
Politik überall ist, daß ja gerade das das bezeichnende Merkmal des Radikalis-
mus oder der radikalen Politik ist, daß sie selbst sich in alle Lebensverhält-
nisse aller Stände drängt, das Heiligtum der Familie verwüstet, alle christlichen
Elemente zersetzt. Wo man im Hause den Fuß absetzt, tritt man auf diese
Schlange, diese Landplage Europas."
Außer diesem Ms. konnten wir kein anderes im Handel nachweisen.
76 Gottsched, Johann Christoph, deutscher Gelehrter des 18. Jahrh.,
wirkte durch sein Hauptwerk „Die krit. Dichtkunst" (1730), nach-
haltig auf d. deutsche Lit.; forderte Nachahmung der Natur u. Ver-
nunft als obersten Kunstmaßstab. In seiner Abneigung gegen die
frei schaffende Phantasie stellte er dem verwilderten deutschen
Schauspiel das formenstrenge französ. Drama als Muster gegenüber.
Anerkennenswert sind seine Bemühungen um eine reine deutsche
Schriftsprache. Er wirkte auch selbst als Dichter. Prof. a. d. Univ,
zu Leipzig. 1700—1766. Eigenh. Ged. m. U. Stammbuchblatt mit
einem sehr hübschen eigenen Gedicht in deutscher Sprache und
einem großen lateinischen Kompliment. 1 S. Queroktav. 180.—
Die an e. befreundeten Arzt und Dichter namens L a d e w i g gerichtete
Stammbucheintragung lautet:
„Du bist des Phöbus Sohn im Heilen und im Dichten,
Und reisest in die Welt, nebst andern auszurichten,
Was euch August befahl. Du gehst nach Africa,
Das bis auf diesen Tag kein Deutscher Dichter sah.
Zog Meissens Flemming einst durch Orient und Norden,
Der gleichfalls Phöbus Freund, ein Artzt und Dichter war:
So stellt uns Lad ewig den andern Flemming dar,-
Indem Sein Schicksal ihm in allem ähnlich worden.
... Jo. Christ. Gottsched Poes. P. P. et Soc. Reg. Berol. Sodalis.
Lipsiae D. XVI. Aug. MDCCXXXI." (1731).
Paul Fleming, der von Gottsched mit seinem Freunde Ladewig verglichen
wird, war gleichfalls ein sächsischer Arzt und Dichter, vor allem von Kirchen-
liedern. Durch seinen Freund Adam Olearius veranlaßt, erwarb er sich die Er-
laubnis, an der von Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein geplanten großen
Gesandtschaft nach Moskau und Persien teilnehmen zu dürfen, die durch die
Beschreibung der Reise von Seiten des Olearius berühmt geworden ist. Fleming
begleitete die Gesandtschaft unter dem Titel eines Hofjunkers und Truchsesses.
Am 14. Oktober 1633 verließ er mit den übrigen Hamburg, nachdem er zuvor
sein schönes Reiselied gedichtet hatte.- „In allen meinen Thaten laß Gott den
Höchsten rathen . . ."- das als Kirchenlied sehr bekannt und in die protestanti-
schen Gesangbücher aufgenommen wurde. Länger als fünf Jahre teilte er die
Wechselfälle der merkwürdigen Gesandtschaft auf ihren Zügen durch Ruß-
land, ihre Fahrt auf der Wolga und über das kaspische Meer bis nach Persien,
freudige wie traurige Ereignisse durch seine Lieder festhaltend, überall beob-
achtend und lernend. Erst am 13. April 1639 traf man auf der Rückreise wieder
in Reval ein. Am 1. August langte die Gesandtschaft glücklich wieder am Hofe
des Herzogs Friedrich zu Gottorf an.
Auf diese Weltreise Flemings „durch Orient und Norden" spielt Gottsched
in seinem Widmungsgedichte an.
Aus der Sammlung Dr. Carl Geibel. Gedichtmanuskripte Johann Christoph
Gottscheds sind von außerordentlicher Seltenheit!