Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Antiquariat Emil Hirsch [Hrsg.]; Jaffe & Mittler, Antiquariat <München> [Hrsg.]; Meyer & Mittler, Antiquariat <Berlin> [Hrsg.]
Bibliothek Prof. Richard M. Meyer: deutsche Literatur; I. Germanistik u. deutsche Literatur bis 1750 (Nr. 1 - 174), II. Deutsche Literatur von 1750 - 1890 (Nr. 175 - 861), III. Moderne deutsche Dichtung (Nr. 862 - 1134), IV. Illustrierte Bücher des 19. Jahrhunderts (1135 - 1177); Versteigerung unter Leitung von Antiquar Emil Hirsch in München in den Räumen des Antiquariats Jaffe & Mittler, Montag, 26. und Dienstag, 27. Mai 1924 — München, 1924

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34717#0011
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
VORWORT

Richard M. Meyer war Germanist in einem sehr weiten Sinne des
Wortes. Ihm schwebte ein hohes Ideal seiner Wissenschaft vor, jenes
Ideal, das die Heroen der klassischen Philologie, Männer wie Böckh,
Ritschl, Usener aufstellten. Darnach erschien ihm Aufgabe des deutschen
Philologen: die Reproduktion des gesamten Lebens unseres Volkes durch
Erkenntnis und Anschauung seiner wesentlichen Äußerungen. Nun waren
ihm von Natur ein sehr beweglicher, aufnahmebedürftiger und aufnahme-
fähiger Geist verliehen, Eigenschaften, die ihn ausrüsteten, einen unge-
heuren Kreis von Interessen zu umspannen. Hand in Hand mit diesen
Eigenschaften ging eine wahrhaft zügellose Wißbegier. So war er in der
Lage, nicht nur, was heute schon eine Seltenheit ist, die gesamte deutsche
Philologie zu umfassen, sondern auch auf fremde Literaturen, besonders
die französische, aber auch die englische und zum Teil die italienische sein
Augenmerk zu richten. Allein auch mit einem Spezialgebiet, wie der Reli-
gionswissenschaft, beschäftigte er sich, namentlich in den letzten Jahren
seines Lebens, intensiv. Dazu widmete er Friedrich Nietzsche, dessen
Biographie er schrieb, einen enthusiastischen Herzenskult. Ein ihm an-
geborener Ordnungssinn und Sammeltrieb erleichterten ihm die Beherr-
schung dieser großen Interessensphären. Bei solcher Universalität war er
wirklich im Goethischen Sinne Weltbewohner, war er Weimaraner.
Seine Vielseitigkeit bezeugt besonders seine „Literaturgeschichte des
neunzehnten Jahrhunderts". Gewiß, den Kern des nicht wenig geschmähten,
noch mehr benutzten Buches bilden die Charakteristiken der literarischen
Persönlichkeiten. Darüber ist aber die allgemeine Entwicklung keineswegs
außer Acht gelassen. Vielmehr zieht Meyer die gesamte Kulturgeschichte
des Jahrhunderts in den Kreis der Betrachtung. Die Wissenschaft, die
bildenden Künste berücksichtigt er nicht weniger, als etwa die Beredsam-
keit, den Journalismus, die Politik, sogar die Mode.
Seine stupende, von allen, die ihn kannten, viel bewunderte Belesenheit
offenbart besonders seine interessante, 1899 veröffentlichte, auch als selb-
ständige Schrift erschienene Abhandlung: „Vierhundert Schlagworte",
worin er sozusagen den Geburtstag von vierhundert modischen Worten
und Redensarten d. h. also den Ursprung von prägnanten Neologismen wie
etwa „Übermensch", „Bourgeois", „Cäsarenwahnsinn" u. ä. festzusteilen
sucht. Jeder sieht, daß es sich um eine Publikation in der Art von Büch-
manns „Geflügelten Worten" handelt. Ist im Vergleich zu diesem Werk die
 
Annotationen