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Hirschel, Grete
Le livre des Quatre Dames von Alain Chartier: Studien zur französischen Minnekasuistik des Mittelalters — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.51682#0034
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rend sie sich sonst in einer minutiösen Aufzählung der Details er-
schöpft, die zum Frühlingsdekorum gehören, keine individuellen
Züge trägt und nicht über den Rahmen der Konvention hinausgeht.
In schlichter Aneinanderreihung erzählt Chartier von den
einzelnen Dingen und beschränkt sich auf allgemeine Ausdrücke
auch da, wo er mehrere Einzelheiten von einem Dinge aussagt, wie
z. B. von dem Bächlein: Es ist klein, plätschert durch das Tal,
bewässert die Wiesen, sein Wasser ist nicht salzig12. Er stellt ein-
fach alle Einzelheiten zusammen, die in diesem Zusammenhänge
zu erwähnen üblich geworden war.
Weil der Dichter sich nicht genug tun kann in der Aufzählung
der Herrlichkeiten, verwischt ein Eindruck den anderen, das Ge-
samtbild wird unnatürlich und schwer vorstellbar. Das Ergebnis
ist also, wie erwähnt, das für die spät mittelalterliche Landschafts-
darstellung typische.
IV.
Daß auch hier Züge der Ideallandschaft des Paradiesgartens
mit der wirklichen Landschaft verschmolzen sind, sei in Folgen-
dem dargelegt.
Auf seinem einsamen Spaziergang kommt der Dichter zu einem
“pourpris d’arbres“, wo er verweilt13. Dieses Gehege von Bäumen
ist wohl nichts anderes als ein “verger“, der Liebes- oder Paradies-
garten.
Gewöhnlich kehren folgende 7 für die Charakteristik des Ortes
typische Merkmale in den Paradiesgartendarstellungen immer wie-
der: Ein Schloß, Obstbäume, ein besonders schöner Baum, ein
Brunnen oder eine Quelle, ewiger Frühling, Blumen, melodischer
Vogelgesang14.
Einige von diesen symbolischen Merkmalen begegnen auch im
“Livre des quatre Dames“. Ganz besondere Aufmerksamkeit wid-
met der Dichter dem Treiben der Vögel und ihrem süßen Gesang.
Der Einleitungsrahmen umfaßt insgesamt 164 Verse. Vers 13—18,
25—42, 65, 69, 99—101, 103 und 104 beschäftigen sich mit den Vö-
geln — also 31 Verse — während die anderen Einzelheiten der
Schilderung viel kürzer gehalten sind. Diese besondere Ausführ-
lichkeit ist wohl dadurch zu erklären, daß die Vögel neben ihrer
Bedeutung als Attribut des Liebesgartens, gerade mit dem “debat
amoureux“ besonders eng verbunden sind. Denn in zwei Minne-
debats aus dem 12. Jahrhundert, z. B. in “Florence et Blanche-
fleur“15 und in “Melior et Idoine“16 wird die Entscheidung von
12 V. 61—64.
13 V. 33—34.
14 J o h n s t o n, O. M., The description of the emir’s orchard in Floire
et Blancheflor (Zeitschrift für romanische Philologie XXXII, 705—10).
“Barbazan et Meon, Fabliaux et Contes, Paris 1808, IV, 354..
16 Zitiert bei Langlois, Origines et sources du Roman de la Rose,
Paris 1890.

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