zu ersetzen, was seine Darstellung an Qualität vermissen läßt: Die
Enumeratio ist die typische Stilform für eine mittelalterliche Be-
schreibung.
Die landschaftliche Darstellung ist also ein konventionelles
Motiv. Daher haben sich für alle seine Einzelheiten feste Aus-
drucksformen herausgebildet, von denen der Dichter nicht eigent-
lich abweichen kann. „Alles, Blumen, Naturgenuß, Schmerzen und
Freude haben ihre festen Ausdrucksformen, an denen der Dichter
etwas herumpolieren und -kolorieren kann, ohne sie neu zu ge-
stalten“9.
III.
Der landschaftliche Einleitungsrahmen des “Livre des quatre
Dames“ hebt sich inhaltlich und formal von dem eigentlichen
Korpus des Gedichtes ab. Er ist in 12 Strophen gegliedert, die aus
je 12 oder 16 Achtsilblern bestehen. Und zwar ist die Verteilung
so, daß die Strophen 1, 2, 4, 5, 7, 8, 11 zwölfzeilig sind und nach
dem Schema aabaabbbcbbc reimen, während die Ißzeiligen Stro-
phen 3, 6, 9, 10, 12 das Reimschema aaabaaabbbbcbbbc haben.
Der Dichter stellt sich selbst als melancholischen Liebenden
dar, der an einem strahlenden Maimorgen einen Spaziergang
macht, um in der lachenden Frühlingspracht Trost und Vergessen
zu suchen. Die Melancholie des Liebenden steht im Gegensatz zu
der fröhlichen unbekümmerten Natur. Dieses Motiv kehrt seit der
Troubadourdichtung in der Liebespoesie immer wieder und ist
auch von den Romantikern in gedanklicherer Form erneuert und
ausgestaltet worden10. Es wird hiermit eine Kontrastwirkung er-
zielt, die der Vorliebe des Dichters für antithetische Formulierun-
gen überhaupt entspricht.
“Pour oublier merencolie... Ung doulx matin aux champs
yssi...“ hebt das Gedicht an und verflicht sogleich die seelische
Stimmung des Dichters mit dem konventionellen Frühlingsthema.
Das ist charakteristisch für die ganze Art der Schilderung. Immer
wieder unterbricht der Dichter die sich im Wesentlichen auf eine
Enumeratio beschränkende Darstellung, um von seinen Empfin-
dungen und Gedanken zu sprechen, die zum Teil durch die Be-
trachtung der ihn umgebenden Natur ausgelöst werden11.
Auch da, wo der Dichter nicht direkt auf seine Stimmung Be-
zug nimmt, sondern in erster Linie eine Schilderung der Land-
schaft geben will, verbindet er sie häufig mit seiner eigenen Per-
son ,indem er sagt: Ich ging durch das dichtsprießende Gras, ich
sah Falken und Bienen, anstatt nur zu sagen: Das Gras wuchs
dicht, da waren Falken und Bienen. Zum Teil erhält die Schil-
derung dadurch eine persönlichere und lebendigere Färbung, wäh-
9 H u i z i n g a, Der Herbst des Mittelalters, München 1928, S. 393.
1(1 Vgl. Hugo, Victor, Tristesse d’OIympio.
11 Vgl. V. 33—36, 41—52, 56—58, 90—92, 105—164.
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Enumeratio ist die typische Stilform für eine mittelalterliche Be-
schreibung.
Die landschaftliche Darstellung ist also ein konventionelles
Motiv. Daher haben sich für alle seine Einzelheiten feste Aus-
drucksformen herausgebildet, von denen der Dichter nicht eigent-
lich abweichen kann. „Alles, Blumen, Naturgenuß, Schmerzen und
Freude haben ihre festen Ausdrucksformen, an denen der Dichter
etwas herumpolieren und -kolorieren kann, ohne sie neu zu ge-
stalten“9.
III.
Der landschaftliche Einleitungsrahmen des “Livre des quatre
Dames“ hebt sich inhaltlich und formal von dem eigentlichen
Korpus des Gedichtes ab. Er ist in 12 Strophen gegliedert, die aus
je 12 oder 16 Achtsilblern bestehen. Und zwar ist die Verteilung
so, daß die Strophen 1, 2, 4, 5, 7, 8, 11 zwölfzeilig sind und nach
dem Schema aabaabbbcbbc reimen, während die Ißzeiligen Stro-
phen 3, 6, 9, 10, 12 das Reimschema aaabaaabbbbcbbbc haben.
Der Dichter stellt sich selbst als melancholischen Liebenden
dar, der an einem strahlenden Maimorgen einen Spaziergang
macht, um in der lachenden Frühlingspracht Trost und Vergessen
zu suchen. Die Melancholie des Liebenden steht im Gegensatz zu
der fröhlichen unbekümmerten Natur. Dieses Motiv kehrt seit der
Troubadourdichtung in der Liebespoesie immer wieder und ist
auch von den Romantikern in gedanklicherer Form erneuert und
ausgestaltet worden10. Es wird hiermit eine Kontrastwirkung er-
zielt, die der Vorliebe des Dichters für antithetische Formulierun-
gen überhaupt entspricht.
“Pour oublier merencolie... Ung doulx matin aux champs
yssi...“ hebt das Gedicht an und verflicht sogleich die seelische
Stimmung des Dichters mit dem konventionellen Frühlingsthema.
Das ist charakteristisch für die ganze Art der Schilderung. Immer
wieder unterbricht der Dichter die sich im Wesentlichen auf eine
Enumeratio beschränkende Darstellung, um von seinen Empfin-
dungen und Gedanken zu sprechen, die zum Teil durch die Be-
trachtung der ihn umgebenden Natur ausgelöst werden11.
Auch da, wo der Dichter nicht direkt auf seine Stimmung Be-
zug nimmt, sondern in erster Linie eine Schilderung der Land-
schaft geben will, verbindet er sie häufig mit seiner eigenen Per-
son ,indem er sagt: Ich ging durch das dichtsprießende Gras, ich
sah Falken und Bienen, anstatt nur zu sagen: Das Gras wuchs
dicht, da waren Falken und Bienen. Zum Teil erhält die Schil-
derung dadurch eine persönlichere und lebendigere Färbung, wäh-
9 H u i z i n g a, Der Herbst des Mittelalters, München 1928, S. 393.
1(1 Vgl. Hugo, Victor, Tristesse d’OIympio.
11 Vgl. V. 33—36, 41—52, 56—58, 90—92, 105—164.
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