Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirschel, Grete
Le livre des Quatre Dames von Alain Chartier: Studien zur französischen Minnekasuistik des Mittelalters — Heidelberg, 1930

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51682#0031
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der landschaftliche Rahmen
Der eigentliche Debat beginnt gewöhnlich mit einer zumeist
erzählenden Einleitung, welche die Situation, in der die Diskus-
sion vor sich geht und die Persönlichkeiten der Redenden schildert.
Häufig stellt sich dabei der Dichter selbst als versteckter Lau-
scher dar, wie Alain Chartier in der “Belle dame sans
mercy“1 oder Guillaume de Machaut im “Jugement du roi
de Behaingne“2, oder als unbeteiligter Zuhörer wie Christine
dePisanim “Debat de deux amants“3, oder Alain Chartier
im “Debat des deux Fortunes d’amours“4.
Da häufig die Streitenden Personifikationen und Allegorien
sind, ist die Einkleidung des Debat in einen Traum oder eine
Vision, die der Dichter selbst gehabt haben will, beliebt. Auch
diese Art der Einkleidung hat Alain Chartier verwen-
det: Im “Quadrilogue invectif“5, seinem berühmtesten, in kraft-
voller Prosa abgefaßten, politisch-satirischen Debat. In ähnlicher
Form begegnet sie auch in dem Rosenroman6, dem Standardwerk
der höfischen Minneliteratur. Ebenso das in der Pastourelle her-
ausgebildete und so häufig wiederkehrende Motiv des Maispazier-
gangs und das Liebesgartenmotiv.
Diese beiden Motive hat Chartier in dem Einleitungs-
rahmen des “Livre des quatre Dames“ verwendet. Im Folgenden
sei ihre Behandlung und Verflechtung untersucht.
I.
Das Erwachen des Lebenstriebes in Natur und Mensch, d. h.
Frühling und Liebe miteinander in dichterischer Form in Be-
ziehung zu setzen, ist ein uralter Gedanke, der der ganzen Welt-
literatur eigentümlich ist. Naturschilderung als Selbstzweck ist
der mittelalterlichen Dichtung fremd; die Natur und ihre Erschei-
nungen werden sets symbolisch ausgedeutet und gleichnishaft ver-
wendet. Scharf beobachtete Einzelzüge sind selten, es kehren im-
mer dieselben Beobachtungen wieder, die kein individuell ver-
1 Oeuvres, ed. par Andre Du Chesne, Paris 1617, p. 502—523.
2 Ouevres, ed. par Ernest Hoepffner, Paris 1908, 1. I.
3 Oeuvres Poetiques, ed. par Maurice Roy, Paris 1911, t. II,
p. 49—109.
4 Oeuvres, ed. par Andre Du Chesne, Paris 1617, p. 549—581.
5 ed. par E. D r o z, Paris 1923.
6 ed. par Ernest L a n g 1 o i s, Paris 1914—24.

— 23 —
 
Annotationen