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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0153
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Die Entwicklung nach 1630

141

ausführlich mit dieser Thematik befasse,174 sind die
folgenden Ausführungen möglichst knapp gefasst.
Die bisherige Forschung ging davon aus, dass die
Produktion von Tronien in Rembrandts Werkstatt
sowohl didaktische als auch kommerzielle Zwecke
erfüllte.175 Es wurde jedoch nicht untersucht, ob und
inwiefern diese Annahme konkret zu belegen ist.
Bei der Suche nach Tronien, die Schüler Rem-
brandts während ihrer Lehre zu Übungszwecken ge-
nutzt haben könnten, ergibt sich ein grundsätzliches
Problem: In aller Regel können die in großer Zahl
erhaltenen rembrandtesken Tronien, die heute nicht
mehr dem Meister selbst zugewiesen werden,176 nicht
überzeugend neu zugeschrieben und häufig nicht
einmal mit einiger Sicherheit datiert werden.17' Da-
mit lässt sich in den meisten Fällen nicht entscheiden,
ob eine anonyme rembrandteske Tronie während der
Ausbildung eines Rembrandt-Lehrlings entstand,
als Bild eines bereits fortgeschrittenen Assistenten
oder Gesellen des Meisters oder aber als Kopie oder
Nachfolgewerk anzusehen ist, das gar nicht in Rem-
brandts Werkstatt und möglicherweise nicht einmal
in seinem engeren Umkreis geschaffen worden ist.178
Entsprechende Bilder können also nicht als Beleg für
die didaktische Funktion von Tronien herangezogen
werden. Dennoch lässt sich zeigen, dass Tronien in-
nerhalb der Ausbildung von Rembrandts Lehrlingen
die Funktion von Übungsstücken erfüllten.
Von besonderem Interesse sind in diesem Zusam-
menhang Kopien nach Tronien Rembrandts. Das
Kopieren von Bildern war im 17. Jahrhundert fester
Bestandteil der Ausbildung von Malerlehrlingen.179
Schon van Mander empfiehlt der Malerjugend, den
Werken berühmter Meister nachzufolgen, um deren

»handelinghe« zu erlernen.180 Willem Goeree hebt
hervor, dass »het zimpel nakopieren [...] voor de Jon-
gelingen wel een bequaem middel is, om voor eerst
het Penceel te leeren handelen, een manier van schil-
deren te krygen, de verwen en koloryten te leeren
vinden enz.«181
Natürlich wurden Kopien im 17. Jahrhundert
nicht allein mit didaktischer Zielsetzung gemalt,
vielmehr war ihre Produktion häufig von rein kom-
merziellen Interessen geleitet. So beauftragten z.B.
manche Kunsthändler unbekannte Maler damit,
Kopien als preisgünstige Handelsware für sie herzu-
stellen.182 Bekanntermaßen erwähnt der italienische
Kunsttheoretiker Filippo Baldinucci, dass Hendrick
Uylenburgh die vielen in seiner »famosa accademia«
beschäftigten jungen Maler Werke seiner umfang-
reichen Gemäldesammlung kopieren ließ.183 Dies ge-
schah Baldinucci zufolge allerdings nicht allein mit
dem Ziel, Profit zu erwirtschaften, sondern sollte
auch der Ausbildung der Maler dienen.
Die zweifache Funktion des Kopierens von Bil-
dern hat zur Folge, dass sich häufig nur schwer er-
messen lässt, in welcher Absicht eine erhaltene oder
schriftlich bezeugte Kopie ursprünglich gemalt wor-
den ist. Kann allerdings nachgewiesen werden, dass
das entsprechende Gemälde aus der Lehrhngszeit
eines Künstlers stammt, ist davon auszugehen, dass
die Kopie - unabhängig davon, ob es sich um ein
bereits verkäufliches Werk handelte - auch Studien-
und Übungszwecke erfüllte. Zwar lässt sich dies für
die erhaltenen Kopien oder Varianten nach Tronien
Rembrandts in der Regel nicht belegen,184 anders liegt
der Fall jedoch bei einer Reihe schriftlich dokumen-
tierter Werke. Besondere Aufmerksamkeit verdient

174 Hirschfelder 2006.
175 Schatborn 1986, S. 61; Tümpel 1986, S. 60; Bruyn 1989, S.
16, 22; Schatborn 1991, S. 75; Bruyn 1991/92, S. 79; Huys
Janssen 1992, S. 26; Veen 1997/98, S. 71; Kat. London /
Den Haag 1999/2000, S. 100, 122.
176 Von den 122 in RRP 1982-1989, 3 Bde., abgeschriebenen
Werken sind 53 Tronien.
177 Vgl. RRP 1982-2005, Bd. 1, Kat. Nr. C19-C21, C23-C44,
Bd. 2, Kat. Nr. C50, C52, C55, C57-C64, Bd. 3, Kat. Nr.
C89, C92, C93-C96, C98-103, CI 15. In der Regel wird den
abgeschriebenen Tronien keine aufwendige technologische
Untersuchung zuteil. Eine Ausnahme ist der Mann mit dem
Goldhelm [Kat. 492, Taf. 103], dessen Entstehung in Rem-
brandts unmittelbarem Umkreis auf diese Weise nachgewie-
sen werden konnte, Kelch 1986.
178 Zu dieser Problematik vgl. Broos 1983, S. 52; Wetering
1983, S. 62; Wetering 1986c, S. 59.

179 Miedema 1987b, S. 17f.
180 Miedema 1986/87, S. 273, siehe dort auch die entsprechenden
Verweise. Vgl. auch Floerke 1905, S. 210, Anm. 288.
181 Goeree 1697, S. 84. Vgl. auch Hoogstraten 1678, S. 218.
182 Vgl. Floerke 1905, S. 158f.; Montias 1988, S. 246, 249 m.
Tab. 2, S. 254; Bok / Schwartz 1991, S. 193; Montias 1996,
S. 159; Goosens 2001, S. 271, Anm. 157.
183 Baldinucci 1845-1847/1975, Bd. 5 (1847), S. 366. Zu Uylen-
burghs >Akademie< vgl. Six 1925/26; Wijnman 1956; Broos
1981/82, S. 251-253; Wetering 1986c, S. 56-60; Miedema
1987b, S. 17; Huys Janssen 1992, S. 24f.; Dudok van Heel
2001, S. 21f.; Montias 2002a, S. 121-126; Veen 2006, S. 203-
205.
184 Wie Wetering 1986c, S. 50, darlegt, bewerteten die Zeitge-
nossen verschiedene Bildkategorien als Kopien: »the faithful
copy, the copy with variations and the free treatment of a
Rembrandtesque theme.« Vgl. auch Bruyn 1989, S. 16f.
 
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