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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0154

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142

Verbreitung und Formen der Tronie

in dieser Hinsicht das im April 1639 aufgenommene
Nachlassverzeichnis des Goldschmieds Aert Coninck,
des Vaters der Maler Philips und Jacob Konmck.185
Obwohl das Inventar der Forschung nicht unbekannt
ist,186 wurde es bisher nur in Ansätzen und in für unse-
re Zwecke unzureichender Weise ausgewertet.
In Conincks Nachlass befanden sich 110 anonyme
und 40 zugeschriebene Bilder, also insgesamt 150
Werke. Den größten Anteil machen 40 (26,6%) Land-
schaftsbilder und Seestücke aus, gefolgt von 28 (18,6%)
Tronien und 25 (16,6%) Historien. Das Inventar ent-
hält 11 Kopien; bei sechs dieser Werke handelt es sich
um Tronien, von denen vier nach Rembrandt und zwei
nach Jacob Backer gemalt worden waren:
»Een stuck schildenje, sijnde een out-manstrome sonder lijst, nae
Rembrant«187
»Een jongmanstronie, nae Rembrant, sonder lijst«
»Een studente-tronie, nae Rembrant, haiff lichaems, met een
clapmuts«
»Een Turx tronie, nae Rembrant«
»Een manstronie, nae Jacob Adriaenss Backer, in een achtcante
lijst«
»Een Sinte-Pieterstronie, nae Jacob Adriaensz Backer«.
Acht weitere Tronien, die nicht als Kopien ausgewie-
sen sind, lassen aufgrund ihrer Charakterisierung als
>antiek<, >turx< oder als Hirtentronien vermuten, dass

sie ebenfalls aus dem Umkreis Rembrandts stam-
men.188 Von den Söhnen des verstorbenen Coninck
sind jeweils zwei Bilder im Inventar verzeichnet.189
Allerdings könnten sich auch hinter Werken, deren
Schöpfer nicht explizit genannt wird, Bilder von
Philips und Jacob Köninck verbergen.
Als das Inventar aufgenommen wurde, standen bei-
de Brüder noch am Beginn ihrer Laufbahn als Maler.
Philips war erst 19 Jahre alt, Jacob etwa Mitte zwan-
zig.190 Letzterer war bereits als selbständiger Meister
in Rotterdam tätig. Philips dagegen ging auch nach
dem Tod des Vaters noch in die Lehre und zwar bei
seinem Bruder Jacob. Dies geht aus einer Rechnung
der Vormünder der hinterbliebenen Söhne Conincks
vom 2. Januar 1640 hervor: Sie zahlten Jacob Köninck
30 Gulden als Lehrgeld für ein halbes Jahr Unterricht
aus, den er seinem Bruder Philips erteilt hatte.191
Arnould Houbraken berichtet, dass Philips seine
Ausbildung bei Rembrandt erhielt.192 Obwohl Horst
Gerson diese Möglichkeit verwirft,193 sprechen doch
alle Indizien dafür, Houbrakens Aussage Glauben zu
schenken:194 Zum einen orientieren sich die Frühwerke
von Philips eindeutig an der Kunst Rembrandts;195
zum anderen unterhielt der Maler enge Kontakte zu
Mitgliedern des Rembrandtkreises sowie zu Rem-
brandt selbst.196

185 GPI 1994-2003, N-2071 (Inv. Aert Coninck, Amsterdam
13.4.1639). Vgl. auch Bredius 1915-1922, Bd. 1, S. 149-155.
Die Angaben bei Bredius sind unvollständig und fehlerhaft.
Die Edition des Inventars in GPI 1994-2003, folgt dagegen
den Einträgen im Inventar, wie anhand des Originals (Ams-
terdam, Gemeentearchief, Arch. 5075, Inv. 1266B, Nr. 12)
überprüft wurde.
186 Vgl. Broos 1983, S. 41, 48; Wetering 1986c, S. 48; Bruyn
1989, S. 22, Anm. 45.
187 GPI 1994-2003, N-2071, Nr. 0117, 0121, 0127, 0128, 0119,
0126 (Inv. Aert Coninck, Amsterdam 13.4.1639).
188 GPI 1994-2003, N-2071, Nr. 0122, 0125, 0130, 0131, 0132,
0138, 0093, 0094 (Inv. Aert Coninck, Amsterdam 13.4.1639):
»Een antyck jongetge, nae ‘t leven geschildert, niet opge-
maeckt«, »Een tronie van een antycks dochtertge, niet opge-
maeckt«, »Een antique vrouwetronie, sijnde in een achtcante
lijst«, »Een antique joffrouwetronytge sonder lijst«, »Een
antyq seinjoortie sonder lijst«, »Een Turx tronytge sonder
lijst«, »Een tronye van een harderinne«, »Een tronie van een
harderinne«. Obwohl das »antyck jongetge« und das »antyq
seinjoortie« nicht explizit als Tronien bezeichnet sind, besteht
eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es sich ebenfalls um solche
handelt. Zur zeitgenössischen Beschreibung der Tracht von
Tronien als >antiek< vgl. unten Kap. III.3.2, S. 214f.
189 Vgl. unten, S. 143 m. Anm. 197, 199, 201.
190 Zur Biographie von Philips Köninck vgl. Bredius 1915-
1922, Bd. 1, S. 149, 156-166; Gerson 1936, bes. S. 8-14;

Bernt 1979/80/91, Bd. 2, S. 28; Sumowski 1983-1994, Bd.
3, S. 1530; DA 1996, Bd. 18, S. 228-230. Zur Biographie von
Jacob Köninck vgl. Haverkorn van Rijsewijk 1902; Bredius
1915-1922, Bd. 1, S. 156f., 166-169; Gerson 1936, S. 83-86
(Dokumente); Bernt 1979/80/91, Bd. 2, S. 27; Sumowski
1983-1994, Bd. 3, S. 1516; DA 1996, Bd. 18, S. 228.
191 Gerson 1936, Dok. 7d, S. 84.
192 Houbraken 1753, Bd. 2, S. 53.
193 Gerson 1936, S. 9.
194 Auch Broos 1983, S. 48, plädiert dafür, dass Philips Rem-
brandts Schüler war.
195 Für Könincks Darstellung von Vertamzws und Pomona von
1642 (Privatbesitz, Gerson 1936, Kat. Nr. 140) - das erste
signierte und datierte Bild des Künstlers - stellt Gerson hin-
sichtlich Komposition, Beleuchtung, Figuren- und Gewand-
bildung eine enge Verwandtschaft zu Rembrandts Werk der
1630er Jahre fest. Auch sieht der Autor Verbindungen zwi-
schen Könincks frühen Landschaften und dem um 1640 von
Rembrandt entwickelten Landschaftstyp, Gerson 1936, S.
45f., 50. Dass diese Beobachtungen von Gerson nicht als In-
dizien für die Ausbildung Könincks bei Rembrandt gewertet
werden, ist wenig einleuchtend.
196 Im Januar 1641 heiratete Philips Cornelia Furnerius, die
Schwester des Rembrandt-Schülers Abraham Furnerius, und
noch in den fünfziger Jahren stand er nachweislich in enger
Verbindung zu Rembrandt und dessen Schüler Heyman
Dullaert, Gerson 1936, S. 9f., 49.
 
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