Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0033

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Der Begriff >tronie< und seine Bedeutung im 17. Jahrhundert

Da die Etymologie des Wortes Tronie und seine Ver-
wendung im 17. Jahrhundert bereits an anderer Stelle
behandelt wurden,110 beschränken sich die folgenden
Ausführungen darauf, die wesentlichen Ergebnisse
in knapper Form zu referieren und dabei punktuell
Ergänzungen vorzunehmen.
Wie wir gesehen haben, wird der den zeitgenös-
sischen Quellen entlehnte Begriff >trome< in der For-
schung in der Regel für gemalte Köpfe und Brustbil-
der verwandt, die nicht als Porträts anzusehen sind
und im 16. und 17. Jahrhundert von niederländischen
Malern geschaffen wurden.111 Damit wird suggeriert,
dass ein einheitlicher Gebrauch des Wortes zur Be-
zeichnung bestimmter Bilder bereits zu deren Ent-
stehungszeit üblich war. Tatsächlich aber handelt es
sich bei dem Quellenbegriff um einen deskriptiven
Terminus, der sich auf den dargestellten Gegenstand
als solchen bezog und somit den Kopf bzw. das Ge-
sicht jeder beliebigen Figur bezeichnen konnte.
Aus der schriftlichen Überlieferung geht hervor,
dass das Wort >tronie< im Niederländischen seit dem
frühen 16. Jahrhundert als neutrale Bezeichnung für ei-
nen >Kopf<, ein >Gesicht< oder einen >Gesichtsausdruck<
benutzt wurde.112 Daneben existierte allerdings auch
eine negative Konnotation des Wortes mit Bezug auf
ein Angst emflössendes, Abscheu erregendes oder
Spott und Belustigung hervorrufendes Gesicht. In
dieser Bedeutung hat sich das Wort bis heute erhal-
110 Hirschfelder 2001/02. Zum zeitgenössischen Gebrauch des
Wortes >tronie< vgl. auch Müller Hofstede 1968, S. 226f.;
Pauw-de Veen 1969, S. 190-193; Held 1970, S. 285f.; Müller
Hofstede im Nachwort zu Held 1970, S. 291f.; Schwartz
1989, S. 112—114; Muylle 2001, S. 174f. De Pauw-de Veen
beschränkt sich auf die Nennung möglichst vieler Varianten
des Wortgebrauchs, geht aber ebenso wenig wie die anderen
Autoren auf die Frage nach der für Kunstwerke geläufigsten
Verwendung des Wortes ein.
111 Vgl. oben, Kap. 1.2.
112 WNT 1882ff., Bd. 17/2 (1979), Sp. 3209-3221, bes. Sp. 3210f.,
3217.

ten und kann als >Visage<, >Maul< oder >Fratze< über-
setzt werden.113 Etymologisch geht >tronie< auf das
mittelfranzösische >trongne< (>trogne<) zurück, des-
sen Wurzel im gallischen >trugna< (>Schnauze<) ver-
mutet wird.114 Die Schreibweise des Wortes >tronie<
variierte im 17. Jahrhundert ausgesprochen stark.
Zu unterscheiden sind zwei Hauptgruppen, der Typ
>tronie< (>tro(o)ny<, >tro(o)ni<, >tronie<) und der an die
französische Aussprache anknüpfende Typ >tronje<,
der eine größere Vielfalt unterschiedlicher Schreib-
weisen aufweist als die erste Wortgruppe.115 Als
Pluralendungen kommen -n und -s vor. In unserer
Untersuchung wurde die Schreibweise >Tronie(n)<
gewählt, weil sie sowohl in zeitgenössischen Inven-
taren als auch in der Kunstliteratur am geläufigsten
ist.116 Außerdem wird in Anlehnung an die im Nie-
derländischen weibliche Form des Wortes >tronie<
auch im Deutschen das Femininum gebraucht.117
Im Zusammenhang mit Kunstwerken konnte der
Begriff >tronie< im 17. Jahrhundert auf sehr vielfältige
Weise gebraucht werden, ohne dass damit Tronien
im Sinne gemalter Einfigurenbilder in knappem Bild-
ausschnitt gemeint sein mussten. In der Kunstliteratur
etwa wird das Wort besonders häufig zur Bezeichnung
der Köpfe und Gesichter der Figuren in mehrfigurigen
Kompositionen verwendet. So schreibt z. B. Karel van
Mander in seinem Schilder-boek (1604) über eine Dar-
stellung des letztes Abendmahls von Jan Scorel: »In
113 WNT 1882ff., Bd. 17/2 (1979), Sp. 3212.
114 >Trugna< wiederum könnte mit dem kymrischen >trwyn<
(>Nase<) verschmolzen sein. Wartburg 1948ff., Bd. 13/1
(1966), S. 332f.; Tresor de la langue franqaise 1971-1994,
Bd. 16 (1994), S. 653.
115 WNT 1882ff., Bd. 17/2 (1979), Sp. 3209. Als gebräuchliche
Varianten des Typs >tronje< finden sich: >troegne<, >troigne<,
>trogni(e)<, >troengne<, >trongne<, >trongnie<, >troenge<,
>troengie(-ye)<, >trong(h)e<.
116 Hirschfelder 2001/02, S. 89, Anm. 26. Vgl. auch WNT
1882ff., Bd. 17/2 (1979), Sp. 3210.
117 Vgl. WNT 1882ff., Bd. 17/2 (1979), Sp. 3209.
 
Annotationen