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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0041

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1

Die Entstehung der Tronie in Leiden und Haarlem

Die Anfänge der holländischen Tronie des 17. Jahr-
hunderts liegen zum einen in Leiden, wo ihre Ent-
wicklung an die Produktion von Genre- und Histori-
enbildern geknüpft war, und zum anderen in Haarlem
mit enger Bindung an die Genremalerei. In Leiden
begannen Jan Lievens und Rembrandt mit dem Malen
von Tronien, in Haarlem war es Frans Hals. Die frühe
Auseinandersetzung dieser Künstler mit dem Bildtyp
ist als wesentliche Voraussetzung für dessen Verbrei-
tung und Entfaltung in der Malerei der Nördlichen
Niederlande zu betrachten.
Vor allem das Leidener GEuvre von Lievens bietet
sich als Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung
des Phänomens Tronie an, weil es nicht nur am Be-
ginn der Entwicklung steht, sondern auch eine große
Zahl von Bildern umfasst, die als typische Form der
Tronie angesehen werden können. Sie lassen sich als
Gruppe umschreiben, die von Porträts und vorläufig
auch von einfigurigen Historien- und Genrebildern
abgegrenzt werden kann. Dies gilt in ähnlicher Wei-
se für Werkgruppen, die Rembrandt und Hals wäh-
rend der zwanziger und zu Beginn der dreißiger Jahre
schufen. Bei der Behandlung von Lievens’ und Rem-
brandts frühen Tronien wird das Ende der Leidener
Tätigkeit der beiden Maler am Beginn der dreißiger
Jahre als zeitliche Begrenzung der untersuchten Peri-
ode gewählt, weil sich danach die Bedingungen ihrer
künstlerischen Tätigkeit entscheidend veränderten.
Lievens ging 1632 nach England, Rembrandt war seit

etwa 1631 in Amsterdam tätig.1 Frans Hals wechselte
nicht den Wohnort. Trotzdem rechtfertigt sich die ge-
sonderte Untersuchung seiner zwischen 1620 und ca.
1630 entstandenen Einfigurenbilder, da der Maler in
dieser Zeit Köpfe und Halbfiguren schuf, die sich von
den im Bildausschnitt reduzierten Einfigurenbildern
anderer Genremaler nicht nur hinsichtlich der Mal-
weise, sondern auch motivisch deutlich abheben.
Anhand der in den zwanziger und frühen drei-
ßiger Jahren von Lievens, Rembrandt und Hals ge-
schaffenen Bilder können Merkmale ermittelt wer-
den, die für Tronien charakteristisch sind und deren
Kenntnis nicht nur die Zuordnung von Gemälden
verschiedener Künstler zu dieser Werkkategorie er-
möglicht, sondern auch die Grundlage für die defini-
torische Bestimmung des Bildtyps der Tronie und sei-
ne Abgrenzung gegenüber der Porträtmalerei bildet.
1.1 Lievens und Rembrandt:
Charakteristika ihrer frühen Tronien
Jan Lievens begann um 1625/26 Brustbilder zu malen,
deren Kostümierung mit der Kleidung der Figuren
seiner Genre- und Historienbilder vergleichbar ist.2
Werner Sumowski, dessen Zuschreibungen bisher
weitgehend unwidersprochen blieben,3 versammelt
39 solcher Werke aus der Zeit zwischen 1625 und ca.
1631.4 Von diesen sind 26 Bilder auch bei Schneider

1 Vgl. Kat. Braunschweig 1979, S. 37; RRP 1982-2005, Bd. 1,
Kat. Nr. A42, S. 396; Dudok van Heel 1991/92, S. 54; Veen
2006, S. 126-131.
2 Zu Lievens’ Brustbildern vgl. Schneider / Ekkart 1973, S.
27-30. Zur Datierung der frühesten Tronien vgl. unten, Kap.
II.1.2, S. 45f.
3 Vgl. Bruyn 1988b, S. 327f.

4 Sumowski 1983-1994, Bd. 3, Kat. Nr. 1188,1236,1246, 1249—
1275, Bd. 5, Kat. Nr. 2124, 2124a, Bd. 6, Kat. Nr. III/1265,
III/1268, III/1271, Kat. Nr. 2358-2363, S. 3525 u. 3534, Anm.
82, Abb. S. 3571, siehe dort jeweils weitere Literatur.
 
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