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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0030

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3

Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

Ziel der Arbeit ist die systematische Untersuchung
und Definition des im 17. Jahrhundert in den Nörd-
lichen Niederlanden verbreiteten Bildtyps der Tronie
in Abgrenzung gegenüber anderen Einfigurenbildern
und unter besonderer Berücksichtigung des Verhält-
nisses von Porträt und Tronie. Es soll ermittelt werden,
welche Künstler sich mit Tronien beschäftigten, wel-
ches Erscheinungsbild die Werke annehmen konnten,
wie verbreitet sie waren und in welchem Verhältnis sie
zu den Gattungen der Figurenmalerei standen. Weiter
ist nach Funktion, Bedeutung und zeitgenössischer
Rezeption der Bilder zu fragen. Im Mittelpunkt des
Interesses stehen solche Tronien, die Porträts in for-
maler Hinsicht nahe stehen. Es ist zu untersuchen,
welche Gemeinsamkeiten die beiden Bildkategorien
aufweisen, wie sie sich voneinander unterscheiden las-
sen, ob und in welcher Hinsicht sie sich gegenseitig
beeinflussten und welche Konsequenzen sich hieraus
nicht nur für das Erscheinungsbild der Werke, son-
dern auch für ihre Deutung ergeben.
Die Fokussierung auf das Verhältnis von Porträt
und Tronie ist deshalb sinnvoll, weil dessen Bestim-
mung eines der Kernprobleme bei der Auseinander-
setzung mit Tronien betrifft. Gleichzeitig erlaubt der
Ansatz eine thematische Beschränkung der Untersu-
chung. Die Beschäftigung mit Fragen nach Funktion
und Bedeutung solcher Tronien, die keine Berüh-
rungspunkte mit der Gattung Porträt aufweisen, ist
mit Blick auf die Ausrichtung der Arbeit zweitrangig.
Zudem kann die Bildtradition, in der die unterschied-
lichen Tronietypen des 17. Jahrhunderts stehen, nicht
in ihrer gesamten Breite behandelt werden.105
Die Studie konzentriert sich auf die Erforschung
jener Tronien, die in den Nördlichen Niederlanden
105 Ausführlich mit der Genese des Bildtyps und seinen Wurzeln
in der niederländischen und italienischen Malerei des 15.
und 16. Jahrhunderts beschäftigt sich meines Wissens nach
die bisher unveröffentlichte Dissertation von Franziska
Gottwald.

geschaffen wurden, während vergleichbare Werke
flämischer Meister nur einbezogen werden, wenn sie
als künstlerische Vorläufer eine Rolle für die Gene-
se und Entwicklung holländischer Tronien spielten.
Dieses Vorgehen ist mit einer grundsätzlichen
Schwierigkeit verbunden: Hans Vlieghe betont, dass
eine strenge Trennung der »holländischen« von der
»flämischen« Kunst des 17. Jahrhunderts historisch
nicht gerechtfertigt sei,106 selbst wenn die gesonderte
Behandlung der Kunstproduktion der nördlichen
und der südlichen Niederlande bis heute die kunst-
historische Forschung bestimme. In Künstlerbio-
graphien des 17. und frühen 18. Jahrhunderts werde
keine Unterscheidung zwischen niederländischen
Malern des Nordens und des Südens getroffen, aus
der man schließen könne, dass die Zeitgenossen von
der Existenz einer differierenden, jeweils spezifischen
künstlerischen Tradition ausgingen.107 Außerdem be-
standen enge Verbindungen zwischen den Künstlern
der beiden politisch voneinander getrennten Territo-
rien und lassen sich vielfältige Übereinstimmungen
stilistischer, ikonographischer und thematischer Art
in ihren Werken feststellen.108
Trotz dieser Problematik erwies sich die Be-
schränkung auf die Untersuchung der Troniepro-
duktion in den Nördlichen Niederlanden jedoch aus
verschiedenen Gründen als praktikabel: Zum einen
entwickelten sich in der Republik eigenständige For-
men und Typen der Tronie, die in der flämischen
Malerei vielfach gar nicht vorkommen; zum anderen
ergab die Gegenüberstellung flämischer und hollän-
discher Tronien, dass sie in der Regel nicht dieselben
Funktionen erfüllten.109 Davon abgesehen rechtfer-
tigt es sich auch hinsichtlich des Vergleichs von Tro-
106 Vlieghe 1998, bes. S. 192-200.
107 Vlieghe 1998, S. 193.
108 Vgl. u. a. Briels 1997, bes. S. 27-29; Sluijter 1999b; Vlieghe
1998, S. 193-196.
109 Vgl. hierzu bes. unten, Kap. II.1.6.
 
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