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Hirschfelder, Dagmar
Tronie und Porträt in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts — Berlin: Mann, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.47555#0031

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Zielsetzung und Aufbau der Arbeit

27

nien mit Porträts, die holländische Kunstlandschaft für
sich genommen zu behandeln. Zwar war diese nicht
nach außen hin abgeschlossen oder von Einflüssen des
Nachbarlandes im Süden losgelöst. Doch können Un-
terschiede zwischen Porträts und Tronien letztlich nur
bestimmt werden, indem die für beide Bildkategorien
geltenden Darstellungskonventionen innerhalb eines
zeitlich und örtlich eng umgrenzten künstlerischen
Milieus miteinander verglichen werden.
Die Arbeit ist einschließlich der Einleitung und der
Zusammenfassung der Ergebnisse in sechs aufeinan-
der aufbauende Teile untergliedert. Die Einleitung
schließt mit der Untersuchung der Verwendung des
Wortes >tronie< im 17. Jahrhundert ab. Der Begriff
wird auf seine Tragfähigkeit als Fachterminus der For-
schung hin geprüft. Von besonderer Bedeutung ist
hierbei die Frage, ob und inwiefern der zeitgenössische
Sprachgebrauch eine Unterscheidung von Tronien ge-
genüber Bildnissen beinhaltet. Als Quellengrundlage
dienen neben der zeitgenössischen Kunstliteratur vor
allem Inventare des 17. Jahrhunderts, in denen der
Besitz niederländischer Bürger z. B. im Todesfall, bei
Insolvenz oder bei Veränderung des Familienstandes
verzeichnet wurde.
In Teil II der Studie wird zunächst die Entstehung
des Bildtyps Tronie als eine eigenständige Bildkate-
gorie der holländischen Malerei des 17. Jahrhunderts
behandelt. Die entsprechende Entwicklung vollzog
sich im Laufe der 1620er Jahre im Schaffen von Jan
Lievens, Rembrandt und Frans Hals. Da bisher nicht
geklärt ist, welche Werke des 17. Jahrhunderts dem
Bildtyp Tronie überhaupt zugerechnet werden soll-
ten, wird anhand des Bildbefunds der zwanziger und
frühen dreißiger Jahre untersucht, durch welche Ei-
genschaften und Charakteristika sich Gemälde aus-
zeichnen, die sicher als Tronien klassifiziert werden
können. Den entsprechenden Bildern werden Por-
träts aus dem gleichen Zeitraum gegenübergestellt,
um Kriterien zur Unterscheidung der beiden Werk-
kategorien zu entwickeln. Wie sich dabei heraus-
stellt, lassen sich die untersuchten Tronien in erster
Linie aufgrund ihres von Bildnissen abweichenden
Erscheinungsbildes, mit Blick auf ihren Entstehungs-
kontext oder das jeweils dargestellte Modell von
Porträts abgrenzen. Die ermittelten Kriterien sind
zunächst vorläufiger Natur, da sie auf der Analyse
eines begrenzten Spektrums der im 17. Jahrhundert
in Holland entstandenen Tronien basieren. Anhand
der Untersuchung der weiteren Entwicklung ab den
dreißiger Jahren sind die Unterscheidungsmerkmale

in Teil III dann zu verifizieren und gegebenenfalls zu
erweitern.
Die Entwicklung kunsthistorischer Abgren-
zungskriterien ist methodisch notwendig, um den
Untersuchungsgegenstand der Studie zu definieren -
erst auf dieser Grundlage können Wesen, Charakter
und unterschiedliche Ausprägungen der Bildaufgabe
beschrieben und die künstlerischen Interessen ihrer
Schöpfer untersucht werden. Als Ausgangspunkt
für die Bestimmung dieser Kriterien wird die Ent-
stehungszeit der holländischen Tronie gewählt, weil
sich die Werke während dieser Periode noch relativ
problemlos von Bildnissen unterscheiden lassen. Da-
gegen stellt sich die Trennung der Bildkategorien ab
den 1630er Jahren als deutlich schwieriger dar. Dies
hängt unter anderem damit zusammen, dass wesent-
lich mehr Künstler Tronien schufen als zuvor und
zudem mit einer stärkeren gegenseitigen Beeinflus-
sung von Porträt und Tronie zu rechnen ist.
Teil III befasst sich mit den unterschiedlichen For-
men und Ausprägungen der Tronie, ihrer Verbreitung
in den Nördlichen Niederlanden, den Möglichkeiten
der Unterscheidung von anderen Einfigurenbildern
wie auch mit dem Verhältnis, in dem Tronien zu
den verschiedenen Bildgattungen der Figurenmale-
rei stehen. Als Erstes werden Art und Umfang der
Tronieproduktion der wichtigsten niederländischen
Troniemaler des 17. Jahrhunderts untersucht. Ent-
scheidend ist dabei die gleichzeitige Abgrenzung der
Werke gegenüber den Bildnissen der betreffenden
Meister, da aufgrund äußerlicher Ähnlichkeiten die
Gefahr von Verwechslungen besteht. Sehr deutlich
wird dies auch bei der gesonderten Behandlung von
Tronien und Künstler- bzw. Selbstbildnissen, da sich
hier ausgesprochen enge Verbindungen, ja sogar
Überschneidungen ergeben.
Weiterhin fragt sich, wo die Grenze zwischen
Tronien und einfigungen Historien- oder Genre-
bildern in reduziertem Bildausschnitt zu ziehen ist
und ob sich eine solche überhaupt eindeutig festle-
gen lässt. Wie zu zeigen sein wird, können bestimm-
te Einfigurenbilder, die signifikante Attribute oder
Kennzeichen tragen und damit als einfigurige His-
torien- oder Genrebilder anzusehen sind, durchaus
dem Grenzbereich der Tronie zugeordnet werden,
wenn sie deren künstlerische Gestaltungsmerkmale
teilen. Diese Problematik wird erst in Teil III erör-
tert, da die Voraussetzung hierfür darin besteht, zu-
nächst zu klären, welche Werke als >reine< Tronien
beurteilt bzw. zur Kerngruppe der Bildaufgabe ge-
zählt werden können.
 
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