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Hirschler & Comp. [Hrsg.]
Der wertvolle künstlerische Nachlass des Herrn Ferdinand Mallitsch (geb. 1820, † 1900): Ölgemälde, Zeichnungen, Aquarelle, sowie Studien u. Skizzen; Versteigerung: Dienstag, den 15. Dezember 1902 und die folgenden Tage — Wien, 1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.36849#0005
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Ferdinand Mallitsch.

Fast jeder Künstler, dessen Werke wir
nur kennen, während uns seine Persönlich-
keit fremd ist, kommt uns vor wie ein un-
gelöstes Rätsel. Gar aber, wenn mit einem
Male in bunter Menge das Füllhorn seiner
Begabung vor uns ausgeschüttet wird,
Ernstes mit Heiterem verbindend, Lieb-
liches mit Düsterem, Alltägliches mit Selt-
samem, allerlei Kleinkram zu Großgedach-
tem, und endlich auch bloße Versuche
gegenüber den Produkten geklärtester An-
schauung. Da fragen wir denn unwillkürlich,
wie hat der Mann ausgesehen, der nach so
Vielem rang und der all dies geschaffen?
Unter welchen Verhältnissen und Bedin-
gungen konnte es geschehen? Dieser Frage,
weil sie so was rein Menschliches hat und
gar, wenn wir wie hier, in das Bild eines
schöpferischen Künstlerdaseins schauen, aus
welchem sich Gefühle und unbewußte Triebe
so reichhaltig darlegen, können wir nicht
entgehen. Denn der Künstler selbst, wenn
er etwa nach längerer Zeit seine Werke
wiedersieht, fragt sich überrascht: :>So, das
habe ich gemacht? So was habe ich mir
damals zugemutet?3 oder aber er wendet
sich lächelnd von der lange nicht mehr
gesehenen Arbeit ab, in der Meinung, als
hätte er zu jener Zeit, als er sie schuf, weiß
Gott wie fehlgegriffen. Oder aber er ist
über das plötzlich wieder Gesehene freudig
überrascht, durch den guten Eindruck, wel-
chen er von seiner längst vergessenen Arbeit
empfängt. Dem Stümper fehlt freilich diese
scharfe Kritik gegen sich selbst, der findet
alles gut und schön, was er gemacht hat
und während dieser kritiklos ist, geht der
wahre Künstler ob der ganz neu empfan-
genen Eindrücke mit sich ins Gewissen.
Nach all dem in Erwägung gezogenen
kann es aber nicht anders sein, als daß sich
das Interesse des Kunstfreundes auch der

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