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Heidelberger neueste Nachrichten: Heidelberger Anzeiger — 1936 (Januar bis Juni)

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https://doi.org/10.11588/diglit.9512#0064
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„Heidelberger Neueste Nachrichtm" — »tzeidelberger Anzeiger"

Mittwoch, 8. Ianuar 1936

6

Amtrlkas Bettlligung am Weltttleg.

Der Srunö: ulcht der Ubootökrleg, sonöern Sanöelölnteresjen.

Washington, 7. Jan. Der Ausschuß des Senats
zur Rüstungsuntersuchung ist wieder zusam-
mengetreten. Jn seiner Sitzung am Dienstag sollen I.
P. Morgan, sowie seine Teilhaber Thomas L a -
mont und George Whitney über die Rolle
der jüdischen Bankfirma Mokgan bei
dem Eintritt Amerikas in den Weltkrieg
Aussagen machen. Der Vorsitzcnde des Ausschusses
Senator Nyne hofft aufgrund der zu erwartenden Ent-
hüllungen, den Senat zu noch schärferer Neutralitäts-
gesetzgebung veranlassen zu können.

Jn einer Vorerklärung behauptete Morgan,
datz der Unterseebootskrieg allein schuld
an dem Eintritt Amerikas in den Krteg gcwesen sei.

Senator Nye «rklärt« demgegenüber in einer
Nundfunkübertragung vor dem eigentlichen Verhör,

wcr behaupte, der deutsche Untersee-
bootSkrieg und nicht die HandelS-
interessen hätten letzten EndeS Amerikas
„aktive eilige Teilnahme" herbeigesührt, der
sollte lteber Romane schreiben, denn er vcrkenne
vollkommen dic Tatsachen und sei blind
gegenüber dem einwandfreien BeweiS-
material. s!)

Der Senatsausschuß hat durch seine Beamten für
di« gesamten Archive der Firma Morgan acht Monate
hindurch genau untersuchen laffen.

Jm Verlauf der Sitzung des Senatsausschusses
für die Rüstungsuntersuchung sagte I. P. Morgan
aus, datz sein Bankgeschäft den Alliierten im
Iahr 1915 Darlehen gewährt habe, nachdem Prä-
sident Wilson seine Einwilligung dazu er-
teilt hätte. Obwohl Morgan behauptet, datz die .deut-
schen Handlungen" und nicht die internationalen Geld-
geschäfte Amerika in den Weltkrieg hinetngezogen hät-
ten, erklärte er,

datz di« Sympathien seiner Firma von An-
fang an aus Deiten der Alliierten gewesen
seien. (!)

Kabeltelegramme aus dcm Archiv der Morganbank
ergaben, daß kaum drei Tage nach Frankreichs Kriegs-
eintritt Frankreich bei 'Morgan u. Co. wegen
einer Anleihe oder eines Handelskredits
angefragt habe. Aussagen und Schristwechsel ergaben.
daß das Staatsdepartement unter William Bryan dies
mitzbilligt habe. Präsident Wilson änderte jedoch
die Lage, indem er einen weitgehenden Unterschied
machte und „Kredite" gestattete, aber ein Anleiheverbot
beibehielt. Die Mitglieder des Ausschusses kamen zu
der Ansicht, daß die Wirkung von Anleihen und Kre-
diten für alle praktischcn Zwecke dieselbe sei. Mor-
gan erklärte weiter, wenn die Regierung ihre
Politik änderte, änderten wir die unsrige.

Aus der Verhandlung ging weiter hervor, daß die
Aenderung der Wilsonlchen Politik in
einem Geheimschreiben des damaligen Anwalts des
Staatsdepartements, Lansing, vom 23. Oktober
1914 dargelegt wurde.

Die Verhandlungen ergaben weiter, daß Bry-
ans Gegnerschäft gegen die Gewährung von
Krediten in einem Schreiben vom 10. August 1914 an
Wilson zum Ausdruck gekommen s«i, in dem Bryan
erklärte: Wir sind die einzige große Nation, die in
den Krieg nicht verwickelt ist und unsere Weige-
rung, irgendeinem der Kriegfiihrenden Gelder zu
leihen, würde das Kriegsende beschleunigen.

Ein republikanisches Mitglied des UntersuchungS-
ausschusses erklärte im weiteren Verlauf der Verhand-
lnngen,

datz die frühzeitige Frrundschaft MorganS für
die Alliierten die Neutralitätspolitik Wilsons
vcrletzt habe.

Morgan erwiderte hierauf, daß die Neutralitätsfrag«
Sache der Regierung gewesen sei, mit der die Bankiers
nichts zu tun gehabt hätten.

Der Hauptanwalt des Senatsausschusses, Rau-
shenbush, versuchte nachzuweisen, daß Morgan u. Co.
nicht alle angesorderten Urkunden ausgeliesert hätten.
Demgegenüber erklärte siner der Teilhaber Morgans,
Whitney, dah alle angeforderten Schriststücke unter-
breitet worden wären, wenn man ste hätte finden kön-
nen. Einige seien jedoch verloreng«gang«n. (!)

Das Problem der öeeröstmigeii.

Gctreimte Vorschläg« Lnglands, Frankreichs
und Italiens.

London, 7. Ianuar. Die Mordnungen Cnglands,
Frankreichs und Italiens übermittelten am Dienstag
— der Tag war sihungsfret — sämtlichen übrigen Ab-
ordnungen der Londoner Flottenkonserenz getrennte
Vorschläge. die das Ziel verfolgen, durch einen
ständigen Mcinungsaustausch einWettrüsten zu
vermeiden.

Die Vorschläg« sollen unabhängig voneinander be-
sprochen werden.

Vritischerseits war bekanntlich vorgeschlagen worden,
die Mächte sollen für sechs Iahre die von ihnen be-
nötigte Tonnage bekanntgeben. Franzosen und
Italiener, die sich zwar grundsätzlich einverstanden er-
klärten, hielten aber eine Spann« von sechs Iahren für
zu lang.

Der neue britische Plan enthält sowohl den italie-
nischen Vorschlag, zum Beginn jedes neuen Finanzjah-
res eine Crklärung über das Vauprogramm abzu-
geben, als auch den sranzöstschen Vorschlag, jede Kiel-
legung den übrigen Staaten mitzuteilen. Obwohl der
britische Vorschlag die Anregungen der Franzosen und
Ztaliener enthält, stnd, Reuter zusolge, immer »och
strittige Punkte vorhanden.

Ei« jWscher Bilschemist mWet.

Der Antreiber der Kmsturzbewegung in Südamerika.

Rio de Ianeiro, 7. Ianuar. Bei einer umsang-
reichen Durchsuchung eines vornehmcn Landhauses in
dem elegantesten Stadtviertel Rios entdsckke die Polizei
den jüdischen Kommunisten tzarry Verger und des-
sen Frau. Veide wurdsn verhaftet. Berger ist
dringend verdächtig, einer der Führer der kommunisti-
schen Kmsturzbewegung in Südamerika zu sein. Derger
war früher fttr die Kommunistische Internationale in
Schanghai tätig. (!) Cine genaue Durchsuchung des
Hauses förderte überlOVO Schriftstücke zutage,
aus denen «indeutig h«rvorgeht, daß Bsrger einer der
Leiter der Kommunistischen Intsrnationale in Süd-
amerika und Berater de.r Kommunistifchen Partei in
Brastlien ist, der als das geistige Haupt des Ro-
vemberausstands angesprochen werden mutz. Vei der er-
sten Vernehmung schwieg Berger hartnäckig,
so datz bisher noch kein« weitereu Einzelheiteu «rmittelt
werde» konnten.

— DaS sp-wisch« Parlament wurde anfgelöst.
Die Neuwahlen finden am 16. Februar und 1. März
statt. Das Parlament soll am 1ö. März wieder erösf-
net werden.

Selltslhes Reich.

Neureoslung der Zuständigkeit in der Wohlfahrts-
pstege. Der Führer hat den Arbeitsbereich des
Reichsarbeitsministers und des Reichsministers des In-
nern durch einen Crlaß vom 1. Ianuar 1936 ab nsu-
geregslt. Danach bearbeitet dcr Arbeitsminister die Fra-
gen 'der aehobenen Fürsorge (d. i. die Fürsorgs für die
Kriegsbcschädigten und Krieqerhinterbliebenen, die
Klein- und Sozialrentner), der Minister des Innern die
allgemeinen Fragen der öffentlichen Fürsorge.

Reichserziebüngsminister Rust ist von ssinsr Crkran-
kung wieder völlig genesen und hat am Dienstag die
AmtsgeschLfte wieder übernommen.

Me HMchrist Heimichs rm Ribichtii.

Der Führer 1n der Bayerischen Staatsbibliothek.

München, 7. Ianuar. Der deutsche Gesandte in
Wien, von Papen, überbrachte am Dienstag dem
Führer und Rsichskanzler dis aus dem Stist
Kremsmünster in Oberösterreich angekaufte berühmte
Handschrift des 14. Iahrhunderts des Heinrich
von München.

Die ausgszsichnet erhaltene tzandschrift ist ein«
Reimchronik der Msltgeschichte von der
Schöpfung bis in die Zeit Kaiser Ludwig des Dayern.
Sie ist versehen mit höchst wertvollen und einzigartigen
Haiwzeichnungen.

Zum Crwerb dieser kostbaren Handfchrist, die nun-
mshr Cigentum der Dayerischen Staatsbibliothek ge-
worden ist, hat der Führer «inen wesentlichen Beitrag
gestiftet, dsn Rest steuert« der bayerisch« Staat und di«
Bayerische Staatsbibliothek bsi.

Damit ist ein wertvolles Kulturdokumenl der
grotzen deutschen Geschichte der näheren Forschung er-
schlossen worden.

Dem Stist Kremsmünster aebührt besonderer Dank,
datz es diesss die gemeinsame oeutsche Gelchichte betref-
fende Dokument nicht ausländischen Hänoen übergab,
sondsrn dazu beitrug, die enge Derbundenheit der deut-
schen Kulturbeziehungen über die Grenzen hinweg zu be-
kundcn

Im Anschlutz an die llebergabe der Handschrift b«-
sichtigte der Führer unter Führung von Ministsrial-
direktor Vuttmann die Bayerische StaatSbibliothek mit
ihrem reichen Schatz wertvollster kulturhistorischer Hand-
schriften, zu denen Gcheimrat Dr. Leidinger erläuternd
Aussührungen machte. In Begleitung des Führers
waren Gssandter von Papcn, Obergruppenführer Brück-
ner, Reichsorganisationsleiter Dr. Ley, Rsichspreffechef
Dr. Dictrich, Reichsstatthalter Ritter von Tpp, Mini-
sterpräsident Siebert, Gaulsiter Wagner, Staatssekretär
Hofmann, Staatsrat Dr. Boepple und Oberbürgermet-
stsr Fiehler.

— Di« dsutschen und sranzöflschen Frontkämpser,
die als Gäste der British-Legion sich in Swansea aus-
halten. wurden am Montag vom Bürgermeister der
Stadt im Rathaus empsangen und bswirtet. Dabei
wurden sreundschaftliche Redsn gehalten.

Rems Svelwttl in Bmnttnburg.

SWthese zwische» EiseWah««. Lnslmzeii.

Cine Rede des Reichsverkehrsministers.

Brandenburg, 7. Ianuar. In der alten Kur- und
Rssidenzstadt Brandenburg an der Havel wurde
am Dienstag mittag durch den Reichsverkehrsminister
Freiherrn von Cltz-Rübenach das neue grotze
Opelwerk in Detrieb gesetzt, das bei voller Aus-
nuhung der Leistungsfähigkeit eine tägliche Her-
stellung von 150 Lastkraftwagen ermöglicht.

Inmitten der großen Arbeitshalle begrüßte der Be-
triebsführsr der Adam-Opel-A.-G., Dr. R. Fleischer,
umgeben von den 800 Gesolgschaftsmitgliedern der neuen
Fabrik, den Reichsverkehrsminister, die Vertreter der
Partei und ihre Gliederungen, den Führer des deutschen
Motorsports Korpsführer Hühnlein, die Vertreter
der Reichs-, Staats- und Stadtbehörden und dsr Wirt.
schaft uno, von den Gästen und der Gefolgschaft beson-
ders herzlich begrützt, die zahlreichen Vertretern der
Wehrmacht.

Dr. Fleischer schilderte den Aufschwung der
Motorisrerung Deutschlands und dis Ent-
stehung des neuen Werkes. In 190 Arbeitstagen sei
hier im Nordwesten der Stadt Brandenburg eine vor-
bildliche Arbeitsstätte entstanden, die befonders an der
wirtschaftlichen Auswärtsentwicklung der Stadt Bran-
denburq einen qrotzen Anteil haben werde und die mit
ihren Crzeugnissen nicht nur in Deutschland, sondern auch
in Curopa ünd Uebsrscs von dsutscher Werks- und Wert-
arbeit Zeugnis ablegen werde.

Reichsverkehrsmmister oon Eltz-Rildenach

ergriff dann das Wort. Cr führt« u. a. aus: „Wenn
ein neues Werk wie dieses entstanden ist und des
Augenblicks harrt, in dem dis Arbeit beginnen soll, wer
wollte da njcht in seinem Herzen wünschen: Gott mit
Cuch! Möge hier Segen wachsen für d'as ganze deut-
schs Volk, für ssine Wirtschaft und Wehrkrast und für
alls die Familien, dis aus diessr Arbeit hier das Vrot
für iich und ihrs Kinder erwsrben wollsn.

Der alts Herr Geheimrat von Opel, der wegsn
Krankheit heute leider nicht hier sein kann, und dam wir
alle von Herzen gute Besserunq wünschsn, wird stchsr sei-
nen Blick nicht ohne Bewegung übsr dis 75 Iahre gleitsn
lassen, dis seit dem Tag vsrgangen stnd, an dsm sein Va-
ter nach Rüffelsheim kam und dort eine Nähmaschine
baute, bis zur Gegenwart. Vor wenigen Tagsn haben
Sie srlebt, datz in Ihren Werken dsr lOO OOOste Wagen
der Iahresproduktion 1935 vom Montageband lief.

240 000 Automobil« wurden im Iahr 1S3S ins-
gesamt in Deutschland gebaut.

100 000, das sind 40 Prozsnt, tragen also die Marke
Opel! Wenn man den Preis dieser 240 000 Fahrzeuge
betrachtet, dann entfällt allcrdings auf Opel ein sehr viel
kleinerer Anteil. Daraus ergibt stch der Tharakter der

Werk«. Massenfabrikation, billigs Personen-
und Lastkraftwaacn.

Massenproduktion! Billige Ware! Waren das nicht
Worte, dis noch vor gar nicht allzu langcr Zcit einen
schlechten Klang hatten! Massenwarc, Schund, Schleuder-
konkurrenz! Datz das nicht mehr so ist, datz diese billige
Massenproduktion vorzügliche, schnells, dauerhafte Wa-
gen hervorbringt, die sich sogar muf schwierigen Gelände-
fahrten glänzend bewährt haben, das dankt die deutschs
Motorisierung den Opelwerken. Knd auch das dankt die
deutsche Automobilisisrunq ihnen: datz ste den Veweis er-
bracht haben, daß ein altss deutsshes Unternshmcn, das
sich in schwierigen Zeiten niit ausländischsm Kapital ver>
mählt hat, trotzdem deutsch qeblieben ist.

Ich bin deshalb als Derkehrsminister gsrn zu disser
Werkstaufe gekommsn. um so mehr, als hier ja Last-
krastwagen gebaut werden sollen.

llnsere Wirtschast braucht Lastwagen, und die
„Synthese" von Eisenbahn und Kraftwagen die
unser Führer bei der Iahrhundertfeier der Elscn-
bahn in Nürnberg als notwendig bezeichnet hat,
fällt nicht fchwer,

soweit es fich um lsicht« Lastwage» handelt, wis
sie bei Opel gebaut werden. Äenn ich auch beileibe
nicht einer Cxpansion der deutschckn Automobil-
industrie im Zeichen der gegsnwärtigen Hochkonjunktur
das Wort reden möchte, so blicke ich doch auf dieses hier
geschassene Werk mit unaetsilter Freude. Fch hosse, datz
viele alte, vortreffliche Facharbeiter des Automobilbaues,
di« in den zurückliegenden Knsenjahren gerade hier in
dieser Stadt thre gewohnte Tätigkeit aufgebsn mutzten,
dief« Freud« mit mir teilen können. Meine herzlichen
Glückwünsche gelten aus diesem Grund auch der Stadt
Brandenburg, die stolz daraus sein kann, ein mit den Er-
fahrungen dsr ganzen Welt gebautcs hochmodernas Auto»
mobilwerk in ihren Mauern zu wissen.

Wenn wir d«n Blick auf alleS das richten. was unter
dsr machtvollen und gütigen tzand unseres Führers heut»
im Deutschen Reich geschasfen wird: Stratzen und Ka-
näle, Brücken, Deichs und Dämms, Wehrkraft und Lan-
dsskultur, Fabriken, Monumentalbautsn und Ar'beitsr-
wohnungsn, so rsgt flch i» jedem nicht verhärteten Her-
zen das Gebet:

Gott segn« unser friedliche« Streben, Gott segn«
di« dcutsch« Tlrbeit in Stadt und Land l*

Mit einem Druck auf den Klingelknopf einer Alarin-
glocks sctzte der Reichsverkehrsministcr dann ein Läute-
werk in Tätigkcit, das für dic gesamte Gsfolgschaft das
Zeichen war, mit d«r endgültigen Arbeit im Merk zu
beginnen.

Aus Anlatz der Cröffnungsscier wurde im Hauptwerk
in Rüsselshsim und in den grotzen Opelverkaussläden in
den verschiedenstsn Gegenden Deutschlands ein Ve-
triebsappell abqshalten, auf dem dis Gefolgfchasts-
mitglieder di« Fsisr durch Lautsprecher miterlebten.

-lus aller Welt.

— Cin Fafladenkletterer am Werk. Der gefährlichs
Fassadenkletterer und Villeneinbrechsr,
der seit über zwei Iahren der Schrecken der Vssitzer von
Landhäusern in den westlichen Vsrliner Vororten ist,
stieq am Montag abend wicder in eine Dahlsmer Villa
ein und stahl dort Schmucksachen im Wert von vielen
tausend Mark. Cs gelang dem Cinbrecher auch dies-
mal mit seiner Diebesbcute zu entkommen. Obwohl er
vor drei Wochen bei einem Cinbruchsversuch in eine
Villa am Dahnhof Aeerstrah« überrascht und auf der
Flucht angefchoflen worden war. blieb die umfangreiche
polizeiliche Fahndunq nach ihm ergebnislos.

— Das Hochwafler in Nantes erreichte am Diens-
taq faft den Waflsrstand von 1910. Damals wurden
9,10 Meter gsmeffen . Am Dienstag zeigte der Peqel
der Loire 9,02 Meter. Verschievene Stadtviertsl sind
überschwemmt, so datz die Betriebe geschlossen werden
mutzten.

— Finnkändischer Vugflerdampser 1n den Schären
gekentert. In den finnländischen Schären zwischen
Ruffarö und Hangö kentert« um 15 Uhr aus unbekann-
tem Anlatz ein Bugsierdampfer, der der finn-
ländischen Küstenartillerie gehört. Sechs Militärperso-
nsn, eine Frau und sin Kind, sanden den Tod in den
Wellen. Acht weitere Soldaten wurden von einem zu
Hilfe geeilten Motorboot und einem Lotscnkutter q«.
rettet.

— Zu schweren Streikunruhen kam es in BuenoS
Aires. Zur llntsrstützung des Bergarbeiterstreiks war
am gestriaen Dienstag ein vierundzwanzigstündiger V s-
neralstreik ausgerufen worden. Dabei kam es zu
blutigen Ausammenstöhen. Cs wurden fünf Perso-
nen getötet. lleber 150 Personen wurden verhaftet,
darunter sogenannte Arbeiterführer mit meist ausländi-
schen östlich klingenden Namen. In verschiedenen Pro-.
vinzstädten wurden die Betriebe stillgelegt.

*

Dier Tot« Vei einem Vchiffsunglück im Hamburgrr

Hafen.

Harnburg, 7. Jan. Jm Hambuvger Hastn ereig-
nete stch am Dtenstagmorgen ein verhängnisvoller
Schlffszusammenstotz, dem vier Men-
schenleben zum Opfer fielen. Eine Barkasse,
auf der sich außer dem Fahrzeugsührer noch acht Ar-
beiter befanden, wurd« von einem Schlepper gerammt
un.d zum Sinken gsbracht. Vier von drn Arbei-
tern, die sich in der vorderen Kajüte befanden, konn-
ten nur als Leichen geborgen werden. Die übrt-
gen Insassen wurden gerettet. Taucher stnd damit be-
schäftigt, die gesunken« Barkasse zu hebem. Etne ein-

gebende Untersuchung d«S Unglücksfalls ist sofort ein-
geleitet wordrn.

Cxplosion in den Perstl-Werken.

Düffeldorf 7. Ianuar. Dei dcn Persilwerken
Henkel undLi«. in Düsseldorf-Reisholz ereignete
" ' am Dienstag nachmittag eine solgenschwere Cxplo-
sion. Aus unbekannter llrsache explodierte ein Was.
serglasofen. wobei eine ganze Anzahl von Arbei-
tern durch Verbrennungen verleht wurde. Acht
der Verlstzten, von denen einer in Lebsnsgefahr
schwebt, wurden sofort ins Krankenhaus gebracht. Dis
übrigen Derlehten konnten nach Anlegung von Notver»
bänden in ihre Wohnungen entlaffen werden.

Dsr explodierte Wasserglasosen sollte erst 1n Be-
trieb genommen wcrden. Beim Linheizen ging der Ofcn
aus noch nicht geklärter llrsache in die Lüst ünd stürzt«
tn sich zusarmnen. Die acht Verletzten, die ins Krqnken-
haus überqeführt wurden, erlitten tetls Verbrcnnunqen,
teils Krwchenbrüch«, Ouetfchungen und derqleichen dürck,
di« umherfliegenden Lisensplttter.

Aehn Tote bei einer Lxploflon.

Tokio, 7. Ianuar. Die Lichtversorqung To»
kios wurds durch eine Lxplosion im Clektrizttäts.
werk am Cnaschiro-Ses in Fukuschima erheblich gestört.
Im Anschlutz an die Cxplofion erfolgt« ein Wasser-
stnbruch. Zshn Anqestellt«' dss Werkes, In-
genieure und Mechaniker, wurdcn getötet.

D«r Sowjetgesandte braucht Luxuskabinen,
das Prrsonal fährt drittrr Klaffe.

Rio de Janeiro, 7. Jan. Jn der brasilianischen
Preße errsgt die Tatsache großes Aufsehen. daß der aus
Uruguay ausgewiesen« Gesandt« der Sowjetunion.
Alexander Minkin, auf der .Massilia" eine
Flucht von Luxuskabinen bewohnt, während
er für das Personal der Gesandtschast größtenteils nur
Plätze dritter Klaffe bel«gt hat.

werden den Tatsachenbericht von Hermann
Timmermann „Olympische Siege" lessn, mit
dessen Wdruck wir heute (auf Seite 3) begmnen. Lr
liest stch wi« ein spannender Roman. Seine Helde»
flnd di« grotzen Olympiakämpfer. Mcr was hier g«.
schildert wird. ist nicht erdicht«1, sondern «r.
lebtes Lebsn, sportlicher Kampf und wunder-
bare Wirklichkeit.

We Fraue» lesen.Olympische Siege".

Heidelberger StSdtisches Theater.

„Krach im Hinterhaus.-

Volkskomödie von Maximiliau Böttcher.

Heidelberg, 8. Ianuar 1936.

Dieles ist schon unter dsr Flaqge „Volksstück- übcr
dis deutsche Vuhns gesegelt, aber nur weniges hat diese
Bezeic nunq in gleich hobem Matz verdient wie dieser
»Krach im Hinterhaus".mit dem Maximilian
Vöttcher in einer fast gefahrdrohenden Weiss zwar
nicht unser Trommelsell, desto mehr aber unser Zwerchfell
erschüttert. Er hat jenen .Griff ins volle Menschen-
leben" getan, den schon der alte Goethe anrät. Absr
während gar mancher dabei ins Leers gegriffen hat, lätzt
Böttcher aus seinsr geössneten Hand eine Fülle von
Typen herausspazieren, denen nichts menschliches
fremd ist.

Die Atmosphärs, in die er uns mit seiner Volks-
komödie sührt, ist von Llnsang an hestig mit Cxplosivstoff
geladen. Da geistert der Klatsch über die Sttegen, da
wird geschnüffelt und befchuldigt, da wird geklaut und
geliebt, da wird gehauen und geküßt, wie es eben so zu
gehen psleqt, wenn vrele Menschen auf engem Raum bei-
sammen wohnen. Man qlaubt förmlich, die Lunte zu
riechen, die da schon irqendwo glimmt, und so kommt es
denn auch richtig zur Cxplosion, durchaus im wörtlrchen
Sinn, weil die Standhaftiqkeit eines Ofens, dessen Bri-
ketts mit Pulvcr gesüllt sind, begreiflicherweise diesem
Feuerungsmaterial ebsnsowenig gewachsen ist, wie die
sonst recht gesunden Nerven der Witwe Bock den gan-
»en Verdächtigungen gegenüber. Die gesamte Bewohner.
schaft des Hinterhausss kommt insolgedessen vor den
Kadi, wobei es fich nicht nur um die Frage dreht, wsr
nun eigentlich geklaut und wer verleumdet hat, sondern
wobei äuch der Witwe Vock klar gemacht wird, dah selbsr
die Wahrung der Familienehre unter dem Zeichsn des
Paragraphen zu erner Personen- und Sachbeschädigung
in Idealkonkurrenz führen kann. Schlietzlich zeigt es sich,
datz zwar manches in die Luft sliegsn kann, datz flch aber
di« richtigsn Teile dock wieder zusammensindsn, selbst
wenn es sick um eine Verlobunq handelt. Womit der
ganze Krach im Hinterhaus doch noch zu einem guten
Ent' kommt. ^ ,

.Ls ist, das mutz noch einmal betont werden, Maxi-

milian Böttcher ganz ausgezeichnet gelunqen, in seiner
Komödie Menschen aus Fleisch und Älut auf die Bret-
ter zu stellen, Menschen» dis so reden, wie ihnsn der
Schnabel gewachsen sst. Er hat drei famose Atte zusam-
msngszimmert, dis vielleicht nur an srnigsn wenrgen
Stellen ein paar Striche vsrtragen, damit das Tempo
ntcht verlangsamt wird. Ieder dieser drei Akte ist tref-
fend in der Schilderung des Milieus, ist wrrkungsvoll in
seinem Aufbau und ist erftillt von einem Dialog, durch
dcsien Wih auch bisweilen ein bihchsn Philosophie
schimmert. llnd da und dort klingcn sogar Töne auf, die
über alle Schnoddrigkeit und Schlagfsrtigkeit einen
Schein warmer Menschlichkeit legen.

Martrn Vaumann war als Spislleiter gerade
diesen Tönen mit feinem Gefühl nachgegangen und hatte
überhaupt dafür gesorgt, datz das Ganze in den Vezirken
des Menschlrch-Ällzumenschllchen blieb, also niemals in
den Schwank abglitt. So srstand — auch durch Al-
bsrtis Vühnenbilder — denn das Milieu rnit plasti-
scher Deutlichkeit. wenn es auch sprachlich aus dem Nor-
dsn Derlins größtenteils in unscre südlicheren Gefilde
verlegt worden war. Wenn man nun noch von den Dar.
stellern sprechen soll. so kommt man deshalb etwas in
Schwierigkerten, weil die nötigen lobenden Beiwörter für
alle diese prachtvoll gezeichneten Tvpen fehlen. Cine
freilich mutz schon an erster Stelle genannt werden: das
sreche Gör mit dem sinnigsn Namen Ldeltraut, das Anne-
marie Collin mrt erner Sicherheit und einer Cchtheit
hinstellte, die bst der Iugend der Darstsllerin erstaunlich
stnd. Die niemals fehlgreifende Art dieser Darstellung
verdient in der Tat ein Sonderlob. llnd nun zu den
übrigen Dewohnern des Hinterhauses und denen, die in
ihren Krach einbezogen werden: Trud« Kuhn als
Witwe Bock mit einem quten Herzen in einer rarihen
Schale, eine enerqische Frau, die stck mit Recht ihres
Haut wehrt und die man verstsht, wetl man ihr warmes
tzerz schlagen fühlt; Luiss Mentges als Tochter Ilse,
natürlich und klug und besondcrs fein in der Gerichts-
szene, wie auch bet der Aussprache mit den beiden
Freisrn; Cgon Helms als scheinhsiliger Hausvsr-
walter, dem man seine Lektion, aber auch die Frau gönnt,
die Trude Oebm mit schlamptger Frechheit spielt.
Irisch rmd unbekümmert gibt Bernhard Wrchert den
Bäcker Franz, dem es halt die Mädchens so arq ange-
tan habsn. und das Oberpostschaftners-Cbepaar hat in
Martin Baumann den zweifellos anständigeren Teil

(trotz seiner „cholerischsn Temperatur"), in Anna Bren-
ken dagsgen die durchaus glaubhafte Verkörperung einer
Derson, dis mit ihrem losen Mundwsrk den ganzsn
Krach hervorruft. Datz ihre Tochter Paula schon aus
lauter Dummheit nicht nur Mshlflsck« an den Rock, son-
dern auch noch etwas „anderes" bekommt, glaubt man
Hertha Glatt ohne weiteres. Den Affessör Horn, der
ungewollt in das Durchernander hineingezogen wird,
gibt Helmut Wittig so sympathifch wrs nur mögkich
ünd der Vater Horn von Karl Fürstenberq besticht
durch seine menschlich vornehme Haltunq. Neben Heino
Thtels als Amtsgerichtsrat ist noch eine ganzs Anzahl
anderer in tteinen Nebenrollen beschäftigt, die das Bild
tresflich abrunden.

Noch klrngt uns das Lachen und der Beisall des
Publikums im Ohr, mit denen disses Stück aufgenommen
wurde und dis stch Wend für Abend wiederholen werden.
Cs war wohl der Geschäftsführsr der Reichstheaterkam-
mer, der das Wort sprach: „Noch nrehr Kräche im Hin-
terhaus!" Dem wird jeder beisttmmen, der diese Volks-
kornödi« gesehen hat.

vr. Werner Schmidt.

knntt „nb Vissenschsttt.

sFeuerbach's „Gastmahl des Plato" im Festsaal der
Reichskanzlei.) Das in der Badrschen Kunsthalle besind-
lrche Gemälde „Das Gastspisl des Plato" von
Anselm Feuerbach ist dazu auserwählt worden. an
besonders bevorzugter Stelle, nämlich in dem neusrbarr-
ten Fsstsaal der Neichskanzlei in Vsrlin, der zur Abhal-
tung repräsentativer Veranstaltrmgen des Führers und
Rsrchskanzlers bssttmmt ist, von der Lerstung der deut-
schen Monumentalmalerei des 19. Iahrhunderts Zerranis
abzulegen. Das Bild verblerbt tm Ligentum des Landes
Baden, fsine lleberlaffuna erfolgt in Form der Leihgabe.
Dsr Vädischen Kunsthalle ist für die Dauer der Ab-
wesenheit dcs Vrldes die Zuwsisunq hochwerttgen Cr-
sahes zugesichsrt worden.

sllräusführung einer FunkbMade im Deutschland-
scnder.) „DerThron tmNebel", etne Funk-
ballade von Georg Basner, bringt der Deutschland-
sender am Freitaä unter dsr Spislleitung von Ottoheinz
Iahn zur llraufführung. Die Mustk schrieb Crnst R o-
ters. In dem Sprel, das mit ungswöhnlichsn akustt-
schen Mitteln gestaltet ist» wirken u. a. Herbert Klatt,

Walter Frank, Wibert Grimmer, Leo Delsan, Fanny
Schreck und Robert Forsch mit.

sHcrmann ErdlenS „Saar-Kantate") soll am Tag
dsr Saarbefreiung in Sao Paolo (Vrasilien) zur
Aufsührung kommcn und wird dort bereits vorberertet.

sDer Vegründer der Affyriologie.s Am 5. Ianuar
jährte sich zum hundertsten Mal der Geburtstag Cber-
hard Schraders, der 1836, einer alten Bauern-
samili« entstammend. in Braunschweig geboren wrrrde
und als Studcnt der Technischen Hochschule Vraun-
schweig von einem seiner Lehrer sür das Studium der
orientälrschen Sprachwissenschast begeistert wurde. Mit
24 Iahren «rhielt Schrader, nachdem er in Göttrngen
promoviert hatte, einen Rus als Prosessor der orientäli-
schen Sprachen an die llniversität Zürich. Hicr wurds
er von dsr Stadt mit der Pslege ihrer wertvollen assyri-
schen Manuskripte betraut. Erst durch Schrader wurde
di« Assyriologi« zu einer systematischen Wrssen°'chast.
Lr sand dr« grammafischcn Grundlagcn dcr assvri-
schen Sprachs und drang als erster in die Tiefen der assy-
rischen Kultur ein. Von arößter Vedeutung waren scine
Feststellungen über die Äbhängiakeit des Alten Testa-
ments von Aflur und Dabylon. 1873 ging Schrader nach
Iena, und hier wurde der sunge Frtedrich Delitzsch
sein Schüler. Cr ging auf den Wegen seines Lchrcrs
weiter und drang nirt seincm Buck „Babel und Bibcl"
auch in weiter« Kreise. Auf dcn 5>öbcprinkt seincr Lanf-
bahn kam Schradcr. als an der llnrvcrsität Berlin für
ihn cine besondere Professur, dcr erste assnriologische
Lehrstuhl. geschaffsn wurde. Cr wurde Mrtolred zahl-
reicher Akademien rmd gelehrtcr Gesellschasten des In-
und Auslandes.

sIosef Perkoniq «rhält den österreichischsn Literatur-
ftaatspreis.s Der österreichtsche Litsratur- und der Mu-
sikstaatspreis für 1935 stnd in den letzten Tagen vsr.
tiehen worden. Den Würdraungsprcis für Literatur er-
hielt der Kärntncr Dichter Professor Iosef Derkoniq
in Klagenfurt. Der Würdrgungspreis für Musik wurde
dem Domkapitelmeister in Salzbura, Profeffor Iosef
Metzner, verlrehen; serner der Förderungsprcis für
Musik dem in Wicn lebenden Komponisten Profcffor Dr.
Friedrich Reidinger für sein zum Wsttbewerb ein-
gereichtes Vratorium. Von der Verleihuna des Förds-
rungspreises für Literatur ist j» diesem Iahr abgesehen
worden.
 
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