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DIE ENTWICKLUNG UND DAS WERK

Das Bedeutungsvolle der Entwicklung des
Architekten Peter Behrens befleht in
zweierlei, in ihrer geradezu vorbildlichen künfl-
lerilchen Konfequenz und in der Tatfache, daß
fie, wie ein treffliches Mullerbeifpiel, im Indivi-
duellen alle die wichtigen pfychologifchen Mo-
mente aufweift, welche die Gefchichte unferer
modernen Baukunfl und unferes modernen Kunft-
gewerbes auch im allgemeinen bilden mußten.
HERKUNFT UND JUGEND. Beh rens iff am
14. April 1868 zu Hamburg geboren. Die Familie
flammt aus Schleswig-Holflein. Sein Stammes-
charakter alsNiederdeutfcherbeftimmt das innere
Wefen feines ganzen Werkes. Der Süddeutfche
läßt fich gern in gemütlicher Liebenswürdigkeit
gehen und iff von Natur zu launifchem Fabulie-
ren aufgelegt. Der Norddeutfche zeigt fich hin-
gegen ffets von fachlichem Ernft und im Verkehr
von vornehmer Zurückhaltung: er iff (freng funk-
tionell gefinnt und allem überflüffigen Beiwerk
abhold, Charaktergegenfätje, die auch in den
alten Architekturen der beiden Länder zutage
treten, wenn man etwa die malerifche Zierlichkeit

derNürnbergerFrauenkirchemitderungefchmück-
ten, abffrakten Herbheit des Domes von Stendal
vergleicht, oder wenn man an die tieffchattigen,
üppig gerahmten Fenfter und an die weit vorbrin-
genden, plaffifch lebhaften Erkerbildungen zurück-
denkt, mit denen fich das füddeutfche Bürger-
haus des 16. Jahrhunderts bereichert, während
fein norddeutfcher Verwandter Fenfferfcheibe und
Hauswand in eine glatte bündige Flucht legt.
Alsdann iff dem Hanfeaten Behrens, fehr erfreu-
licher Weife in unferer allzu vergeifligten Zeit,
der folide Refpekt vor dem Materiellen, eine
gewiffe konfervative Beharrlichkeit eingeboren,
die felf auf der wohlgegründeten Erde fleht, der
patrizierhafte Stolz an allem die Sinne erfreuen-
den Reichtum und aller konkreten Schönheit. —
Nach Verlaffen des Altonaer Realgymnafiums und
kurzem Studienaufenthalt in den Jahren 1886 bis
1889 an der Kunflfchule in Karlsruhe und bei Brütt
in Düffeldorf, verheiratete er fich als junger Mann
mit der Tochter des bayrilchen Bezirksamtmanns
in Rothenburg, Lilli Krämer, und ließ fich dann
für dauernd in München als Maler nieder.

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DIE ENTWICKLUNG DES KUNSTGEWERBLICHEN PROBLEMS

AUS DER MALEREI
MÜNCHEN 1890 BIS HERBST 1899

1. DIE PERIODE DES MALERISCHEN UND
FARBIGEN. Damals herrichte in den Münchener
Malerkreifen noch ziemlich allgemein das Genre,
in eine höhere künfllerifche Sphäre freilich ge-
rückt durch das verehrenswürdige Vorbild Wil-
helm Leibis, delfen wundervollem, tonig maler-
ifchen Ausdruck man nachzuftreben fuchte. Von
Behrens foll aus diefer erflen Zeit noch ein Bild
«Bauern im Wirtshaus» exilfieren. Bald aber
ergriff das für diefe Zeit eigentümliche Licht-
problem auch von feiner malerifchen Exiflenz
Befit$. Zur Beftärkung darin wurde ihm eine
Reife nach Holland, die er im Jahre 1890 unter-
nahm: Er fah die Bilder des modernen hol-
ländifchen Clair-obscur, machte die Bekannt-
fchafl des Hauptes diefer Schule, Jozef Israels,
und arbeitete vor allem viel mit einem Maler

diefer holländifchen Kunllrichtung, Albert Neu-
huis, zufammen. Allein die hier geübte flim-
mungsvolle Verfchwommenheit konnte in feinem
Empfinden nur künfllerifehen Widerfpruch aus-
löfen, da Behrens' Beflreben gerade darauf aus-
ging, immer nur farbig und hell, ohne die dunklen
modellierenden Töne, zu malen. Und fo war
Behrens von einer anderen, viel fortgefchritte-
neren Richtung als die holländifchen Luminiflen.
Er war Impreffionifl, ohne es zu wiffen, ohne
jemals zuvor Bilder von Monet oder aus deffen
Kreife gefehen zu haben: Seine malerifche Ent-
wicklung hatte sich ganz unabhängig, in einem
felbflbeflimmten, dem franzöfifchen Pleinair pa-
rallelen Kunflwollen vollzogen.
Als Behrens nach München zurückkehrte, fand
er fich im offenen Gegenfa^ zur dortigen aka-

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