Abb. 34. Nordweftdcutlche Kunftausfteliuug in Oldenburg. Sommer 1905.
Ausftellungshouschen der Linoleumfabrik
konnte. Meier-Graefe fagt gelegentlich: Kunft
ift immer Ordnung. Von allen Poftulaten bleibt
das eine Muß und das eine Soll, das allen Launen
der Zeit, allen Auslegungen widerfteht: Ordnung.
5. SCHLAF- UND WOHNZIMMER BEI A.
WERTHEIM UND WOHNHAUS GUSTAV
OBENAUER IN SAARBRÜCKEN. Wenn auch,
wie gefehen, keineswegs ein wirklichkeitsfrem-
der Doktrinarismus in der rein ftereometrifchen
Raumkunft, wie fie fich am Warften in der Archi-
tektur der Oldenburger Ausftellung von 1905
zeigt, herrfchte, fo lag doch, bedenkt man vor
allem die Abwege, auf die in ähnlicher Richtung
Ipekulierende Künftler nur zu oft fchon geraten
find, eine tatfächliche Gefahr vor in einer
immerhin möglichen Überfpannung des Syfte-
matifchen. Diefe Gefahr beftand vielleicht weni-
ger noch in der übertrieben abftrakten Logik der
Formenbildung und eines nicht fich finnlich genug
') Problem der Form. 6. Aufl. S. 8 und 9.
') Es gilt hier freilich auch das fpezifilche Zeitwollen zu berück-
(ichtigen, das ähnliche Kunftformen und Theorien damals in
Menge hervorbrachte. Und da darf man (ich nicht bloß auf
den knappen Auslchnitt der Oldenburger Ausftellung und der
fich zu ihr gruppierenden Arbeiten befchranken, fondern man
muß mindeftens Behrens' gefamte Düfteldorfer Schaffensperiode
als ein ganzes betrachten. Sieht man fich z. B. fo feine Innen-
architekturen der Düffeldorfer Zeit, von 1903 bis 1907 an, fo
begründenden Formenzufammenhangs oder gar
in einer, bei dem gabenreichen Genie Behrens,
doch ausgefchlofTenen, gedankenblaffen Unpro-
duktivität, als in dem fehr konkreten Mangel an
kubifcher Rundung und plaftifch lebhaft fprech-
endem Relief, welcher nun ein für allemal jeder
reinen Geometriekunft anhaften wird. Um mit
Hildebrand1) zu reden, fehlen dem Fernbild der
zur Überficht weit genug abgerückten Dafeins-
form der mei Ifen diefer frühen Düffeldorfer Bauten
jene fo welentlichen Merkmale, die denBefchauer
zu Bewegungsvorfteilungen in die Tiefe, zum
Erfaflen der Front als Ausdruck eines dahinter-
liegenden Dreidimenfionalen, anregen können:
Der Architekturlogik der Oldenburger Ausftellung
haftet zweifellos etwas «unbegreiflich» Mageres,
etwas noch zu wenig ausgefüllt Kantenhaftes und
Eckiges an. «Aber diefe Logik ift durchfichtig wie
Lattenwerk, durch das der Wind fauft ).* Rück-
unteiTcheiden lieh deutlich zwei Stilepochen, eine frühere des
Bretter- oder Kiftenftils, ziemlich primitiv, wofür das Mobiliar
des Bureauhaufes Klöpper in Hamburg und die Düffeldorfer
Stadtbibliothek den Beweis erbringen, und ein Stil der mehr
organifierten kubilchen Form, wie fie im Wohnhaufe Obenauer
und in Dresden 1906 auftritt. - Diefe beiden Entwicklungsltadien
machte aber, wie angedeutet, Behrens keineswegs allein durch:
Als Parallele feien für feinen anfänglichen «Bretterkiftenltil» die
analoge Erlcheinung bei den Schotten und bei den Jungwiener
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Ausftellungshouschen der Linoleumfabrik
konnte. Meier-Graefe fagt gelegentlich: Kunft
ift immer Ordnung. Von allen Poftulaten bleibt
das eine Muß und das eine Soll, das allen Launen
der Zeit, allen Auslegungen widerfteht: Ordnung.
5. SCHLAF- UND WOHNZIMMER BEI A.
WERTHEIM UND WOHNHAUS GUSTAV
OBENAUER IN SAARBRÜCKEN. Wenn auch,
wie gefehen, keineswegs ein wirklichkeitsfrem-
der Doktrinarismus in der rein ftereometrifchen
Raumkunft, wie fie fich am Warften in der Archi-
tektur der Oldenburger Ausftellung von 1905
zeigt, herrfchte, fo lag doch, bedenkt man vor
allem die Abwege, auf die in ähnlicher Richtung
Ipekulierende Künftler nur zu oft fchon geraten
find, eine tatfächliche Gefahr vor in einer
immerhin möglichen Überfpannung des Syfte-
matifchen. Diefe Gefahr beftand vielleicht weni-
ger noch in der übertrieben abftrakten Logik der
Formenbildung und eines nicht fich finnlich genug
') Problem der Form. 6. Aufl. S. 8 und 9.
') Es gilt hier freilich auch das fpezifilche Zeitwollen zu berück-
(ichtigen, das ähnliche Kunftformen und Theorien damals in
Menge hervorbrachte. Und da darf man (ich nicht bloß auf
den knappen Auslchnitt der Oldenburger Ausftellung und der
fich zu ihr gruppierenden Arbeiten befchranken, fondern man
muß mindeftens Behrens' gefamte Düfteldorfer Schaffensperiode
als ein ganzes betrachten. Sieht man fich z. B. fo feine Innen-
architekturen der Düffeldorfer Zeit, von 1903 bis 1907 an, fo
begründenden Formenzufammenhangs oder gar
in einer, bei dem gabenreichen Genie Behrens,
doch ausgefchlofTenen, gedankenblaffen Unpro-
duktivität, als in dem fehr konkreten Mangel an
kubifcher Rundung und plaftifch lebhaft fprech-
endem Relief, welcher nun ein für allemal jeder
reinen Geometriekunft anhaften wird. Um mit
Hildebrand1) zu reden, fehlen dem Fernbild der
zur Überficht weit genug abgerückten Dafeins-
form der mei Ifen diefer frühen Düffeldorfer Bauten
jene fo welentlichen Merkmale, die denBefchauer
zu Bewegungsvorfteilungen in die Tiefe, zum
Erfaflen der Front als Ausdruck eines dahinter-
liegenden Dreidimenfionalen, anregen können:
Der Architekturlogik der Oldenburger Ausftellung
haftet zweifellos etwas «unbegreiflich» Mageres,
etwas noch zu wenig ausgefüllt Kantenhaftes und
Eckiges an. «Aber diefe Logik ift durchfichtig wie
Lattenwerk, durch das der Wind fauft ).* Rück-
unteiTcheiden lieh deutlich zwei Stilepochen, eine frühere des
Bretter- oder Kiftenftils, ziemlich primitiv, wofür das Mobiliar
des Bureauhaufes Klöpper in Hamburg und die Düffeldorfer
Stadtbibliothek den Beweis erbringen, und ein Stil der mehr
organifierten kubilchen Form, wie fie im Wohnhaufe Obenauer
und in Dresden 1906 auftritt. - Diefe beiden Entwicklungsltadien
machte aber, wie angedeutet, Behrens keineswegs allein durch:
Als Parallele feien für feinen anfänglichen «Bretterkiftenltil» die
analoge Erlcheinung bei den Schotten und bei den Jungwiener
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