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Hoffmann, Karl [Hrsg.]; Krahmer, Alix [Ill.]
Der Neustädter Altar von Lucas Cranach und seiner Werkstatt — Berlin, [1955]

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https://doi.org/10.11588/diglit.28261#0043
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lung des Jüngsten Gerichtes und des Abschiedes Christi von den Frauen.
Gerichtsbilder sind ja in der niederländischen Tafelmalerei ziemlich ver-
breitet. Cranach schuf eine Kopie einer Gerichtsdarstellung des Hierony*
mus Bosch (F*R 88); er muß das Vorbild auf seiner niederländischen
Reise gesehen haben, vielleicht hat er die Kopie sogar dort angefertigt.34)
Die Neustädter Gerichtstafel und ebenso das Partenkirchener Gerichts*
bild Cranachs (F*R 89) zeigen in den Gestalten der Teufel allerdings nur
entfernte Anklänge an die grotesken Dämonen des Meisters von Fiertogen*
bosch. Man wird aber doch alle diese Gerichtsbilder Cranachs zeitlich
näher zusammenrücken müssen und zwar in die Nähe der einzig datierten
Neustädter Tafel.

Den Abschied Christi von den Frauen hat Cranach noch einmal um 1520
in einem jetzt in Wien aufbewahrten Gemälde in Halbfiguren gestaltet
(F*R 113). Mehrere Werkstattbilder des gleichen Themas sind bekannt.
Außerhalb des Marienlebens kommt der Abschied in der altdeutschen
Tafelmalerei für sich genommen kaum vor, besonders nicht in so bedeu*
tenden Maßen. Dagegen hat sich eine Tafel gleichen Inhalts bei Gerard
David erhalten.

Auch Einzelheiten dürfen nicht übersehen werden. Da sind die über die
Stirn herabgezogenen hauchfeinen Schleier, die Cranach erstmalig auf
der Breslauer Madonna, seitdem aber mit ausgesprochener Vorliebe ver*
wendet.35) Sie finden sich häufig auf Bildern der altniederländischen
Schule und ganz besonders oft bei Massys. Ein zweites von Cranach fortan
immer wieder verwandtes Motiv ist der gläserne Schaft der Siegesfahne
auf dem feststehenden Johannisflügel. Das nächstliegende weitere Beispiel
hierfür ist der schon mehrfach genannte Kasseler Reise*Altar, der aus ver»
schiedenen Gründen zeitlich in unmittelbare Nähe des Neustädter Altars
gerückt werden muß. Noch Lucas Cranach d. J. bringt den gläsernen
Fahnenschaft 1555 auf dem großen Altar der Weimarer Stadtpfarrkirche.
In der altdeutschen Malerei konnten kaum Beispiele hierfür gefunden
werden. Allein bei Michael Wolgemut endet auf dem Hofer Altar der
im übrigen metallen gegebene Stab des Auferstandenen in einem transpa*
renten Kreuz. In den Niederlanden, wo die Freude am Glanz und an der
Lichtdurchlässigkeit des Glases zu jeder Zeit groß gewesen ist, finden sich
dagegen trotz der starken Reduzierung des Bildbestandes infolge der
Bilderstürme noch immer genug Beispiele für gläserne Szepter und zwar

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