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Hoppe, Stephan
Die funktionale und räumliche Struktur des frühen Schloßbaus in Mitteldeutschland: untersucht an Beispielen landesherrlicher Bauten der Zeit zwischen 1470 und 1570 — Köln: Abteilung Architekturgeschichte des Kunsthistorischen Instituts der Universität zu Köln, 1996

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.69717#0422
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412 Funktionale Raumtypen - Das Stuben-Appartement
dem 15. Jahrhundert stammenden611 612 - Inventar des Schlosses Hasegg in Hall
besaß diese Anlage ebenfalls mehrere Beispiele für die Kombination aus
Stube und Kammer:
„Am ersten in dem hindern stubel in des torwartels haus ain tisch mit ainer furpanck.
Item ain verdeckts spanpet [...] in der camer darhinder: ain tisch, ain spanbet [...] Ain
pett [...].
Zu Hasegk in der oberen Stuben: zwai truhel, [...] ain tisch mit ainem spilpret. drei
tisch, zwen stul, auf yedem ain lidreins kuß. zwo vorpenck. ain credentztischel vund
ain stul dauor. ain eysener schach, in der Stuben ain truhen, dar in [...]. in ainer
kleinen Karner daran ain truhen, dar inn etlich zinnen platten [...]. ain petstat [...].“
Weitere, sogar in der Bausubstanz erhaltene frühe Beispiele für Stubenappar-
tements besitzt der Ludwigstrakl der Prager Burg. Er wurde um 1501 bis
1509 als königlicher Wohntrakt auf der Talseite an den wenig älteren Saalbau
angefügt.613 Seine Raumstruktur im Hauptgeschoß läßt noch heute von Nor-
den nach Süden die Abfolge von Vorraum mit Treppenverbindung, der gro-
ßen Wohnstube und der talseitigen, kleineren Schlafkammer erkennen.614 In-
folge des querriegelartigen Hervortretens des Anbaus besaß die
Schlafkammer keinen eigenen Zugang auf derselben Ebene, wohl aber einen
jener bereits oben beschriebenen Hinterausgänge über eine kleine Wendel-
treppe in der Südostecke.
Obwohl es sich bei den hier angeführten Belegen um eine durch Überlie-
ferung und Forschungsstand sehr zufällige Stichprobe handelt, wird anhand
ihr deutlich, daß die appartementartige Kombination von Stube und Schlaf-
kammer im adeligen Wohnbau bereits in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun-
derts weder auf mitteldeutschen Raum, noch auf den hochadeligen Wohnbau
beschränkt war.615

611 Nach Zingerle 1909
612 Zingerle 1909, S. 35.
613 Siehe: Fehr, Götz: Benedikt Ried. Ein deutscher Baumeister zwischen Gotik und Re-
naissance in Böhmen. München 1961, S. 33 ff. Fehr benennt die Räume aber stets nach
ihren späteren Kanzleifunktionen. Die ungefähr ab 1484 (Fehr 1961, S. 20) instandge-
setzten älteren königlichen Wohngemächer auf dem Hradschin lassen weniger eindeutig
die ihnen zugrunde liegende Raumstruktur erkennen. Heute ist das sogenannte
„Audienzzimmer“ Wladislaws (aber auch Schlafzimmer genannt!) als Stube mit einer
Wölbung von 1490 bis 1493 erhalten.
614 Der heute im südlichen Raum vorhandene Ofen wurde wohl später hier aufgestellt.
61' Interessant wäre allerdings, den Prozeß der Appartementbildung in weniger komplexen
Schloßbauten, etwa denen des Niederadels, zu untersuchen und auf eine eventuell erst
schrittweise Übernahme des hochadeligen Vorbildes zu befragen. Zu dieser Fragestel-
lung ist durch die Projekte der Hausforschung und der Aktivitäten des Weser-Renais-
sance-Museums in Zukunft neues Material zu erwarten.
 
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