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Hotho, Heinrich Gustav
Vorstudien für Leben und Kunst — Stuttgart, Tübingen: Cotta, 1835

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https://doi.org/10.11588/diglit.47017#0396
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374

Zweifelnd und verzweifelnd in der Kraft des selbst-
gewissesten Stolzes stellt Klinger sich der mißhan-
delnden Wirklichkeit, ihrem Schicksal und ihrer Vor-
sehung schroff und erbittert gegenüber; er gährt, er
braust, er versinkt in die ausgestorbene Nacht des zer-
rütteten Innern, und der Sturmwind seiner Iugend-
poeste fahrt in berechnender Leidenschaft kalt über die
armselig widerspruchsvolle Erdenwelt hin, während der
reizend üppige Heinse sich in dem schönen Sinnen-
leben der Kunst berauscht. Sie Alle waren zum Kampfe
berufen, doch ihr zertrümmernder Anlauf eilte abwärts
vom Ziele, und statt der ungezügelten Naturkraft des
Genius wand sich spät, aber dauernd eine kunstreinere
Hand den unvergänglichen Lorbeer um die geheiligten
Schläfe. Johann Wolfgang Goethe blieb der allein
gekrönte Sieger. Ihm nach lärmte Schiller. Ge-
trennt verfolgten beide ihre Bahn, dann zu engerer
Gemeinschaft treten sie zu einander. Nun tauschen
sie ihre entgegenstrebenden Naturen großmüthig aus,
sie lieben sich in wechselseitig bereichernder Verbrü-
derung, und Jeder bleibt, durch den Anderen und im
Andern erhöht, in wechselseitiger Anerkennung und
Verehrung dennoch er selber. Schon hatte Schiller
auf seiner tragischen Höhe der Alltagsprosa gegenüber
wirklichkeitsvolle Kunsiideale zu erschaffen gestrebt, und
Goethe in versöhnten Mannesjahren eine Welt gebil-
det, in welcher das Gewöhnliche selber, vom Hauche
der Dichtung berührt, im innersten Kerne poetisch
ward, als plötzlich die Schlegel jedem Ungläubigen
 
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