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Hubach, Hanns
Matthias Grünewald, der Aschaffenburger Maria-Schnee-Altar: Geschichte, Rekonstruktion, Ikonographie ; mit einem Exkurs zur Geschichte der Maria-Schnee-Legende, ihrer Verbreitung und Illustrationen — Mainz, 1996

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https://doi.org/10.11588/diglit.20308#0146
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Heinrich Reitzmanns Basler Hystoria de festo Nivis von 1515 kommt in der
Überlieferungsgeschichte der Schneewunderlegende insofern eine Sonderstellung
zu, als es sich bei ihr um die früheste gedruckte vollständige Textfassung handelt.44
Im Druck folgten der schon angesprochene 1519 posthum veröffentlichte Text
Pietro Natalis sowie die von Paolo de Angelis aus den alten Brevieren von Santa
Maria Maggiore kompilierte Textfassung, die dieser seinem 1621 veröffentlichten
monumentalen Werk über diese Kirche beigab und die dann die Grundlage für
alle späteren Texteditionen bildete.45 Eher volkstümliche, zur Erklärung des Na-
mens Santa Maria ad Nives in gekürzter Form erzählte Fassungen der Schneewun-
dergeschichte enthielten jedoch schon die frühen Ausgaben der Mirabilia Romae.
Der älteste, noch als Blockbuch hergestellte Druck dieses weit verbreiteten Pilger-
führers ist eine - spätestens zum Heiligen Jahr 1475 - in Nürnberg herausgege-
bene deutschsprachige Ausgabe,46 deren Text die zahlreichen seit 1481 als Typen-
drucke an verschiedenen Orten, bevorzugt jedoch in Rom hergestellten späteren
Auflagen fast unverändert übernahmen.47 Ungefähr zeitgleich zu der deutschen
Fassung erschien die erste gedruckte lateinische, der zu Beginn der neunziger
Jahre eine italienische und 1499 eine französische folgten; die bekannt geworde-
nen spanischen und flämischen Ausgaben entstanden erst um 1520.48

Die Tradierung der Legende vornehmlich im Kontext der Festliturgie be-
schränkte die Rezipientenschicht anfangs auf eine mehrheitlich klerikale Elite.
Außerhalb Roms war ohne das jährlich wiederkehrende, für die Teilnehmer sicher
sehr reizvolle und beeindruckende Schauspiel des weißen Blütenregens eine
Popularisierung des Festes sowie die emotionale Identifizierung von großen Be-
völkerungsteilen mit der Wundergeschichte zunächst ausgeschlossen. So blieb das
Schneewunderfest - trotz der vereinzelt feststellbaren frühen Beispiele der Maria-
Schnee-Verehrung außerhalb Roms - bis zum Beginn des 14. Jahrhunders eine
weitgehend lokale, stadtrömische Angelegenheit.49 Dies änderte sich erst allmäh-
lich, nachdem das Fest 1223 mit der Übernahme des kurialen Festkalendariums in
die Liturgie des Franziskanerordens einbezogen und durch diesen über ganz Eu-
ropa verbreitet worden war.50 Wir können jedoch nicht davon ausgehen, daß die

44 Vgl.QA-II.

45 Vgl. De Angelis 1621; und van Os 1968, S. 9-10.

46 Vgl. QA-III.3.1.; und Ehwald 1904.

47 Zwischen 1481 und 1525 sind allein zwanzig verschiedene deutschsprachige Auflagen
nachgewiesen; vgl. Schudt 1930, S. 19-26 und 217-222. Die Textfassung der Schneewun-
derlegende aus den 1489 in Rom von Stephan Planck aus Passau gedruckten Mirabilia
Romae ist im QA-III.3.2. zitiert. Zu den Offizinen deutscher Drucker in Rom vgl.
Geldner II, S. 29-61, bes. die Artikel über Bartholomaeus Guldinbeck (S. 51), Stephan
Planck (S. 51-53) und Johannes Besicken (S. 58-61).

Vor und parallel zu den gedruckten Ausgaben gab es aber auch handschriftliche Kopien
der Mirabilia Romae in deutscher Sprache; vgl. z. B. die zwischen 1492-1499 von Oswald
Nott für das Kloster Tegernsee geschriebene Fassung in der Staatsbibliothek München
[StBi.M., HS Cgm 6342, fol. 108'-110].

48 Vgl. Schudt 1930, S. 185-232.

49 Vgl. van Dijk 1955, S. 454.

50 Vgl. van Dijk 1955, S. 455.

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