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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 7): Terracotten aus dem Museo Nazionale zu Neapel — Halle/​Saale, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.5994#0007
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wenn auch seltener als bacchischer Mantel diente: vgl. ausser Poll. IV 118 zB. den Silen auf
der berühmten Satyrspiel-Vase im Neapeler Museum (no. 3240); u. A. m. Beide Gesellen des
Dionysos sind bekränzt2.

Die Zeichnung sowol dieser als der anderen Scene ist sicher und anmuthig, die Aus-
führung im Einzelnen fein und sauber. Gemacht ist die Terracotta, bez. das Original, in der
Diadochenzeit, im dritten oder zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung.

TAFEL II 1.

Derselben Zeit gehört das Rhyton aus gebrannter Erde an, dessen Spitze in den Kopf
eines Schafes ausläuft und dessen Bauch als Schmuck die zierliche Reliefdarstellung trägt, deren
Bild in der Grösse des Originals auf Tafel II 1 veröffentlicht wird. Die Terracotta, unteritalischen
jedoch nicht näher anzugebenden Fundorts, findet sich ebenfalls in der Sammlung Santangelo;
möglich wäre auch hier, dass das Exemplar nur moderne Copie einer Antike ist.

Auf einem Erdhügel sitzt, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, nach rechts-
hin Dionysos, in jugendlicher Schöne, und schaut aufmerksam den Bewegungen einer hinter ihm
tanzenden Frau zu. Zu diesem Behuf wendet der Gott den Oberkörper um und blickt zu Boden,
während er die rechte Hand auf den Sitz (über den sein Mantel gebreitet ist) aufstützt und die
hocherhobene Linke um einen Ast des Baumes legt; neben ihm lehnt, mit dem Knauf an der
Erde, sein Thyrsosstab, dessen Ende ursprünglich vielleicht unter der rechten Achsel eingesetzt
zu denken ist3. Die Tänzerin, nach links vom Beschauer gerichtet, setzt lebhaft das linke Bein
über ihr anderes vor und neigt sich mit dem Oberkörper, den sie von vorn zeigt, ein wenig
zurück; sie ist vollständig in einen weiten faltenreichen Mantel gehüllt, dessen auf dem Kopf
liegendes Stück sie mit beiden hocherhobenen Händen lüpft; bei der Bewegung wird ausser dem
Gesicht die linke Brust entblösst. Jederseits rahmt ein starker Baumstamm die Darstellung ein.
Ob die anmuthige Tänzerin Ariadne zu nennen oder irgend eine Bacchantin ist, welche vor ihrem
Herrn tanzt, lässt sich nicht entscheiden; das Eine wie das Andere ist meines Erachtens
glciehmässig möglich.

"Wie die Ausführung der Terracotta von grösstcr Feinheit und Sauberkeit ist, so ist die
Composition der Figuren von vollendetster Anmuth, ihre Erfindung jedoch nicht auf Rechnung
des Töpfers zu setzen — wenigstens können wir dies von der Tänzerin bestimmt behaupten.
Von dieser Figur, welche zu der grossen Classe von 'verhüllten' Tänzerinnen gehört, von denen
ich eingehender im Vierten Hallischen Programm gehandelt habe4, findet sich eine Replik —

2) Ihre scheinbaren Hörner sind Kranzblätter.

3) Oder ist das Ende des Thyrsosstabes etwa unterhalb des Querastes und der erhobenen linken Hand
angedeutet.

4) Es sei mir erlaubt, den dort gesammelten Vasenbildern ein Beispiel aus meinen Notizen nachzutragen,
die ich mir 1865 im Museum zu Stockholm gemacht. 'Auf einem rothfigurigen sog. Oxybaphon (vaso a campana)
tanzt eine in einem weiten sternbestickteu Mantel verhüllte Frau; mir Füsse und Gesicht sind frei; ein bärtiger
 
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