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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 7): Terracotten aus dem Museo Nazionale zu Neapel — Halle/​Saale, 1882

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https://doi.org/10.11588/diglit.5994#0029
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Grossen und Ganzen den Thonlampen: auf einem runden breiten Fuss, der hin uud wieder stark
erhöht ist, sitzt der rnnde Bauch, breitgedrückt und oft geriffelt; derselbe — in seiner Mitte ist
das Reliefrund angebracht — ist überall geschlossen und läuft au der einen Seite in eine lange
weitvorstehende Tülle (avliöxog) aus, deren Mundstück von einem dicken Lippenrand umgeben
ist; seitswärts von der Tülle und zwar meistens zur Rechten von dem davorstehenden Beschauer
ist ein Henkel angebracht; vereinzelt findet sich hinten auch noch ein zweiter Henkel vor. Die
Höhe der Gefässe bis zur Spitze der Ausgussröhre wechselt zwischen 0,08 — 0.12; der Durchmesser
beträgt ungefähr 0,10 — 0,12.

Zu welchem Zweck diese Gefässchen gedient haben, bleibt strittig. Nach Friederichs (Berl.
ant. Bildw. II S. 185 zu no. 745) wären es Lampen, welche, 'weil nur für das Grab bestimmt, ohne
Oeffnung in der Mitte' geblieben sind. So geistreich diese Erklärung ist und so gut diese ' Schein-
lampen' zu dem übrigen 'Scheinmobiliar' der griechischen wie etruskischen Gräber passen, ver-
mag ich Friederichs' Erklärung doch nicht mehr wie früher 102 zu billigen. Der seitwärtsstehende
Henkel zwingt doch wol an ein Ausgussgefäss zu denken — aber freilich nicht zum praktischen
Gebrauch dienend, wie man sich leicht überzeugen kann, sondern nur für den Schmuck der
Gräber gearbeitet. Dazu werden ähnliche Gefässe des Alltaglebens nachgeahmt, aber dem Ge-
schmack der Zeit gemäss — die betreffenden Gefässchen gehören alle der Diadochenzeit an —
verschnörkeln die Töpfer die ursprünglche Form 103 bis zur Unbrauchbarkeit, theils durch die Steile
der aufsteigenden Tülle sowie durch ihren dicken Lippenrand, theils durch das verschliessende
Aufsetzen des Reliefrunds auf die obere Oeffnung des Bauches, mittelst deren der Inhalt einge-
füllt wurde. So finden sich in der That einige Gefässe, welche ganz die Form des hier bespro-
chenen haben, aber statt des Reliefrunds eine Oeffnung oder einen durchlöcherten siebartigen
Verschluss zeigen (Stephani Vasens. der Eremitage no. 440; 444; 446; 447; 450; u. a. m.).

Wie diese Art von Ausgussgefässchen, die im Kunsthandel jetzt bald äoxoi bald gutti
genannt wurden, von den Alten geheissen wurden, wissen wir nicht; vielleicht hatten sie über-
haupt keinen eigenen Namen.

V4; Brit. Mus. Cat. of Vases II pl.X, cccvm; Stephani Petersb. Yas. II 73; Heydeniann Neap. Yas. III 1S2; Jatta
Cat. II 13; und öfter.

102) Drittes Hall. Progr. S. 43 zu no.41 ff. und S.55.

103) Vgl. dieselbe zB. bei Levezow a. a. O. VIII170 und 171; Stephani a. a. 0. II 72 und 74; Brit. Mus. 1. e
X,cccix und cccxn; Neap. Vasens. III 183; und öfter. Doch sind auch noch andere verwandte Gefässfornien zu
beachten: zB. Levezow no. 191 — 197; Stephani no. 71; Brit. Mus. no. cccxni; u. a. m.

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