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Heydemann, Heinrich
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 12): Pariser Antiken — Halle, 1887

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https://doi.org/10.11588/diglit.5999#0009
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gänzt21. Aber dies kann doch nur Zufall sein —
ein Blick auf die Tarral'sche Herstellung dünkt
mich das zu beweisen! Denn ganz abgesehen
von der verfehlten Stellung der linken Hand —
deren innere Bandfläche, um den Apfel deutlich
zu zeigen, nach vorn gradeaus gewendet sein
niusste, etwa so wie C4eskel Saloman die Haltung
der linken Hand restauriert hat (La statue de
Milo II Fig. 136 —141) — ist vor allen Dingen
die Beziehung der Hernie zur Figur zu locker
oder gradezu nichtig und bedeutungslos: es fehlt
jegliche Wechselbeziehung zwischen den Beiden,
wie sie bei einer griechischen Gruppe, zumal von
einem Copisten der Venus Milo, doch zu fordern
ist; auch ist die Hernie zu niedrig und winzig
gegenüber der gar nicht auf sie Bezug nehmen-
den Schönheitsgöttin und rechtfertigt die geringere
Ausführung ihrer linken Seite wenig oder viel-
mehr gar nicht. Dies Alles würde ja die Figur
eines Ares thun, mag Aphrodite ihn nun vertrau-
lich umarmen (Quatremere de Quincy Iiavaisson
u. A.) oder prüde abweisen (Veit Valentin). Da-
gegen sprechen zunächst im Allgemeinen der Um-
fang des Loches sowie die Kürze der Basis, da
Beides für eine zweite ausgewachsene Gestalt ab-
solut zu klein ist. Im Besondern aber hindert
die Liebesgruppe mit dem Kriegsgott die Haltung
des Oberkörpers der Göttin, welcher mehr vor-
gebeugt sein müsste, um die linke Hand mit der
Frucht über des Ares linker Schulter sichtbar
zum Vorschein kommen zu lassen22: vgl. die er-
haltenen grossen23 Gruppen mit Ares in Florenz
im Capitol und im Louvre (abg. Clarac Venus

21) Vgl. Goeler a. a. 0. Taf. 4; Saloman L c. II Fig.
135; lt. ü.

22) Vgl. auch Kekule Deutsche Litteratur-Zeitung
1880 S. 18 f.

23) Kleinere Wiederholungen zB. im Museo Chiara-
nionti no. 370 (Beschr. Horns II 2 S. 03, 368); in Villa
Borghese (Beschr. Horns III 3 S. 251, 3); u. a. m.

I Victrix pL II = Mus. de Sc. 326, 1431; 634, 1428

j und 1430; u. ö.)24. Für Valentin's Ergänzung aber
spricht durchaus Nichts, denn dann müsste die
Bewegung der Göttin um ebensoviel energischer
und aufgeregter sich darbieten, als sie in Wirk-
lichkeit ruhig und gehalten uns gegenübersteht;
auch ist die Darstellung, "in welcher (wie Wol-
ters25 treffend bemerkt) antike Künstler sonst nur
Nymphen mit den lüsternen Satyrn und Panen
vorführen', für eine Aphroditenfigur, noch dazu
über Lebensgrösse, ganz unglaublich. Endlich ist
noch Overbecks Ergänzung«Vorschlag18 zu be-
rücksichtigen, welcher der zweiten Forderung ge-
recht zu werden sucht, indem er zur Linken der
Göttin einen kurzen Pfeiler setzt, auf dem der
untere Band eines von der linken Hand oben ge-
haltenen Schildes aufliegt [vgl. dazu zB. die Ko-
rinthische Mttnzdarstellung, welche soeben Imhoof-
Blumer und Gardner veröffentlicht haben: Journ.
of hell. Stud. VIII pi. 78 FF 16]; die gesenkte
rechte Hand aber fasst das Gewand über dem
linken Oberschenkel, um es an weiterem Herab-
gleiten zu hindern. Sehe ich von der unge-
rechtfertigten Nichtberücksichtigung des Apfels
einmal ab, so erheben sich bei mir gegen diese
Ergänzung die folgenden zweierlei Bedenken:
zuerst, dass die Richtung des Blicks, welcher ein
wenig nach links herunterjreht27, nicht um sich zu
spiegeln in den Schild hineintrifft — damit scheint

; mir die Schildhaitang des Zweckes beraubt, dem
sie dienen soll und. wie ich Overbeck (a. a. 0.

| S. 337 ff.) anstandslos zugebe, nach griechischer
Auffassung sehr wol dienen könnte, (vgl. vor Allein
Apoll. Bhod. Arg. I 742 ss); dann sprechen vor
Allem die Lage der rechten Hand, für die auch

24) Vgl. dazu Bernoulli Aphrodite S. 162 ff.

25) Friederichs-Wolters Berl. Abg. S. 502.
20) Gesch. griech. Plast.» II S. 330.

27) Hencke a. a. 0. S. 225.
 
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