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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 17): Die Iliupersis des Polygnot — Halle a. S., 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.6003#0033
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Diderot, Goethe, Caylus. 09.

stellt er die Verbindung zwischen den beiden Abteilungen aufs bestimmteste her und trifft den
Charakter der rechten Seite des Bildes weit richtiger als Tansanias. Wohl sind es zwei Ab-
teilungen, wie Goethe sagt, aber nicht geschieden, sondern eng in einander verflochten, untrenn-
bare Glieder eines Ganzen: wohl ist es ein einziges Bild, wie Diderot meint, aber genau wie die
Nekyia hat dieses eine Bild zwei Centren, um die sich zwei ungleiche Abteilungen gruppieren, die
aber durch die Eckseenen wieder zu einer Einheit zusammengefasst werden.

Die Gliederung der Composition in zwei Abteilungen mnsste von vorn herein durch die Er-
wähnung der trojanischen Mauer als gegeben erscheinen. Alle Figuren, die vorher aufgezählt werden,
müssen sich, das schien die nnabweisliche Annahme, ausserhalb der Stadt, alle später genannten
im Innern der Stadt befinden. Und die Bemerkung des Tansanias, dass bis zu dem Pferde neben
Nestor der Meeresstrand durch kleine Steinchen augedeutet sei, von da ab aber das Meer aufhöre,
konnte nur als Bestätigung dieser Annahme erscheinen. Aber bei dem praktischen Versuch ergab
sich alsbald eine unüberwindliche Schwierigkeit. Zu den nach der Mauer erwähnten, also in der
Stadt befindlichen Figuren gehört auch Neoptolemos; und doch setzt diesen die Beschreibung mit
dem ausserhalb der Mauer befindlichen Pferde in unmittelbarste Verbindung: xar sv&v 61 xov 'i'jtjtov
jretp« Tf<) AtGTOQi Xeo.-txöj.tijoz (XXVI3). An diesem scheinbaren Widerspruch mussten die ersten
Keconstructionsversuche scheitern. Caylus wusste sich nicht anders zu helfen, als durch die An-
nahme, dass der Nestor neben dem Pferde und der Nestor neben Neoptolemos zwei verschiedene
Figuren seien und dass die Benennung Nestor in dem einen der beiden Fälle auf Textverderbnis
beruhe. So lässt er denn ausserhalb der Mauer, die bei ihm schnurstracks auf den Beschauer zu-
laufend das Bild in zwei fast gleiche Teile zerlegt, neben dem sich wälzenden Pferd einen
jugendlichen Helden anbringen, der mit Hut und Mantel bekleidet in theatralischer Pose einen
Speer hält und den gefangenen Trojanerinuen etwas vorzudeclamieren scheint, und innerhalb der
Mauer ganz im Hintergrund der Stadt weist er dem Neoptolemos seinen Platz an, den le Lorrain
ihm aus Versehen zweimal zeichnet, erst im Kampfe mit Elasos und dann nochmals im Kampfe mit
Astynoos; daneben stellt er den Nestor und hinter diesen das hölzerne Pferd; denn dieses versteht
er, wie schon vor ihm Facius und nach ihm mancher andere, unter dem bei bei Beschreibung des
Neoptolemos erwähnten Ross. So glaubt er den Worten xax' tvtiv dt xov 't'xjtov jiaQa tw Ntoxogi,
wie er in seinem Texte übereinstimmend mit den Handschriften las, gerecht zu werden. Aber gleich-
zeitig setzt er sich mit den Worten ävi/n de vjrto avxmv xtrpaZi) xov ijijiov (i6v?j xov dovotiov
in Widerspruch; denn vjt'tQ avxojv — Caylus las noch diese Corruptel — könnte doch nur auf die
vorhergenanuten Figuren, also auf Epeios und die troischen Frauen bezogen werden, nicht auf die
erst im Folgenden beschriebenen Heerführer am Altar und auf Neoptolemos, wie es nach der Ke-
construction des Caylus geschehen müsste. und von dem Pferde sieht man leider nicht nur den
Kopf, sondern auch den ganzen Hals und deu grössten Teil des Leibes.

Dieser Stelle wird der erste Entwurf der Kiepenhausen weit besser gerecht; zwar zer-
schneidet auch bei ihnen die Mauer das Bild in zwei Hälften und läuft, wenigstens in ihrem unteren
Teil, gerade auf den Beschauer zu, aber die richtig erkannte Uebereiuanderstellung der Figuren und
die dadurch bedingte Annahme eines aufsteigenden Terrains gestattete es, die Mauer in ihrem
oberen Teil eine kleine Ausbiegung nach rechts machen zu lassen; damit war zugleich die Möglich-
 
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