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III. Das Bild.
Königssöhne und entsetzten Königstöchter zur höchsten Tragik gesteigerte Darstellung klingt in einer
Scene voll stiller Wehmut leise aus.
Die Verbindung dieser Eckscenen mit der Mitte ist, wie bei der Nekyia, dadurch hergestellt,
dass einzelne Figuren wie zungenartige Ausläufer in die nächsten Gruppen hineinragen und auch
inhaltlich mit diesen in Beziehung gesetzt werden. Von der Antenorgruppe greift die Leiche
des Agenor weit nach rechts hinein, wo sie mit den übrigen Leichen eng verbunden wird; denn
unter ihr liegt Koroibos, neben ihr Axion und Uber ihr Eresos, der seinerseits wieder in die Antenor-
gruppe hineinreicht. Auf der rechten Seite ist die Verklammerung noch fester; denn die Sclavinnen
und Helenos. die zu dem Zelte des Neoptolemos gehören, sind aufs engste mit der Helena verknüpft.
Aber nicht nur in sich selbst zeigt die Composition diesen wundervoll harmonischen Auf bau:
es ist auch mit grosser Kunst darauf Bedacht genommen, dass das Bild im Ganzen wie im Einzelnen
seinem Gegenstück, der Nekyia, entspreche, wobei sich eine neue Reihe feiner Bezüge erschliesst
und doch die Gefahr eines frostigen »Schematismus aufs geschickteste vormieden wird. Schon Brunn
hat (Künstlergesch. II 35) diese Responsion der beiden Bilder divinatorisch erkannt, und die Ueber-
einstimmung in der Composition und der (wenn der Ausdruck gestattet ist) Topographie ist uns
schon wiederholt S. 45. 46. 67. 69 entgegengetreten. Jetzt aber gilt es die Vergleichung im Zusammen-
hang durchzuführen, wobei wir billig mit der inneren grösseren Abteilung der Bilder beginnen.
Hier die Burg von Troja. dort der Hain der Seligen, hier die Seherin Apollons in Todesangst,
dort der Sänger Apollons in der Verklärung. Aber während in der Nekyia der das Centrum bil-
dende Orpheus in die Mitte der Bildfläche gesetzt ist und die zu beiden Seiten dieser Hauptfigur
correspondierenden Reihen der aehaeischen und trojanischen Helden etwas tiefer auf den unteren
Teil des Bildes gestellt sind, ist in der Iliupersis Kassandra hoch oben angebracht und mit ihr
die correspondierenden Reihen der griechischen Heerführer, die auch hier wieder etwas tiefer stehen
als die Mittelfigur. Im Einzelnen entsprechen die den Würfelspielern zuschauenden Achaeer den
Heerführern um Kassandra, wobei beide Male Aias der Lokrer an hervorragender Stelle erscheint,
und die trauernden Trojaner in der Unterwelt der Gruppe getöteter Trojaner am Fusse des
Burgberges.
Mit dem Strandhügel der Iliupersis correspondiert in der äusseren Abteilung der Nekyia der
Heroinenberg; liier entsprechen einander, und zwar diesmal auch in gleicher Höhe angebracht, Phaidra:i)
und Helena, beide umgeben von zuschauenden oder bewundernden Frauen, von denen wieder Briseis,
Iphis und Diomede mit Ariadne, Leda und Iphimedeia correspondieren.
Dass in den anschliessenden Gruppen die knidischen Mädchen samt ihren Zuschauerinnen
Megara und Klymene mit Andromache und Astyanax. vor denen Medesikaste und Polyxena in
tiefer Trauer stehen, correspondieren. ist schon oben S. 69 hervorgehoben worden. Demophon steht
seinem Vater Theseus gerade gegenüber. Weiter entsprechen einander, wie schon S. 69 gezeigt, Nestor
und Antikleia, beide von der äusseren Abteilung ihres Bildes zur inneren vorschreitend, beide also
die Verbindung der beiden Teile dem Beschauer nachdrücklich vor Augen führend, nur dass ähnlich
3) Es hätte im vorigen Programm noch besonders hervorgehoben werden müssen, dass Phaidra diesen ganz
hervorragenden Platz vor Allem als Repräsentantin von Kreta, der alten Heimat der Knidier (Nekyia S. 81), erhalten hat.
III. Das Bild.
Königssöhne und entsetzten Königstöchter zur höchsten Tragik gesteigerte Darstellung klingt in einer
Scene voll stiller Wehmut leise aus.
Die Verbindung dieser Eckscenen mit der Mitte ist, wie bei der Nekyia, dadurch hergestellt,
dass einzelne Figuren wie zungenartige Ausläufer in die nächsten Gruppen hineinragen und auch
inhaltlich mit diesen in Beziehung gesetzt werden. Von der Antenorgruppe greift die Leiche
des Agenor weit nach rechts hinein, wo sie mit den übrigen Leichen eng verbunden wird; denn
unter ihr liegt Koroibos, neben ihr Axion und Uber ihr Eresos, der seinerseits wieder in die Antenor-
gruppe hineinreicht. Auf der rechten Seite ist die Verklammerung noch fester; denn die Sclavinnen
und Helenos. die zu dem Zelte des Neoptolemos gehören, sind aufs engste mit der Helena verknüpft.
Aber nicht nur in sich selbst zeigt die Composition diesen wundervoll harmonischen Auf bau:
es ist auch mit grosser Kunst darauf Bedacht genommen, dass das Bild im Ganzen wie im Einzelnen
seinem Gegenstück, der Nekyia, entspreche, wobei sich eine neue Reihe feiner Bezüge erschliesst
und doch die Gefahr eines frostigen »Schematismus aufs geschickteste vormieden wird. Schon Brunn
hat (Künstlergesch. II 35) diese Responsion der beiden Bilder divinatorisch erkannt, und die Ueber-
einstimmung in der Composition und der (wenn der Ausdruck gestattet ist) Topographie ist uns
schon wiederholt S. 45. 46. 67. 69 entgegengetreten. Jetzt aber gilt es die Vergleichung im Zusammen-
hang durchzuführen, wobei wir billig mit der inneren grösseren Abteilung der Bilder beginnen.
Hier die Burg von Troja. dort der Hain der Seligen, hier die Seherin Apollons in Todesangst,
dort der Sänger Apollons in der Verklärung. Aber während in der Nekyia der das Centrum bil-
dende Orpheus in die Mitte der Bildfläche gesetzt ist und die zu beiden Seiten dieser Hauptfigur
correspondierenden Reihen der aehaeischen und trojanischen Helden etwas tiefer auf den unteren
Teil des Bildes gestellt sind, ist in der Iliupersis Kassandra hoch oben angebracht und mit ihr
die correspondierenden Reihen der griechischen Heerführer, die auch hier wieder etwas tiefer stehen
als die Mittelfigur. Im Einzelnen entsprechen die den Würfelspielern zuschauenden Achaeer den
Heerführern um Kassandra, wobei beide Male Aias der Lokrer an hervorragender Stelle erscheint,
und die trauernden Trojaner in der Unterwelt der Gruppe getöteter Trojaner am Fusse des
Burgberges.
Mit dem Strandhügel der Iliupersis correspondiert in der äusseren Abteilung der Nekyia der
Heroinenberg; liier entsprechen einander, und zwar diesmal auch in gleicher Höhe angebracht, Phaidra:i)
und Helena, beide umgeben von zuschauenden oder bewundernden Frauen, von denen wieder Briseis,
Iphis und Diomede mit Ariadne, Leda und Iphimedeia correspondieren.
Dass in den anschliessenden Gruppen die knidischen Mädchen samt ihren Zuschauerinnen
Megara und Klymene mit Andromache und Astyanax. vor denen Medesikaste und Polyxena in
tiefer Trauer stehen, correspondieren. ist schon oben S. 69 hervorgehoben worden. Demophon steht
seinem Vater Theseus gerade gegenüber. Weiter entsprechen einander, wie schon S. 69 gezeigt, Nestor
und Antikleia, beide von der äusseren Abteilung ihres Bildes zur inneren vorschreitend, beide also
die Verbindung der beiden Teile dem Beschauer nachdrücklich vor Augen führend, nur dass ähnlich
3) Es hätte im vorigen Programm noch besonders hervorgehoben werden müssen, dass Phaidra diesen ganz
hervorragenden Platz vor Allem als Repräsentantin von Kreta, der alten Heimat der Knidier (Nekyia S. 81), erhalten hat.