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Robert, Carl
Hallisches Winckelmannsprogramm (Band 18): Die Marathonschlacht in der Poikile: und weiteres über Polygnot — Halle a. S., 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.6004#0111
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Gestalt der Lesche.

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haben — denn in der That hat bereits er, wie ich jetzt sehe, die Frage vollkommen gelöst —, so freue
ich mich doch andererseits, bei meinem Rekonstruktionsversuch ahnungslos in allen wesentlichen Punkten
mit seinem S. 26 gegebenen Schema zusammengetroffen zu sein. Die Zuversicht zu der Richtigkeit
der Rekonstruktion wird dadurch erheblich gesteigert, dass ich ohne Kenntnis der Arbeit von Michaelis
zu ähnlichen Resultaten gelangt bin. Um so mehr hatte ich Ursache, den einzigen prinzipiellen Punkt,
in dem ich von Michaelis abweiche, die Frage nach der Gestalt der Lesche, einer sorgfältigen Nach-
prüfung zu unterziehen. Nun ist es zwar eine heikle Sache, in einer Zeit, wo binnen kurzem die
Auffindung wenigstens der Fundamente der Lesche zu hoffen ist, nach der einen oder anderen Seite
hin ein bestimmtes Urtheil abzugeben, wie denn auch Schöne sich mit der Erklärung begnügt, dass
über die Gestaltung des Gebäudes nichts sicheres bekannt sei. Dennoch spreche ich offen aus, dass ich
nach nochmaliger Erwägung aller Momente auch jetzt wieder zu demselben Resultate gekommen bin,
wie früher. Ich lasse die zwischen den beiden Gemälden bestehende Responsion ganz beiseite, obgleich
dieselbe weder auf einer „vorgefassten Meinung'' beruht noch „herausgeklügelt" ist, sondern sich mir
erst während der Arbeit zu meiner eigenen Ueberraschung ungesucht ergeben hat. Ich halte mich
lediglich an die Zeugnisse. Da finde ich denn bei Pausanias X 25, 1 (lliupersis S. 1, 2. S. 2, 6)
zweimal die Bezeichnung ot/.^u«,3) bei Plinius XXXV 59 aedes; auch er las also in seiner griechi-
schen Quelle oi/.r(ua oder oT/.og: das ist aber um so bedeutsamer als gleich unmittelbar darauf die
Poikile erwähnt und nicht als aedes, sondern als porticus bezeichnet wird: hie Delphis acdem pinxit,
hic et Athenis porticum quae Poecile vocatur gratuito. Das wäre doch sehr seltsam, wenn die Lesche
die von Michaelis, Schreiber und Weizsäcker angenommene Gestalt gehabt, also gleichfalls eine porti-
cus gewesen wäre. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass Schubart Recht hat, wenn er in h'oyij
nur eine Bezeichnung für die Bestimmung der Anlage und nicht für eine bestimmte Form von Ge-
bäuden sieht. Sehr wohl konnte dann auch eine Unterhaltungszwecken dienende Stoa als htoyrj be-
zeichnet werden; aber dass jemals ein Grieche eine avod als oiy.rjf.ta oder ein Römer eine porticus

3) Auch Schol. Od. a 328 (danach Eustath. p. 1849, 1) kehrt in der Definition der Lesche ofx^u« wieder. Ich
lege aber hierauf absichtlich kein Gewicht, da die Bezeichnung, ebenso wie das tonov irjfiuniov uOvnmjov offenbar ledig-
lich aus den Odysseversen

otd" i&i'i.tt; tiötiv yu).xi]iov i± Suiiov hX&iw
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erschlossen ist. "Wenn der Bettler angewiesen wird, in einer Lesche sich Nachtquartier zu suchen, so rnuss diese nicht
nur ein öffentliches, sondern auch ein jederzeit offenes, also unverschlossenes Gebäude gewesen sein. So löst sich auch
der scheinbare, viel erörterte Widerspruch mit Plutarch (/. dcf. orac. 6 p. 412 D, der für die delphische Lesche aus-
drücklich Thüren bezeugt. Ebenso beruht die Definition des Neoptolomos livofiu tdXrjg lv 5 71 0q iativ auf den
Hesiodisohen Versen "Enyu 492

nun <f" i(H yu>.xtiov ilüxov xtei tnultu 'l.i(iyt\v
iiint] ytiuini>\, öhoti xquo, üvtnu inyoiv
layicvii.

Etwas besseren Schlages ist vielleicht die von Sittl aufgewiesene Notiz des Et. M. 561, 12 nuoü HoivnoTi tu xolvü
ieuivijrfjoia. Ueber die ursprüngliche Bestimmung der Leschen handelt schön und überzeugend Dümmler Delphika S. 23.

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