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ich beim Diskobol der Sala dclla biga, der bei aller Aehnlichkeit der Stellung, die hier indessen durcli
die Situation motiviert ist, doch einen wesentlich anderen Kßpftypus zeigt.
Furtwällgier selbst hat in seinen Meisterwerken S. 578 ff. aus der Fülle seiner Monumenten-
kenntnis heraus eine ganze Reihe von Statuen für Euphranor in Anspruch genommen und nach ihnen
die Eigenart des Künstlers zu bestimmen gesucht. Von diesen könnte der Dionysos von Tivoli, von
dessen stilistischer Anah'se Furtwängler ausgeht, wohl mit dem „Ares" zusammengehen. Die Haltung
der Arme ist zwar vertauscht, im übrigen aber dieselbe, die Ponderation verwandt, nur dass das
eine Bein nicht vorwärts, sondern zur Seite gestellt ist, die Haltung des Kopfes und des Körpers sehr
ähnlich, nicht minder die Formengebimg, nur dass beim Dionysos alles viel weichlicher, fast weiblich
ist. Von beinah verblüffender Aehnlichkeit sind beide Figuren in der Profilansicht von der rechten
Seite, und ganz besonders mag noch auf ein Detail, die über die Schläfe herabfallende Locke, hinge-
wiesen werden, wenn sie auch bei Dionysos bedeutend kleiner gebildet ist, als beim „Ares". Jedenfalls
ist die Uebereinstimmung des Dionysos mit dem Ares mindestens ebenso gross, wie mit dem Bronce-
Apollo des Britischen Museums und der Dresdener Statue, die Furtwängler mit jenem zusammenstellt.
Die erste Gruppe, der von Furtwängler dem Euphranor zugewiesenen Werke, die von ihm
auf das Schema des Idolino zurückgeführt wird, kann also neben dem „Ares" diesem Meister sehr
wohl gelassen werden; ja sie würde, falls sich Furtwänglers Zuweisung mit der Zeit noch zu grösserer
Evidenz bringen Hesse, unserer Ansicht zur Bestätigung dienen können.
Von der zweiten Gruppe, die Furtwängler einer früheren Periode des Künstlers zuschreibt und
an deren Spitze er den von ihm als Apollon Patroos angesprochenen sog. Adonis des Capitolinischen
Museums stellt, ist der Ares Borghese allerdings recht verschieden. Aber auch hier ist die A7erschie-
denheit nicht grösser, als sie zwischen den beiden Gruppen überhaupt besteht und von Furtwängler
selbst zugestanden wird. "Wer dem Euphranor zutraut, dass er sowohl den Dionysos von Tivoli als
den Adonis geschaffen hat, wird ihm auch den Ares lassen können. Ist doch die Zurückführung auf
Euphranor bei dieser Gruppe nur um den Preis der immerhin gewagten Hypothese zu gewinnen ge-
wesen, dass sich das Urtheil des Xenokrates nur auf die erste jüngere Reihe beziehe, für die zweite
ältere aber nicht gelte. Aber selbst wenn Furtwängler auch hier, wie in so vielen Fällen, das Rich-
tige gesehen haben sollte, — die Zeit wird hierüber wie über viele andere Fragen, die in jenem
einen gewaltigen Fortschritt unserer Wissenschaft bedeutenden Werke angeregt worden sind, das letzte
Wort zu sprechen haben —, darauf muss ich schon jetzt bestehen, dass der von Furtwängler dieser
zweiten Gruppe zugezählte weichlich schwärmerische Jünglingskopf mit der phrygischen Mütze, das uns
in mannigfachen Brechungen erhaltene Parisideal der hellenistischen und der römischen Zeit, mit
Euphranor nichts zu thun haben, nicht der berühmte Paris des Euphranor sein kann. Mag man
den epigrammatischen oder richtiger rhetorischen Kunsturtheilen noch so viel Uebertreibungen zutrauen,
ihre Pointe wird man ihnen doch lassen müssen. Wer aber würde seine Betrachtung dieses ganz in
Liebessehnsucht aufgehenden Kopfes mit dem Ausruf schliessen: et tarnen interfector Achülis? Darin
hat Furtwängler ja gewiss Recht; von dem Paris des Euphranor müssen Nachbildungen erhalten sein;
aber er durfte nicht unter den jugendlichen Köpfen mit phrygischer Mütze nach ihnen suchen. Der
ich beim Diskobol der Sala dclla biga, der bei aller Aehnlichkeit der Stellung, die hier indessen durcli
die Situation motiviert ist, doch einen wesentlich anderen Kßpftypus zeigt.
Furtwällgier selbst hat in seinen Meisterwerken S. 578 ff. aus der Fülle seiner Monumenten-
kenntnis heraus eine ganze Reihe von Statuen für Euphranor in Anspruch genommen und nach ihnen
die Eigenart des Künstlers zu bestimmen gesucht. Von diesen könnte der Dionysos von Tivoli, von
dessen stilistischer Anah'se Furtwängler ausgeht, wohl mit dem „Ares" zusammengehen. Die Haltung
der Arme ist zwar vertauscht, im übrigen aber dieselbe, die Ponderation verwandt, nur dass das
eine Bein nicht vorwärts, sondern zur Seite gestellt ist, die Haltung des Kopfes und des Körpers sehr
ähnlich, nicht minder die Formengebimg, nur dass beim Dionysos alles viel weichlicher, fast weiblich
ist. Von beinah verblüffender Aehnlichkeit sind beide Figuren in der Profilansicht von der rechten
Seite, und ganz besonders mag noch auf ein Detail, die über die Schläfe herabfallende Locke, hinge-
wiesen werden, wenn sie auch bei Dionysos bedeutend kleiner gebildet ist, als beim „Ares". Jedenfalls
ist die Uebereinstimmung des Dionysos mit dem Ares mindestens ebenso gross, wie mit dem Bronce-
Apollo des Britischen Museums und der Dresdener Statue, die Furtwängler mit jenem zusammenstellt.
Die erste Gruppe, der von Furtwängler dem Euphranor zugewiesenen Werke, die von ihm
auf das Schema des Idolino zurückgeführt wird, kann also neben dem „Ares" diesem Meister sehr
wohl gelassen werden; ja sie würde, falls sich Furtwänglers Zuweisung mit der Zeit noch zu grösserer
Evidenz bringen Hesse, unserer Ansicht zur Bestätigung dienen können.
Von der zweiten Gruppe, die Furtwängler einer früheren Periode des Künstlers zuschreibt und
an deren Spitze er den von ihm als Apollon Patroos angesprochenen sog. Adonis des Capitolinischen
Museums stellt, ist der Ares Borghese allerdings recht verschieden. Aber auch hier ist die A7erschie-
denheit nicht grösser, als sie zwischen den beiden Gruppen überhaupt besteht und von Furtwängler
selbst zugestanden wird. "Wer dem Euphranor zutraut, dass er sowohl den Dionysos von Tivoli als
den Adonis geschaffen hat, wird ihm auch den Ares lassen können. Ist doch die Zurückführung auf
Euphranor bei dieser Gruppe nur um den Preis der immerhin gewagten Hypothese zu gewinnen ge-
wesen, dass sich das Urtheil des Xenokrates nur auf die erste jüngere Reihe beziehe, für die zweite
ältere aber nicht gelte. Aber selbst wenn Furtwängler auch hier, wie in so vielen Fällen, das Rich-
tige gesehen haben sollte, — die Zeit wird hierüber wie über viele andere Fragen, die in jenem
einen gewaltigen Fortschritt unserer Wissenschaft bedeutenden Werke angeregt worden sind, das letzte
Wort zu sprechen haben —, darauf muss ich schon jetzt bestehen, dass der von Furtwängler dieser
zweiten Gruppe zugezählte weichlich schwärmerische Jünglingskopf mit der phrygischen Mütze, das uns
in mannigfachen Brechungen erhaltene Parisideal der hellenistischen und der römischen Zeit, mit
Euphranor nichts zu thun haben, nicht der berühmte Paris des Euphranor sein kann. Mag man
den epigrammatischen oder richtiger rhetorischen Kunsturtheilen noch so viel Uebertreibungen zutrauen,
ihre Pointe wird man ihnen doch lassen müssen. Wer aber würde seine Betrachtung dieses ganz in
Liebessehnsucht aufgehenden Kopfes mit dem Ausruf schliessen: et tarnen interfector Achülis? Darin
hat Furtwängler ja gewiss Recht; von dem Paris des Euphranor müssen Nachbildungen erhalten sein;
aber er durfte nicht unter den jugendlichen Köpfen mit phrygischer Mütze nach ihnen suchen. Der