VORRANG DER GEMÄLDE M!T VIELEN ODER WENIGEN FIGUREN 35
gend zur Darstellung bringt. Die rhythmisch tanzartige Bewegung der Jüng-
lingsschar erinnert an ähnliche Gruppen schlanker Tänzer in den Baccha-
nalen des Nicolas Poussin aus den 30er Jahren. Mit der von Audran ge-
stochenen Komposition hängt wiederum eine unter den Zeichnungen Ma-
rattis in Windsor (Nr. 4279) aufbewahrte Rötelstudie Sacchis zusammen, die
einen bärtigen Beckenschläger darstellt (Abb. 7). Es ist ein für Sacchi beson-
ders bezeichnendes Blatt, nicht nur durch den Reiz seiner weichen lockeren
Zeichenweise, sondern vor allem durch den klaren tektonischen Aufbau,
der die freie feurige Bewegung der Eigur mit dem Hintergrund durch ein
netzartiges System senkrechter, horizontaler und diagonaler Richtungs-
linien zusammenschließt.
Als im Jahre 1634 Pietro da Cortona der Ehrenposten eines „principe"
der Accademia di S. Luca in Rom zuteil wurde (ein Amt, das er bis 1638
innehatte), kam er auf den Gedanken, die Disputationen über Kunstfragen,
wie sie einst der Gründer der Akademie, Federico Zuccari, eingeführt hatte,
wieder ins Leben zu rufen. Missirini teilt aus den Akten der Akademie
einige Gegenstände mit, die damals zur Verhandlung gelangt sind^). So
besprach man sich über die Gestalt der Kuppeln: ob die Kuppelform des
Pantheon oder die mit Laterne den Vorzug verdiene. Vor allem aber
erörterte man ein besonders zeitgemäßes Thema, die Frage „über den Vor-
rang der Gemälde mit vielen oder wenigen Figuren".
Cortona selbst und die meisten anderen vertraten die Forderung der
„magnificenza de' grandi dipinti". Die gegnerische Seite verteidigte die
Einfachheit der Gemälde. Das Auge werde ermüdet durch die große Fülle,
das gemalte Bild müsse mit der Tragödie wetteifern, die umso Lobes
würdiger sei, mit je weniger handelnden Personen sie ihre Wirkung erziele.
Die Schönheit der Werke des Genius beruhe auf ihrer Einfachheit und
Einheitlichkeit. Demgegenüber machte Cortona geltend: die Heranziehung
der Tragödie durch die Gegenpartei schließe es nicht aus, das man die
Malerei mit einem schönen Epos vergleiche. Dem umfangreichen und groß-
artigen Vorwurfe müsse nur die Durchführung angemessen sein. Wie im
Epos müsse man also Episoden mit der Haupthandlung verweben, da sie
der Aktion erst jene wohlgefällige Reichhaltigkeit gewährten, andrerseits
3*
h Memorie per servire alla storia deila Romana Accademia di S. Luca, Roma 1823, Ulf.
gend zur Darstellung bringt. Die rhythmisch tanzartige Bewegung der Jüng-
lingsschar erinnert an ähnliche Gruppen schlanker Tänzer in den Baccha-
nalen des Nicolas Poussin aus den 30er Jahren. Mit der von Audran ge-
stochenen Komposition hängt wiederum eine unter den Zeichnungen Ma-
rattis in Windsor (Nr. 4279) aufbewahrte Rötelstudie Sacchis zusammen, die
einen bärtigen Beckenschläger darstellt (Abb. 7). Es ist ein für Sacchi beson-
ders bezeichnendes Blatt, nicht nur durch den Reiz seiner weichen lockeren
Zeichenweise, sondern vor allem durch den klaren tektonischen Aufbau,
der die freie feurige Bewegung der Eigur mit dem Hintergrund durch ein
netzartiges System senkrechter, horizontaler und diagonaler Richtungs-
linien zusammenschließt.
Als im Jahre 1634 Pietro da Cortona der Ehrenposten eines „principe"
der Accademia di S. Luca in Rom zuteil wurde (ein Amt, das er bis 1638
innehatte), kam er auf den Gedanken, die Disputationen über Kunstfragen,
wie sie einst der Gründer der Akademie, Federico Zuccari, eingeführt hatte,
wieder ins Leben zu rufen. Missirini teilt aus den Akten der Akademie
einige Gegenstände mit, die damals zur Verhandlung gelangt sind^). So
besprach man sich über die Gestalt der Kuppeln: ob die Kuppelform des
Pantheon oder die mit Laterne den Vorzug verdiene. Vor allem aber
erörterte man ein besonders zeitgemäßes Thema, die Frage „über den Vor-
rang der Gemälde mit vielen oder wenigen Figuren".
Cortona selbst und die meisten anderen vertraten die Forderung der
„magnificenza de' grandi dipinti". Die gegnerische Seite verteidigte die
Einfachheit der Gemälde. Das Auge werde ermüdet durch die große Fülle,
das gemalte Bild müsse mit der Tragödie wetteifern, die umso Lobes
würdiger sei, mit je weniger handelnden Personen sie ihre Wirkung erziele.
Die Schönheit der Werke des Genius beruhe auf ihrer Einfachheit und
Einheitlichkeit. Demgegenüber machte Cortona geltend: die Heranziehung
der Tragödie durch die Gegenpartei schließe es nicht aus, das man die
Malerei mit einem schönen Epos vergleiche. Dem umfangreichen und groß-
artigen Vorwurfe müsse nur die Durchführung angemessen sein. Wie im
Epos müsse man also Episoden mit der Haupthandlung verweben, da sie
der Aktion erst jene wohlgefällige Reichhaltigkeit gewährten, andrerseits
3*
h Memorie per servire alla storia deila Romana Accademia di S. Luca, Roma 1823, Ulf.