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DAS DECKENGEMÄLDE DER DtVtNA SAPIENZA
Deckengemäldes auf die Zeitge-
nossen, daß nämlich „die Tief-
sinnigkeit und Zeichnung des
Künstlers höher als das Kolorit
und Gemälde geachtet worden",
ist bezeichnend und zugleich ver-
ständlich für den Parteigänger der
Tenebrosi und Caravaggesken.
Passeri verteidigt das Werk offen-
bar gegen Aussetzungen von dieser
Seite, wenn er „col parere de'
piü sensati ed intelligenti" außer
der vortrefflichen Freskotechnik
mit Wärme die Schönheit und Kraft
der Farbe rühmt, den grandiosen
Eindruck der Komposition, die ge-
wählte Durchbildung im Einzelnen,
die vollendete Zeichnung und den
Stil der Gewandung (certo modo
di disporre le pieghe collo scopri-
mento del nudo). Aber aus den
Äußerungen beider geht hervor,
daß dieses Gemälde den zeitge-
mäßen Forderungen des großen dekorativen Stils wenig entsprochen hat.
Mit Andrea Sacchis Flamen war schon bei den Zeitgenossen die Er-
innerung an seine begeisterte Verehrung für den Hauptmeister der Hoch-
renaissance, für Raffael, verbunden, und das Fresko der „Divina Sapienza"
bestätigt, wie sehr sein Urheber von dem Geiste der Werke Raffaels
durchdrungen ist, deren feierliche Größe, deren übersichtliche gesetzmäßige
Klarheit und edlen bedeutenden Ausdruck er mit den künstlerischen
Tendenzen seiner Zeit in Übereinstimmung zu bringen sich bestrebt hat.
Überraschend und wie ein Klang aus dem „goldenen Saeculum" wirkt
mitten im Aufsteigen der Barockkunst die Klarheit und Einfachheit dieser
Darstellung mit ihrer bedeutsamen Durchbildung und Beseelung der
Einzelfigur, ihrer reinen in der Bildfläche harmonisch ausgewogenen
Farbe. Erinnerungen an Schöpfungen Raffaels wie die „Disputa", die
„Schule von Athen" oder den „Parnaß" tauchen vor diesem Fresko auf.
Raffaels ausdrucksvolle begeisterte Gestalten scheinen Sacchi tief im Ge-
Abb. 13. Sacchi: La Divina Sapienza (Teilstück)
DAS DECKENGEMÄLDE DER DtVtNA SAPIENZA
Deckengemäldes auf die Zeitge-
nossen, daß nämlich „die Tief-
sinnigkeit und Zeichnung des
Künstlers höher als das Kolorit
und Gemälde geachtet worden",
ist bezeichnend und zugleich ver-
ständlich für den Parteigänger der
Tenebrosi und Caravaggesken.
Passeri verteidigt das Werk offen-
bar gegen Aussetzungen von dieser
Seite, wenn er „col parere de'
piü sensati ed intelligenti" außer
der vortrefflichen Freskotechnik
mit Wärme die Schönheit und Kraft
der Farbe rühmt, den grandiosen
Eindruck der Komposition, die ge-
wählte Durchbildung im Einzelnen,
die vollendete Zeichnung und den
Stil der Gewandung (certo modo
di disporre le pieghe collo scopri-
mento del nudo). Aber aus den
Äußerungen beider geht hervor,
daß dieses Gemälde den zeitge-
mäßen Forderungen des großen dekorativen Stils wenig entsprochen hat.
Mit Andrea Sacchis Flamen war schon bei den Zeitgenossen die Er-
innerung an seine begeisterte Verehrung für den Hauptmeister der Hoch-
renaissance, für Raffael, verbunden, und das Fresko der „Divina Sapienza"
bestätigt, wie sehr sein Urheber von dem Geiste der Werke Raffaels
durchdrungen ist, deren feierliche Größe, deren übersichtliche gesetzmäßige
Klarheit und edlen bedeutenden Ausdruck er mit den künstlerischen
Tendenzen seiner Zeit in Übereinstimmung zu bringen sich bestrebt hat.
Überraschend und wie ein Klang aus dem „goldenen Saeculum" wirkt
mitten im Aufsteigen der Barockkunst die Klarheit und Einfachheit dieser
Darstellung mit ihrer bedeutsamen Durchbildung und Beseelung der
Einzelfigur, ihrer reinen in der Bildfläche harmonisch ausgewogenen
Farbe. Erinnerungen an Schöpfungen Raffaels wie die „Disputa", die
„Schule von Athen" oder den „Parnaß" tauchen vor diesem Fresko auf.
Raffaels ausdrucksvolle begeisterte Gestalten scheinen Sacchi tief im Ge-
Abb. 13. Sacchi: La Divina Sapienza (Teilstück)