Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Posse, Hans
Der römische Maler Andrea Sacchi: ein Beitrag zur Geschichte der klassizistischen Bewegung im Barock — Italienische Forschungen, Neue Folge, Band 1: Leipzig, 1925

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34605#0179
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
ZUSAMMENHÄNGE MtT DER KLASSISCHEN TRADtHON

1 46

mehr als ein Dutzend Figuren oder mehr ais drei große Gruppen der Wir-
kung eines Gemäldes nur schadeten und daß zu seiner Schönheit vor allem
majestätische Stihe gehöre^). Auch sonst herrscht in Sacchis Arbeiten ein
überlegtes Maß, Beschränkung auf das Wesentliche. Die Zeichnung, das
sorgfältige Studium des Naturvorbildes hat Sacchi für die Hauptgrundlage
der Malerei erklärt^), ln der Behandlung der menschlichen Gestalt spürt
man den unermüdlichen Zeichner des nackten Körpers, als den ihn die
Berichte rühmen^). Aber seine Auffassung des ,,naturale" hält sich gleich
fern von einfacher ,,Nachahmung" wie von verallgemeinernder Stilisie-
rung, sie geht auf klare Sprache der Formen aus, auf „accuratezza" des
Umrisses. Seine in beträchtlicher Zahl überkommenen Aktstudien, zart
und locker in Rötel oder Kreide behandelt, bringen die bewegte und
maßvoll verkürzte Gestalt in großer geschlossener Form und ohne alle
Schwere, in schlanker Bildung, in einer bis in die Gelenke elastischen Be-
wegung zur Darstellung. Stärker als bei Cortona oder Bernini ist ihre
Standfestigkeit betont und in seinen Kompositionen spielt die unbekleidete
Figur eine wichtigere Rolle als bei Pietro da Cortona. Denn selbst aus
der strengeren Gewandbehandlung spricht im Gegensatz zu dem Meister des
dekorativen Stils dieses Bemühen um ausdrucksvolle Klarheit der Körper-
funktion, und jener allgemeinen Typisierung der Gestalten Cortonas und
seiner Schule setzt Sacchi eine individuellere Auffassung, einen wenn auch
gemäßigten und im Sinne „wahrer Naturschönheit" gereinigten Naturalismus
entgegen. Vor allem in Geste und Mienenspiel sucht er die Wahrheit des
Natureindrucks. Dramatische Aktion und Wiedergabe menschlicher Pas-
sionen sind das Hauptobjekt künstlerischer Darstellung. Aber dieser Maler
meidet jede Übersteigerung von Charakteristik und Ausdruck, die so sehr
im Wesen der Zeit liegt. Er sucht nicht den Affekt, die laute dramatische
Pathetik, sondern die lebendige Wiedergabe aller feineren seelischen Regun-
gen im Spiel von Licht und Farbe. Sein Leitwort gibt die Lektion an seinen
b C. A. Du Fresnoy, L'Art de Peinture, Paris 1673, 156.
bPasseri, 311.
b Passeri, 326: Andrea disegno sempre con grande accuratezza, e curiositä, ne!
modo, e nel!o sti!e di gusto assai raffinato, e profondo; ben e vero che non fu mo!to
copioso, ed abondante ne' componimenti, e nell' Istorie non apparve mo!to ricco, e capric-
cioso; ma fu sempre osservatore del naturale. — Pascoli 1, 19: disegno sempre fino all' ul-
timo di sua vita, con sommo gusto senza staccarsi mai da! naturale; e perciö quelta sin-
cera, e beüa semplicitä, e queüa verita invidiabile, e veneranda, che mostrano generat-
mente tutte l'opere sue in poch'altre si vede; 1 (Vita di Carlo Flaratti), 136; H (Vita di
Paolo Maldini), 458.
 
Annotationen