158
Zllustrrrte Melt.
gänzlich unversehrt, und der Strandvcgt wie auch wir
fanden eS mit Wasser gestillt."
„(5s war dieß kein Trinkwasserfaß?" erkundigte sich
Herr Blomkist.
„Nein, ein Faß zu untcrst im Gütcrraum und mit
Blech beschlagen und ein Rheinwcinfaß jener Mainzer
Firma," lautete die Entgegnung des Agenten.
„Hat mau hier im Hafen etwas bemerkt?" forschte
Herr Blomkist weiter.
„Absolut nichts," antwortete der Agent. „Kurios nur
ist, daß van Heeren vorher schon Wein anderwärts bestellt,
Liesen wieder abbcstcllt hat, daß dennoch der Wein hier cin-
tras — van Heeren schrie und tobte und verkaufte schliess
(ich den Wei» hier billig wieder. Es war dieselbe Quan-
tität, siebenunddreißig Stückfaß ü tausend Liter," ergänzte
der Agent.
Herr Blomkist zeigte sich sehr aufmerksam.
„Ban Heeren hat also nicht den Wein der Mainzer
Firma hier verkauft, sondern den andern, der dazu kam?"
forschte er.
„Ja, diesen," bestätigte der Agent, „sein Schiff war
schon fertig geladen, als der andere Wein ankam."
„An wen hat er den Wein verkauft?" frug der Beamte.
„An Gebrüder Wiese, wie ich erfahren, — van Heeren
sagte mir," berichtete der Agent weiter, „daß er einige
seiner Fässer aufgemacht, den Wein geprüft und genau nach
Vorschrift gefunden habe, alle Fässer babc er, im Vertrauen
auf die bewährte Redlichkeit der Mainzer Firma, nicht ge-
prüft."
„Also hier hat van Heeren die fiebcnunddrcißig Stück-
fässer Rheinwein wieder verkauft," sprach Herr Blomkist
nachdenklich. „Wo wohnen diese Gebrüder Wiese? —
Würden Sie mich dorthin geleiten? — Ich möchte als
Käufer dort erscheinen und mir eine Probe ansbitten. Sic
werden mich verstehen, Herr Paulsen ?" frug der Beamte.
„Die Sache scheint Ihnen also auch zweifelhaft?"
„Ich weiß noch gar nichts, Herr Paulsen, mich inter-
essirt nur der Fall und ich möchte eine Flasche von diesem
Wein in Händen haben," antwortete Herr Blomkist.
Der Agent führte Herrn Blomkist zu Gebrüder Wiese,
— der Beamte kostete den Wein, fand ihn vortrefflich und
erhielt eine Musterflaschc.
„Ich erhalte doch hier keinen andern als den von van
Heeren letzte Wocke Ihnen verkauften Wein ?" versicherte
sich Herr Blomkist.
„Sie haben von diesem Wein, mein Herr, der aller von
einer Qualität ist, — mein Bruder — das Geschäft ist
eines, trotz der getrennten Firma — hat die übrigen Fässer
in seinem Lager," erhielt Herr Blomkist von Herrn M. Wiese
bestätigt.
„Es ist wunderbar," sagte sich Herr Blomkist beim
Nachhausewandeln, „wie ich durch den Fall Sivers auf van
Heeren und durch Sivers wieder auf die Donna Anna und
schließlich wieder auf van Heeren komme. Was ich hier
anfasse, immer kommt der van Heeren zum Vorschein. Nach
Len Erfahrungen, die ich bis jetzt in meinem Berufe ge-
macht habe, ist dieß nicht ohne Bedeutung. Es gibt keinen
Fusall. — Zufall ist ein bequemer Scbild, mit welchem die
Leute Alles hübsch fest bedecken, was sie sich nicht erklären
können. Zufall heißt geheimnißvcller Zusammenhang bei
mir, Ursache und folgerichtige, nothwendige Wirkung. Dem-
nach liegt auf dem Grunde aller dieser trüben Geschichten
van Heeren, und ich werde nach den ersten Regeln unserer
Praxis den Baum bei der Wurzel packen.
„Vielleicht kommt von dort die Aufklärung über all'
jenes, was mir bis jetzt noch höchst dunkel und zweifelhaft
scheint. — Hier sind meine Geschäfte so wie so beendet. —
Sivers liegt im Meer und ist bei den Fischen, woran wohl
kaum zu zweifeln, — der alte schlaue Fuchs in Rotterdam
ist eine alte Bekanntschaft von mir, ich werde, bevor ich
nach Amsterdam gehe — Freund van Heeren besuchen. —
Er soll mir seine Bekanntschaft mit Paul und Las Ende von
Paul Sivers erzählen, denn bievon micb zu unterrichten,
legt mir mein Amt auf — und dann will ich meine Augen
auch noch für den andern Fall mit dem verwandelten Rhein-
wein offen halten, — der Rauck, van Heeren, ist so stark,
daß er zwei Feuer haben muß."
«Fortsetzung folgt.)
Junge Kirgkluk im KoklizeiiMmulk.
(Bild IL7.)
Tie Kirgisen, welche größtentheils unter russischer Oberhoheit
stehen, gehören zu den türkisch-tatarischen stammen, die vom
Norden Turkestans, von der untern Wolga und dem kaspischcn
Meer im Westen bis an die russisch-chinesische Grenze und im
Süden bis gegen den Aralsee und Sir wohnen. Tiefer Land-
strich wird auch die Kirgiscnsteppe genannt. Tic Kirgisen
sprechen türkisch, gehören aber ihrem Aeußern wie ihren
sonstigen Eigcnthümlichkeitcn nach der mongolischen Rasse an.
Geistig stehen sie auf einer niedern stufe, sie sind jedoch ge-
wandt als Reiter, gute Bogenschützen und muthig. Von Charakter
neugierig, habsüchtig und räuberisch, von mittelgroßer, kräftiger
Gestalt, erwariet man nach ihrer Erscheinung von ihnen mehr, als
sie leisten, woran wohl ihre große Trägheit schuld ist. Tie Kir-
gisen wohnen in Filzzelten und sind Viehzüchter. Ihre Heerdcn
bestehen aus grobwolligen Fettschasen, Kameelen und Pferden;
Feldbau betreiben sic wenig. Der größte Thcil der eigentlichen
Arbeit liegt den Frauen ob; jedoch begnügt sich der Kirgise, ob-
wohl er Mohammedaner ist, mit einer Frau. Tiese sind rührig
und fleißig
Unsere Illustration zeigt eines der dunkelfarbigen Kirgisen-
mädchen im Hochzcitsschmuck. Diese Braut gehört zum kirgisischen
Adel, dessen vornehmste Glieder Sultane genannt werden; für sic
mag eine hohe Kaufsumme an Schafen und Kameelen bezahlt worden
sein, wogegen sie ihrem Bräutigam Pferde, ein neues Zelt, Lan-
zen, Luntenflinten, Bogen und Handbeil mitbringen wird. Tic
cigenthümlichc Hochzeitstracht besteht in einer seltsamen perlen-
besetzten, spitzen Fellmütze mit Fcdcrnschmuck, einem Ueberwurs,
der mit der Mütze zusammenhängt und mit bunten Lederfiguren
besetzt ist. Eigenthümlich ist auch die Brosche mit den Perlen-
ketten; die Perlen sind gewöhnlich bunte Glaskügelchen geringer
Waare von russischen Märkten.
8 e e k u n >l 8 j a g il.
«Bild S. IM.)
Wir gaben in Hest 5 der „Jllustr. Welt" unseren Lesern ein
Bild von der Abfahrt der Fischerflotille in St. Johns (Neu-
fundland). Heute wollen wir im Bilde an einer Jagd auf See-
hunde thcilnehmen, welche von der Mannschaft eines dieser schiffe
ausgeführt wird. Tie Seehunde finden sich in den nördlichen
Theilen des Ozeans in ungeheurer Menge. Sie lagern einen
großen Theil des Tages auf Sandbänken und Eisschollen, wo sic
schlafen. Dennoch ist es schwer, diese durch Fell, Thran und
Fleisch wcrthvollen Thiere zu schießen, weil sie außerordentlich
wachsam und vorsichtig sind Tie Seehunde überlassen sich nicht
dem Schlaf, ohne daß einige, meist alte, erfahrene Männchen
wachen. Diese schauen mit erhobenem Kopfe nach allen Richtungen
aus, und bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr geben sie ein
Zeichen durch einen zischenden, knurrenden Ton, worauf mit un-
glaublicher Geschwindigkeit und Gewandtheit die schwerfälligen
Thiere von ihrem Lagerplatz herab in's Wasser sich stürzen,
wo eine Jagd nutzlos wäre, da der Jäger dann die Beute nicht
bekäme Der Seehund muß also auf seinem Lagerplatz über-
rascht und dort tödtlich getroffen werden. Man muß ihn be-
schleichen, was bei dem überaus feinen Gehör dieser Thiere keine
Kleinigkeit ist.
Unsere Illustration zeigt eine Seehundsheerde, welche von den
Jägern glücklich überrascht worden. Vermittelst einiger Boote
näherte man sich lautlos, entgegen der Windrichtung, der schlum-
mernden Heerde und beschoß diese plötzlich Der schrecken unter
den Thieren ist groß, Alles eilt, sich in das schützende Element
zu stürzen, aber viele trifft das Blei der Jäger, und so ein
Dutzend Seehunde wirft immer einen Ertrag von 40—50 Dollars
ab. Es ist dieß ein lebensvolles Bild des großartigen amerika-
nischen Fischer- und Jägerlebens.
Ne Kammate voll Koilstaiüimpes.
«BNd S. I6U)
Jeder Reisende, jeder Tourist im Orient macht vor allen
Tingen Bekanntschaft mit den Lastträgern, oder wie sie allgemein
dort genannt werden, Hammal, und sie sind es, welche mit den
Bootführern auch die letzten Dienste ihm erweisen, indem sie seine
Habseligkeiten vom Gasthof zum Dampfschiffe besorgen; recht
häufig trifft es sich auch, daß sie selbst seine Person befördern,
sei es, Laß sic ihn aus dem Landungsboote an's Land tragen,
weil das seichte Wasser selbst für jenes nicht mehr reicht, sei es,
daß sie ihn oder feine weiblichen Angehörigen in einer Sänfte
befördern, oder endlich, im eigentlichen Sinne des Wortes, dem
irdischen Wanderer den letzten Dienst als Leichenträger erweisen.
Aber die wenigsten Reisenden mögen eine Ahnung davon
haben, daß diese Hammale für den Handel der türkischen Haupt-
stadt eine so wichtige Rolle spielen, daß ohne sie in Konstantinopel
der Handel platterdings unmöglich wäre
Für die Förderung und Sicherheit seiner Operationen ist der
Handelsstand fast ausschließlich auf sich selbst beschränkt; mehr
als anderswo in der Welt werden hier eine Unzahl von Gc-
schäften lediglich auf der Basis des „guten Glaubens und Ver-
trauens" erledigt, und vor allen Dingen beruht die Sicherheit
derselben auf Len armenischen Lastträgern.
Armenien ist nicht nur von Natur ein rauhes Gebirgsland,
sondern steht auch noch seit Jahrhunderten unter dem Fluch einer
systematischen Mißrcgierung. Tic rauhen, kräftigen Gebirgssöhnc,
welche ihrem christlichen Glauben standhaft treu bleiben, erregen
ein geheimes Grausen bei ihren mohammedanischen Oberhcrren;
sie werden daher nicht nur mit Abgaben aller Art gedrückt, son-
dern selbst Len Raub- und Mordzügcn der mitten unter ihnen
wohnenden Kurden schutzlos preisgegeben.
Jährlich wandern daher Tausende von Armeniern aus; viele
gehen nach Rußland; die meisten aber begeben sich nach den
türkischen Hafenstädten, namentlich nach Konstantinopel, um ihre
Arbeitskräfte zu verwertheu und die Mittel zum Unterhalt ihrer
"Angehörigen zu erwerben.
Em großer Theil dieser Auswanderer schließt sich der Zunft
der Lastträger an, und stehen als solche unter einer strengen Kon-
trole, die sie sich selbst auferlegen. Um den Ruf ihrer unbestech-
lichen Ehrlichkeit aufrecht zu erhalten, haben sie unter sich eine
! gewisse Solidarität eingeführt; cs besteht unter ihnen eine Art
- Kommunismus, indem die zu einer Rotte gehörigen Lastträger
eine feste Reihenfolge beobachten, den verdienten Tagelohn an
ihren Rottenführer abliefern und den Ertrag wöchentlich oder
monatlich unter sich vcrtheilen.
Ihre Hauptbeschäftigung ist, wie schon ihr Name anzeigt, der
Waarcntransport in Len Straßen der Stadt und der Vorstädte,
da sich dieselben für den Transport auf Karren, Wagen, Krahncn
u. s. w. durchaus nicht eignen. Die physischen Kräfte dieser Leute
sind kolossal und erregen jederzeit das Staunen des Fremden.
Außerdem aber versehen die Hammale noch den Sicherheits-
dienst in Len öffentlichen Hanen (Einkchrhäuscrn) und in den
Magazinen und Gewölben der Kaufleute, indem sic in denselben
jchlasen und an Sonn- und Festtagen dieselben nicht verlassen.
Jeder Kaufmann und Bankier hat mindestens einen, häufig aber
auch zwei, drei und mehrere dieser Armenier in feinem Dienste,
und hier sind sie wegen ihrer unerschütterlichen Ehrlichkeit un-
schätzbar.
Unser Bild zeigt eine Gruppe solcher Hanimalen von Kon-
stantinopel, nach Photographien: gezeichnet.
Der arretirte Feldwebel.
Humoreske
von
Lenz.
«Schluß.)
In der Birncngasse wohnte eine junge Wittwc. Feld-
webel Waldmann hatte sich bei ihr einmal fünf Paar
wollene Strümpfe gekauft; daher kannte er sic. Er hätte
diese Dame gern geheirathct; ihr Wollwaarcngcschäft und
sein Bureau störten einander nicht; und dann sah cs auch
immer so sauber bei ihr auS und roch so warm — das kam
wohl von der Wolle Her, in der sie saß und in die Wald-
mann sich auch gerne hincingesctzt hätte. Diese Wittwc
schrieb ihm;
„Geehrter Herr Feldwebel, Sie haben mir neulich ge-
sagt, daß Sic gerne geräucherte Bücklinge essen, die cs
hier nicht gibt, weil man sie nur in der See fängt; mein
Nachbar, Kaufmann Birkcnstock, hat eine frische Sendung
erhalten und aus diesem Grunde möchte ich mir ganz cr-
gcbcnst erlauben, Sic vor heute Abend zu mich cinzuladen,
damit ich Sic ein paar Bücklinge Vorsitzen kann, wollen
Sic die Gütc haben, dem Jungen, Ihren wcrthcn Bescheid
mitzutheilen, ich zeichne ganz ergebenst Ihre Franziska ver-
wehte Eilert um fünf Uhr nachmittags. Posts, sagen Sic dem
Jungen gütigst auch; wann ich Sic erwarten darf, denn
er soll noch etwas mitbringcn. Aber kommen Sie nicht
zu spät, um neun mache ich meinen Laden heute zu, dann
ist der Eingang im Hausflur; was mir auch das Liebste
wäre, denn die Leute sprechen schon ich weiß es von Frie-
derike. Wenn Sie kommen; aber ich bitte nicht zu spät,
so soll es mir ein Zeichen sein. Ach ich weiß gar nicht,
ob ich das nicht lieber wieder ausstrcichen soll. Vergessen
Sie nur die Antwort an den Jungen nicht, er ist etwas
dumm Ihre ganz ergebenste d. O. hochachtungsvoll Fran-
ziska ver-wehtc Eilert."
„Hm," summte Waldmann vor sich hin. Der Brief
war ihm ein Zeichen! „Ich werde kommen, nach neun Uhr,"
sagte er zu dem Jungen. „Kannst Du das auck behalten?"
„Ja," erklärte der Junge, einfach aber bestimmt.
„Will's glauben. Hör' mal," sagte Waldmann nock.
„hier steht ja, daß Du schon um fünf Uhr mit Deinem
Briefe fortgeschickt worden bist. Wo hast Du Dich denn
unterwegs so lange herumgctrieben? Von der Birnengassc
bis hierher ist doch keine Stunde. Wohl geschnecballk
unterwegs!" Es kam jetzt an den Tag, daß der Junge
von der Birnengassc bis zur Hauptwache nur die vorschrifts-
mäßigen zehn Minuten unterwegs gewesen war; den Rest
der Zeit hatte er in der Hauptwache selber zugebracht, nach
dem Kommandanturburcau suchend. Später erfubr Feld-
webel Waldmann noch, daß der intelligente Knabe seinen
Brief Jedem, den er auf der Hauptwache gesehen, ange-
boren hatte, sogar dem Posten vor Gewehr ! „So," er-
kundigte sich der Feldwebel weiter bei dem ihm von Frau
Eilert gesandten Liebesboten, „was sollst Du denn neck
besorgen?"
„Punsch-Extrakt," gab der Junge Bescheid in seiner
kurzen, prägnanten Manier.
„Eine große Flasche?"
„Zu zwanzig Groschen."
„Die langt schon für mich, wenn nur noch ein Frauen-
zimmer mittrinkt," dachte Waldmann. Laut fuhr er fort
zu tragen; „Nun möchte ich noch etwas wissen. Heißt Du
auch Eilert?"
„Ich bin der Friederike ihr Brndcr," erklärte das
Kind.
„Na, das ist ein Glück. Ich dachte schon etwas "An-
deres. Mit Dir wäre ich nie in ein verwandtschaftliches
Verhältniß getreten . .. Um die Wände einzurcnnen," fügte
er noch hinzu, als der Bursche draußen war.
Die beiden geschilderten Unterbrechungen hatten Feld-
webel Waldmann ziemlich aufgehalten. Als er endlich die
Feder nicderlegte und nach der Uhr sah, fand er, daß cs
mittlerer Weile schon ein Viertel über Acht geworden war.
Er schickte Schuster mit der Arbeit zum General und
stürmte dann förmlich nach der „weißen Feder", schon im
Vorgennß der Tafelfreuden schwelgend, welche ihn dort er-
warteten. Waldmann spürte einen Kannibalenappetit nach
dem schmalen Mittagessen, das er nur gehabt; er hatte
seinen Hasenbraten redlich verdient. Heiter und vergnügt
trat er in die Gaststube ein, setzte sich an den Stammtisch,
woselbst Trübcner sich bereits eingesnnden, und bestellte in
dem angenehmen Gefühle der Sicherheit seine Portion
Hasenbraten. Gustav, der Kellner, grinste.
„Hasenbraten ist nicht mehr da, Herr Feldwebel," sagte
er. Waldmann erbleichte, doch nur für einen Augenblick.
„Ja, es ist noch welcher da, für mich. Fräulein Maric-
chen hat mir welchen zurückstcllen lassen," unterrichtete er
den Kellner.
„So, es ist welcher zurückgcstcllt worden? Dave»
weiß ich aber gar nichts. Will gleich 'mal Nachfragen-
Sollte mich freuen, wenn noch welcher da wäre, Herr Feld-
webel. Es thut mir immer so leid, daß Sie niemals etwas
davon bekommen, wenn cs etwas Gntcs bei nnS in der
.weißen Feder" gibt," schwatzte Gustav, der eine sehr edle,
wenn auch etwas dumme Seele besaß. ,
Schon gut," wcbrtc Waldmann weitere wohlwollend"-'
Zllustrrrte Melt.
gänzlich unversehrt, und der Strandvcgt wie auch wir
fanden eS mit Wasser gestillt."
„(5s war dieß kein Trinkwasserfaß?" erkundigte sich
Herr Blomkist.
„Nein, ein Faß zu untcrst im Gütcrraum und mit
Blech beschlagen und ein Rheinwcinfaß jener Mainzer
Firma," lautete die Entgegnung des Agenten.
„Hat mau hier im Hafen etwas bemerkt?" forschte
Herr Blomkist weiter.
„Absolut nichts," antwortete der Agent. „Kurios nur
ist, daß van Heeren vorher schon Wein anderwärts bestellt,
Liesen wieder abbcstcllt hat, daß dennoch der Wein hier cin-
tras — van Heeren schrie und tobte und verkaufte schliess
(ich den Wei» hier billig wieder. Es war dieselbe Quan-
tität, siebenunddreißig Stückfaß ü tausend Liter," ergänzte
der Agent.
Herr Blomkist zeigte sich sehr aufmerksam.
„Ban Heeren hat also nicht den Wein der Mainzer
Firma hier verkauft, sondern den andern, der dazu kam?"
forschte er.
„Ja, diesen," bestätigte der Agent, „sein Schiff war
schon fertig geladen, als der andere Wein ankam."
„An wen hat er den Wein verkauft?" frug der Beamte.
„An Gebrüder Wiese, wie ich erfahren, — van Heeren
sagte mir," berichtete der Agent weiter, „daß er einige
seiner Fässer aufgemacht, den Wein geprüft und genau nach
Vorschrift gefunden habe, alle Fässer babc er, im Vertrauen
auf die bewährte Redlichkeit der Mainzer Firma, nicht ge-
prüft."
„Also hier hat van Heeren die fiebcnunddrcißig Stück-
fässer Rheinwein wieder verkauft," sprach Herr Blomkist
nachdenklich. „Wo wohnen diese Gebrüder Wiese? —
Würden Sie mich dorthin geleiten? — Ich möchte als
Käufer dort erscheinen und mir eine Probe ansbitten. Sic
werden mich verstehen, Herr Paulsen ?" frug der Beamte.
„Die Sache scheint Ihnen also auch zweifelhaft?"
„Ich weiß noch gar nichts, Herr Paulsen, mich inter-
essirt nur der Fall und ich möchte eine Flasche von diesem
Wein in Händen haben," antwortete Herr Blomkist.
Der Agent führte Herrn Blomkist zu Gebrüder Wiese,
— der Beamte kostete den Wein, fand ihn vortrefflich und
erhielt eine Musterflaschc.
„Ich erhalte doch hier keinen andern als den von van
Heeren letzte Wocke Ihnen verkauften Wein ?" versicherte
sich Herr Blomkist.
„Sie haben von diesem Wein, mein Herr, der aller von
einer Qualität ist, — mein Bruder — das Geschäft ist
eines, trotz der getrennten Firma — hat die übrigen Fässer
in seinem Lager," erhielt Herr Blomkist von Herrn M. Wiese
bestätigt.
„Es ist wunderbar," sagte sich Herr Blomkist beim
Nachhausewandeln, „wie ich durch den Fall Sivers auf van
Heeren und durch Sivers wieder auf die Donna Anna und
schließlich wieder auf van Heeren komme. Was ich hier
anfasse, immer kommt der van Heeren zum Vorschein. Nach
Len Erfahrungen, die ich bis jetzt in meinem Berufe ge-
macht habe, ist dieß nicht ohne Bedeutung. Es gibt keinen
Fusall. — Zufall ist ein bequemer Scbild, mit welchem die
Leute Alles hübsch fest bedecken, was sie sich nicht erklären
können. Zufall heißt geheimnißvcller Zusammenhang bei
mir, Ursache und folgerichtige, nothwendige Wirkung. Dem-
nach liegt auf dem Grunde aller dieser trüben Geschichten
van Heeren, und ich werde nach den ersten Regeln unserer
Praxis den Baum bei der Wurzel packen.
„Vielleicht kommt von dort die Aufklärung über all'
jenes, was mir bis jetzt noch höchst dunkel und zweifelhaft
scheint. — Hier sind meine Geschäfte so wie so beendet. —
Sivers liegt im Meer und ist bei den Fischen, woran wohl
kaum zu zweifeln, — der alte schlaue Fuchs in Rotterdam
ist eine alte Bekanntschaft von mir, ich werde, bevor ich
nach Amsterdam gehe — Freund van Heeren besuchen. —
Er soll mir seine Bekanntschaft mit Paul und Las Ende von
Paul Sivers erzählen, denn bievon micb zu unterrichten,
legt mir mein Amt auf — und dann will ich meine Augen
auch noch für den andern Fall mit dem verwandelten Rhein-
wein offen halten, — der Rauck, van Heeren, ist so stark,
daß er zwei Feuer haben muß."
«Fortsetzung folgt.)
Junge Kirgkluk im KoklizeiiMmulk.
(Bild IL7.)
Tie Kirgisen, welche größtentheils unter russischer Oberhoheit
stehen, gehören zu den türkisch-tatarischen stammen, die vom
Norden Turkestans, von der untern Wolga und dem kaspischcn
Meer im Westen bis an die russisch-chinesische Grenze und im
Süden bis gegen den Aralsee und Sir wohnen. Tiefer Land-
strich wird auch die Kirgiscnsteppe genannt. Tic Kirgisen
sprechen türkisch, gehören aber ihrem Aeußern wie ihren
sonstigen Eigcnthümlichkeitcn nach der mongolischen Rasse an.
Geistig stehen sie auf einer niedern stufe, sie sind jedoch ge-
wandt als Reiter, gute Bogenschützen und muthig. Von Charakter
neugierig, habsüchtig und räuberisch, von mittelgroßer, kräftiger
Gestalt, erwariet man nach ihrer Erscheinung von ihnen mehr, als
sie leisten, woran wohl ihre große Trägheit schuld ist. Tie Kir-
gisen wohnen in Filzzelten und sind Viehzüchter. Ihre Heerdcn
bestehen aus grobwolligen Fettschasen, Kameelen und Pferden;
Feldbau betreiben sic wenig. Der größte Thcil der eigentlichen
Arbeit liegt den Frauen ob; jedoch begnügt sich der Kirgise, ob-
wohl er Mohammedaner ist, mit einer Frau. Tiese sind rührig
und fleißig
Unsere Illustration zeigt eines der dunkelfarbigen Kirgisen-
mädchen im Hochzcitsschmuck. Diese Braut gehört zum kirgisischen
Adel, dessen vornehmste Glieder Sultane genannt werden; für sic
mag eine hohe Kaufsumme an Schafen und Kameelen bezahlt worden
sein, wogegen sie ihrem Bräutigam Pferde, ein neues Zelt, Lan-
zen, Luntenflinten, Bogen und Handbeil mitbringen wird. Tic
cigenthümlichc Hochzeitstracht besteht in einer seltsamen perlen-
besetzten, spitzen Fellmütze mit Fcdcrnschmuck, einem Ueberwurs,
der mit der Mütze zusammenhängt und mit bunten Lederfiguren
besetzt ist. Eigenthümlich ist auch die Brosche mit den Perlen-
ketten; die Perlen sind gewöhnlich bunte Glaskügelchen geringer
Waare von russischen Märkten.
8 e e k u n >l 8 j a g il.
«Bild S. IM.)
Wir gaben in Hest 5 der „Jllustr. Welt" unseren Lesern ein
Bild von der Abfahrt der Fischerflotille in St. Johns (Neu-
fundland). Heute wollen wir im Bilde an einer Jagd auf See-
hunde thcilnehmen, welche von der Mannschaft eines dieser schiffe
ausgeführt wird. Tie Seehunde finden sich in den nördlichen
Theilen des Ozeans in ungeheurer Menge. Sie lagern einen
großen Theil des Tages auf Sandbänken und Eisschollen, wo sic
schlafen. Dennoch ist es schwer, diese durch Fell, Thran und
Fleisch wcrthvollen Thiere zu schießen, weil sie außerordentlich
wachsam und vorsichtig sind Tie Seehunde überlassen sich nicht
dem Schlaf, ohne daß einige, meist alte, erfahrene Männchen
wachen. Diese schauen mit erhobenem Kopfe nach allen Richtungen
aus, und bei dem geringsten Anzeichen von Gefahr geben sie ein
Zeichen durch einen zischenden, knurrenden Ton, worauf mit un-
glaublicher Geschwindigkeit und Gewandtheit die schwerfälligen
Thiere von ihrem Lagerplatz herab in's Wasser sich stürzen,
wo eine Jagd nutzlos wäre, da der Jäger dann die Beute nicht
bekäme Der Seehund muß also auf seinem Lagerplatz über-
rascht und dort tödtlich getroffen werden. Man muß ihn be-
schleichen, was bei dem überaus feinen Gehör dieser Thiere keine
Kleinigkeit ist.
Unsere Illustration zeigt eine Seehundsheerde, welche von den
Jägern glücklich überrascht worden. Vermittelst einiger Boote
näherte man sich lautlos, entgegen der Windrichtung, der schlum-
mernden Heerde und beschoß diese plötzlich Der schrecken unter
den Thieren ist groß, Alles eilt, sich in das schützende Element
zu stürzen, aber viele trifft das Blei der Jäger, und so ein
Dutzend Seehunde wirft immer einen Ertrag von 40—50 Dollars
ab. Es ist dieß ein lebensvolles Bild des großartigen amerika-
nischen Fischer- und Jägerlebens.
Ne Kammate voll Koilstaiüimpes.
«BNd S. I6U)
Jeder Reisende, jeder Tourist im Orient macht vor allen
Tingen Bekanntschaft mit den Lastträgern, oder wie sie allgemein
dort genannt werden, Hammal, und sie sind es, welche mit den
Bootführern auch die letzten Dienste ihm erweisen, indem sie seine
Habseligkeiten vom Gasthof zum Dampfschiffe besorgen; recht
häufig trifft es sich auch, daß sie selbst seine Person befördern,
sei es, Laß sic ihn aus dem Landungsboote an's Land tragen,
weil das seichte Wasser selbst für jenes nicht mehr reicht, sei es,
daß sie ihn oder feine weiblichen Angehörigen in einer Sänfte
befördern, oder endlich, im eigentlichen Sinne des Wortes, dem
irdischen Wanderer den letzten Dienst als Leichenträger erweisen.
Aber die wenigsten Reisenden mögen eine Ahnung davon
haben, daß diese Hammale für den Handel der türkischen Haupt-
stadt eine so wichtige Rolle spielen, daß ohne sie in Konstantinopel
der Handel platterdings unmöglich wäre
Für die Förderung und Sicherheit seiner Operationen ist der
Handelsstand fast ausschließlich auf sich selbst beschränkt; mehr
als anderswo in der Welt werden hier eine Unzahl von Gc-
schäften lediglich auf der Basis des „guten Glaubens und Ver-
trauens" erledigt, und vor allen Dingen beruht die Sicherheit
derselben auf Len armenischen Lastträgern.
Armenien ist nicht nur von Natur ein rauhes Gebirgsland,
sondern steht auch noch seit Jahrhunderten unter dem Fluch einer
systematischen Mißrcgierung. Tic rauhen, kräftigen Gebirgssöhnc,
welche ihrem christlichen Glauben standhaft treu bleiben, erregen
ein geheimes Grausen bei ihren mohammedanischen Oberhcrren;
sie werden daher nicht nur mit Abgaben aller Art gedrückt, son-
dern selbst Len Raub- und Mordzügcn der mitten unter ihnen
wohnenden Kurden schutzlos preisgegeben.
Jährlich wandern daher Tausende von Armeniern aus; viele
gehen nach Rußland; die meisten aber begeben sich nach den
türkischen Hafenstädten, namentlich nach Konstantinopel, um ihre
Arbeitskräfte zu verwertheu und die Mittel zum Unterhalt ihrer
"Angehörigen zu erwerben.
Em großer Theil dieser Auswanderer schließt sich der Zunft
der Lastträger an, und stehen als solche unter einer strengen Kon-
trole, die sie sich selbst auferlegen. Um den Ruf ihrer unbestech-
lichen Ehrlichkeit aufrecht zu erhalten, haben sie unter sich eine
! gewisse Solidarität eingeführt; cs besteht unter ihnen eine Art
- Kommunismus, indem die zu einer Rotte gehörigen Lastträger
eine feste Reihenfolge beobachten, den verdienten Tagelohn an
ihren Rottenführer abliefern und den Ertrag wöchentlich oder
monatlich unter sich vcrtheilen.
Ihre Hauptbeschäftigung ist, wie schon ihr Name anzeigt, der
Waarcntransport in Len Straßen der Stadt und der Vorstädte,
da sich dieselben für den Transport auf Karren, Wagen, Krahncn
u. s. w. durchaus nicht eignen. Die physischen Kräfte dieser Leute
sind kolossal und erregen jederzeit das Staunen des Fremden.
Außerdem aber versehen die Hammale noch den Sicherheits-
dienst in Len öffentlichen Hanen (Einkchrhäuscrn) und in den
Magazinen und Gewölben der Kaufleute, indem sic in denselben
jchlasen und an Sonn- und Festtagen dieselben nicht verlassen.
Jeder Kaufmann und Bankier hat mindestens einen, häufig aber
auch zwei, drei und mehrere dieser Armenier in feinem Dienste,
und hier sind sie wegen ihrer unerschütterlichen Ehrlichkeit un-
schätzbar.
Unser Bild zeigt eine Gruppe solcher Hanimalen von Kon-
stantinopel, nach Photographien: gezeichnet.
Der arretirte Feldwebel.
Humoreske
von
Lenz.
«Schluß.)
In der Birncngasse wohnte eine junge Wittwc. Feld-
webel Waldmann hatte sich bei ihr einmal fünf Paar
wollene Strümpfe gekauft; daher kannte er sic. Er hätte
diese Dame gern geheirathct; ihr Wollwaarcngcschäft und
sein Bureau störten einander nicht; und dann sah cs auch
immer so sauber bei ihr auS und roch so warm — das kam
wohl von der Wolle Her, in der sie saß und in die Wald-
mann sich auch gerne hincingesctzt hätte. Diese Wittwc
schrieb ihm;
„Geehrter Herr Feldwebel, Sie haben mir neulich ge-
sagt, daß Sic gerne geräucherte Bücklinge essen, die cs
hier nicht gibt, weil man sie nur in der See fängt; mein
Nachbar, Kaufmann Birkcnstock, hat eine frische Sendung
erhalten und aus diesem Grunde möchte ich mir ganz cr-
gcbcnst erlauben, Sic vor heute Abend zu mich cinzuladen,
damit ich Sic ein paar Bücklinge Vorsitzen kann, wollen
Sic die Gütc haben, dem Jungen, Ihren wcrthcn Bescheid
mitzutheilen, ich zeichne ganz ergebenst Ihre Franziska ver-
wehte Eilert um fünf Uhr nachmittags. Posts, sagen Sic dem
Jungen gütigst auch; wann ich Sic erwarten darf, denn
er soll noch etwas mitbringcn. Aber kommen Sie nicht
zu spät, um neun mache ich meinen Laden heute zu, dann
ist der Eingang im Hausflur; was mir auch das Liebste
wäre, denn die Leute sprechen schon ich weiß es von Frie-
derike. Wenn Sie kommen; aber ich bitte nicht zu spät,
so soll es mir ein Zeichen sein. Ach ich weiß gar nicht,
ob ich das nicht lieber wieder ausstrcichen soll. Vergessen
Sie nur die Antwort an den Jungen nicht, er ist etwas
dumm Ihre ganz ergebenste d. O. hochachtungsvoll Fran-
ziska ver-wehtc Eilert."
„Hm," summte Waldmann vor sich hin. Der Brief
war ihm ein Zeichen! „Ich werde kommen, nach neun Uhr,"
sagte er zu dem Jungen. „Kannst Du das auck behalten?"
„Ja," erklärte der Junge, einfach aber bestimmt.
„Will's glauben. Hör' mal," sagte Waldmann nock.
„hier steht ja, daß Du schon um fünf Uhr mit Deinem
Briefe fortgeschickt worden bist. Wo hast Du Dich denn
unterwegs so lange herumgctrieben? Von der Birnengassc
bis hierher ist doch keine Stunde. Wohl geschnecballk
unterwegs!" Es kam jetzt an den Tag, daß der Junge
von der Birnengassc bis zur Hauptwache nur die vorschrifts-
mäßigen zehn Minuten unterwegs gewesen war; den Rest
der Zeit hatte er in der Hauptwache selber zugebracht, nach
dem Kommandanturburcau suchend. Später erfubr Feld-
webel Waldmann noch, daß der intelligente Knabe seinen
Brief Jedem, den er auf der Hauptwache gesehen, ange-
boren hatte, sogar dem Posten vor Gewehr ! „So," er-
kundigte sich der Feldwebel weiter bei dem ihm von Frau
Eilert gesandten Liebesboten, „was sollst Du denn neck
besorgen?"
„Punsch-Extrakt," gab der Junge Bescheid in seiner
kurzen, prägnanten Manier.
„Eine große Flasche?"
„Zu zwanzig Groschen."
„Die langt schon für mich, wenn nur noch ein Frauen-
zimmer mittrinkt," dachte Waldmann. Laut fuhr er fort
zu tragen; „Nun möchte ich noch etwas wissen. Heißt Du
auch Eilert?"
„Ich bin der Friederike ihr Brndcr," erklärte das
Kind.
„Na, das ist ein Glück. Ich dachte schon etwas "An-
deres. Mit Dir wäre ich nie in ein verwandtschaftliches
Verhältniß getreten . .. Um die Wände einzurcnnen," fügte
er noch hinzu, als der Bursche draußen war.
Die beiden geschilderten Unterbrechungen hatten Feld-
webel Waldmann ziemlich aufgehalten. Als er endlich die
Feder nicderlegte und nach der Uhr sah, fand er, daß cs
mittlerer Weile schon ein Viertel über Acht geworden war.
Er schickte Schuster mit der Arbeit zum General und
stürmte dann förmlich nach der „weißen Feder", schon im
Vorgennß der Tafelfreuden schwelgend, welche ihn dort er-
warteten. Waldmann spürte einen Kannibalenappetit nach
dem schmalen Mittagessen, das er nur gehabt; er hatte
seinen Hasenbraten redlich verdient. Heiter und vergnügt
trat er in die Gaststube ein, setzte sich an den Stammtisch,
woselbst Trübcner sich bereits eingesnnden, und bestellte in
dem angenehmen Gefühle der Sicherheit seine Portion
Hasenbraten. Gustav, der Kellner, grinste.
„Hasenbraten ist nicht mehr da, Herr Feldwebel," sagte
er. Waldmann erbleichte, doch nur für einen Augenblick.
„Ja, es ist noch welcher da, für mich. Fräulein Maric-
chen hat mir welchen zurückstcllen lassen," unterrichtete er
den Kellner.
„So, es ist welcher zurückgcstcllt worden? Dave»
weiß ich aber gar nichts. Will gleich 'mal Nachfragen-
Sollte mich freuen, wenn noch welcher da wäre, Herr Feld-
webel. Es thut mir immer so leid, daß Sie niemals etwas
davon bekommen, wenn cs etwas Gntcs bei nnS in der
.weißen Feder" gibt," schwatzte Gustav, der eine sehr edle,
wenn auch etwas dumme Seele besaß. ,
Schon gut," wcbrtc Waldmann weitere wohlwollend"-'