78
Zilustrirte Welt.
gehörten mir, und ich mußte morgen um sechs abreisen,
ob ich wollte oder nicht! Vielleicht nach Spanien, mit
den Juwelen in der Tasche. Warum nicht?
Ich gestehe, daß die Versuchung groß war. In
der That waren die Edelsteine so kostbar, daß sicherlich
mancher Halbwegs ehrliche Mensch sein Seelenheil
dafür hingegeben hätte. Aber — ein Berault seine
Ehre? Nein. Die Versuchung war groß, wie gesagt,
aber ich hatte sie bald überwunden. Gott sei Dank!
Es kann wohl einer so weit kommen, daß er vom
Würfelspiel leben muß, er kann gezwungen sein, sich
von einem Weibe „Spion" und „Feigling" schimpfen
zu lassen, aber er braucht deshalb doch kein Dieb zu
sein. Nachdem also diese Versuchung überwunden war
— und ich bin stolz darauf —, begann ich verschiedene
Pläne zu erwägen, wie sie mir sonst von Nutzen sein
konnten. Einmal dachte ich daran, die Juwelen dem
Kardinal zu übergeben und meine Begnadigung damit
zu erkaufen; ein andermal, sie als Köder zu benutzen,
um Cocheforöt zu sangen. Und so ging es weiter, bis
endlich um süns Uhr morgens, während ich noch immer
auf meinem elenden Lager saß und die ersten Licht-
strahlen sich durch die mit Spinnweben überzogene
und mit Heu ausgestopfte Dachluke stahlen, mir ein
Plan kam, der raffinierteste aller Pläne, nach dem ich
handeln wollte.
Er begeisterte mich. Ich schnalzte mit den Lippen
vor Freude darüber und pries mich selbst und fühlte,
wie meine Augen in der Dunkelheit immer größer
wurden, während ich ihn überdachte. Er schien grau-
sam, er schien niederträchtig; das war mir ganz gleich.
Mademoiselle hatte sich ihres Sieges über mich ge-
rühmt, ihres Weiberwitzes und ihres Scharfsinns, und
hatte über meine Dummheit gespottet. Sie hatte
gesagt, ihre Diener würden mich auspeitschen. Sie
hatte mich wie einen Hund behandelt. Gut denn; jetzt
wollten wir mal sehen, wessen Schlauheit die größere
war, wessen Geist der überlegenere, wen die Schläge
treffen würden?!
Vor allen Dingen aber war eine persönliche Unter-
redung mit ihr für die Ausführung meines Planes
unerläßlich; wenn ich die erreicht hatte, konnte ich mich,
was das übrige betraf, auf mich und meine gefundene
Waffe verlassen. Aber das war unumgänglich not-
wendig, und da ich einsah, daß ich dabei auf Schwierig-
keiten stoßen würde, so beschloß ich hinunterzugehen,
als ob ich bereit sei, abzureisen. Dann wollte ich,
unter dem Vorwande mein Pferd zu satteln, zu Fuß
davon schlüpfen und mich in der Nähe des Schlosses
auf die Lauer legen, bis ich sie herauskommen sah.
Wenn es mir auf diese Weise nicht gelingen sollte,
entweder wegen der Wachsamkeit des Wirtes oder aus
irgend einem andern Grunde, so war es immer noch
leicht zu bewerkstelligen. Ich ritt dann eben etwa eine
Meile weit fort, band mein Pferd im Walde an und
kehrte zu Fuß nach der Holzbrücke zurück. Von da
aus konnte ich den Garten und die Vorderseite des
Schlosses beobachten, bis Zeit und Zufall mir die ge-
suchte Gelegenheit boten.
So sah ich meinen Weg klar vor mir, und als
der Kerl kam, um mich zu Wecken und mir grob zuries,
daß ich fort müsse, daß es sechs Uhr sei, hatte ich
meine Antwort schon bereit. Ich erwiderte mürrisch,
daß ich gleich kommen würde, und nach einer kleinen
Kunstpause nahm ich meinen Sattel und meine Mantel-
säcke und kletterte hinunter. «Fortsetzung solgt.)
„Gesangverein Heiserkeit."
«Bild S. SI.)
Wer nie in Berlin war, nie in einem Kremser fuhr, nie
einem Verein angehörte, wird auch für den Gesangverein Heiser-
keit kein rechtes Herz haben. Und nun erst dieser Kremserausflug
in den Grünewald! — Mit der edeln Sangeskunst steht er in
viel loserem Verhältnis als mit der Vereinskasse, die bis auf
den Grund geleert ist zu diesem Sonntagsfeste. Wenn schon
— denn schon! Das ist des Berliners Devise. Der Wagen ist
darum verproviantiert wie für eine achttägige Entdeckungsfahrt.
Neben dem eisgekühlten Erfrischungskorb baumelt träumerisch
das volle Bockfäßcheii. Und damit der Waldfahrt ja nicht die
bequeme Atzung fehle, hat man auch des Wagens Bauch mit
Eßkörben und allerlei gutem Getränk vollgestaut, so daß die In-
sassen zwar vor Entbehrung sehr sicher find, aber zu einen! genuß-
reichen Sitzen nie kommen. Das geniert den Berliner nun gar
nicht. Denn eng muß cs zugehen und lustig, und der Nadau
darf beileibe nicht fehlen. Dafür folgen nun auch die wie zu
einem Fasching ausstasfierten Amateurmusikanten nach Kräften.
Ein gelinder Anschluß wird darum schon von einigen vor der
großen Picknickwiese erreicht — aber zänkisch wird der Spree-
Athener darum niemals, sondern gemütlich, und die Kalauer
erreichen bedenkliche Dimensionen. Am Bestimmungsort beginnt
die eigentliche Festfreude, die nie roh ist und sehr lang währt.
Gesungen wird auch, zumeist nach deutscher Art etwas Sentimen-
tales ; aber da macht der Verein wirklich seinem Namen Ehre, die
Kehlen sind vom vielen — Proben etwas heiser. Die Jugend thut
sich zu Gesellschaftsspielen zusammen, Süßholz wird geraspelt und
zarte Beziehungen werden angebahnt. Die Festmütter vereinigen
sich zu einem vertraulichen Kaffeeklatsch, der zuweilen heftig wird,
weil „Mutter" sehr feste Ueberzeugungen hat. Dagegen kommt
die älteren Herren am Bierfaß nach Kriegserzählungen und
Schnurren die sündige Lust auf einen Skat an. Denn geskatet
muß werden, wenn es auch aus einem ausgezogenen Bratenrock
sein sollte, was wiederum Mutter nicht leiden will — die Heim-
fahrt ist entweder sehr still oder sehr laut, je nachdem die ver-
ehelichen Vereinsmitglieder das Fäßchen bezwungen haben oder
von: Fäßchen bezwungen worden sind.
Manövrierende Torpedoboote.
«Bild S. 68 u. 69Y
Der alte Streit: was im Seekrieg von größerem Wert, das
Schlachtschiff oder die Torpedoflottille — ist noch unentschieden.
Aber während es das Schicksal der Riesenpanzer zu sein scheint,
bereits im Augenblick des Stapellaufs als veraltete Konstruktion
zu gelten, hat das Torpedoboot infolge der viel kürzeren Bau-
zeit eigentlich nur die neuesten Bautypen aufzuweisen. Neben
dem düsteren, massigen Panzerschiff mit seinen schweren, fast er-
drückenden Formen wirkt das Torpedoboot ungemein zierlich
und elegant. Wer je bei mäßig bewegter See manövrierende
Boote sah, wird diese pfeilschnell dahinschießenden Fahrzeuge, von
denen man kaum die Bordlinie und den dampfenden Schlot ge-
wahrt, als geradezu graziös bewundert haben. Das ist ein
Dahinschießen, Wenden, Gaukeln, als wenn das Steuer die
Steuerflosse eines besonders schnellen und gewandten Fisches wäre.
Es erscheint wie Spiel. Wenn man aber bedenkt, daß das
Sprenggeschoß, welches jedes dieser Boote zu schleudern vermag,
auch dem riesigsten Panzer die Eisenplatten zertrümmert, so
kommt uns ein gelindes Grausen vor diesen harmlosen Schiffchen
an. Dem steht freilich beruhigend gegenüber, daß Torpedos nur
mit großer Gefahr eine schwere See zu halten vermögen, weil
der auf Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit gerichtete Bau
Kentern oder Erdrücktwerden gar nicht ausschließt. Außerdem
ist der Kohlenvorrat naturgemäß so gering, daß das Boot in
stetiger Verbindung mit Hafen und Station bleiben muß. Lange
Fahrten sind ihm darum versagt. Im Kriege ist das Wagnis
für diese Flieger ein eminentes. Denn nicht allein würde sie
jede einschlagende Schiffsgranate zertrümmern, auch die Schnell-
feuerkanonen aus den Gefechtsmasten überschütten sie mit einem
Geschoßhagel, der die dünnen Stahlwände leicht durchbohrt. Für
den jungen Marine-Offizier ist freilich die Führung dieser Boote
im Frieden von außerordentlichem Nutzen und im Kriege sicherlich
von außerordentlichem Reiz. Es kann wohl im besonders
glücklich oder klug geführten Angriff dieser Nußschalen die Ent-
scheidung ganzer Seegefechte liegen. — Dem eleganten Aeußern
entspricht auch die innere Einrichtung. Sehr eng, fast puppen-
haft alle Räume, aber von einer Nettigkeit und Sauberkeit, die
angesichts der Raumverhältnisfe doppelt wohlthuend wirkt.
Soll man bei offenem Fenster schlafen?
Von
vr. Htto Gotthilf.
>s^
as Speise und Trank für den Magen, das ist
reine Luft für die Lunge; was Gift für jenen,
das ist unreine Luft für diese." Möchten doch
alle dies überaus wahre Wort des großen hygienischen
Praktikers vr. Niemeyer beherzigen! Was nützen alle
Rekonvalescenten-Anstalten und Kurhäuser für Lungen-
kranke, welche jetzt von wohlthätigen Menschen und
Vereinen vielfach auf dem Lande und in Luftkurorten
errichtet werden, wenn das Uebel nicht an der Wurzel
gefaßt wird, wenn man nicht die Entstehung der
Lungenkrankheiten mit Rat und That zu verhindern
sucht? Das ist ein Gebiet, aus dem die Hygieniker
noch weit mehr in Wort und Schrift wirken sollten;
es ist eine Aufgabe, wahrlich des Schweißes der Edeln
wert und fruchtbringender als der ewige Bazillensport.
Dabei muß man die nackte Wahrheit ganz unverblümt
darstellen, denn es ist doch entschieden besser, die
Hygiene sagt bittere Wahrheiten, als wenn nachher die
medizinische Wissenschaft bittere Arzneien geben muß.
In unbegreiflicher Leichtfertigkeit vergiften sich
täglich Tausende und Abertausende ihre Lungen und
damit ihr Blut und ihren ganzen Körper durch Ein-
atmung verdorbener Luft. Daher die enorme Ver-
breitung aller Arten von Lungenkrankheiten, vom
einfachen Lungenkatarrh bis zur Lungenschwindsucht,
ganz abgesehen von dem vielen Siechtum, welches sich
nicht in der Lunge lokalisiert, sondern von dort aus
den ganzen' Körper in Mitleidenschaft zieht. Leider
bilden meist gerade die wichtigsten Räume der Wohnung
höchst gefährliche, unheilschwangere Lusthöllen, nämlich
die Schlafzimmer. Wer dies nicht glaubt, mache
einmal früh morgens einen Rundgang und überrasche
seine Bekannten noch im Bett oder in der Schlafstube,
bevor die Fenster geöffnet sind. Da dringt einem
dann ein so widriger, verpesteter Dunst entgegen,
daß einem fast der Atem vergeht. Und in dieser
Atmosphäre bringen die Leute ungefähr acht Stunden
lang zu, also nahezu den dritten Teil ihres ganzen
Lebens. Ist es da ein Wunder, wenn sie morgens
mit trägen Gliedern und trüben Sinnen erwachen,
wenn es ihnen „wie Blei in den Gliedern liegt?"
Wodurch wird nun die Luft gerade in den Schlaf-
zimmern so verdorben? Zunächst fällt in der Nacht
jene bedeutende Ventilation ganz weg, welche am Tage
im Wohnzimmer durch gelegentliches Oeffnen des
Fensters beim Hinausschauen und durch das häufige
weite Aufmachen der Thüren beimHinaus- und Herein-
gehen stattfindet. Ferner ist wissenschaftlich bewiesen,
daß wir im Schlafe weit mehr Sauerstoff einatmen
und mehr Kohlensäure ausscheiden als im wachenden
Zustande. Der im Schlafzimmer befindliche Sauer-
stoff, die wahre Lebenslust, wird also schneller ver-
braucht, und der giftige Bestandteil, die Kohlensäure,
fortwährend in reichlicherem Maße der Luft beigemischt.
Jeder einzelne Schläfer atmet während der Nacht un-
gefähr dreihundert Liter Kohlensäure nebst Wasser-
damps nnd mehr oder weniger riechende Zersetzungs-
stoffe durch Haut und Lungen aus. Diese verpestete
Lust nebst sonstigen gasigen Beimischungen Wird die
ganze Nacht hindurch von den im Schlafzimmer be-
findlichen Personen immer von neuem ein- und wieder
ausgeatmet, so daß die Schläfer ihrem Atmungsorgan
eigentlich nur ihren eignen Lungenschmutz und den
ihrer Mitschläfer darbieten. Wahrlich ein arger Selbst-
betrug gegen dies wichtige Organ!
Wie können wir nun der höchst gesundheitsschädlichen
Verunreinigung der Schlafzimmerluft Vorbeugen ? Einzig
und allein durch fortwährende Ventilation während
der ganzen Nacht. Selbstverständlich ist es vor allem
nötig, daß man zum Schlafzimmer einen möglichst
großen Raum wähle und daß recht wenig Personen
rn einem Zimmer beisammen schlafen. Darauf können
wir aber nicht näher eingehen, weil dies hauptsächlich
voni Wohlstände abhängt und unsre Vorschriften für
alle Verhältnisse passen sollen.
Eine genügende Ventilation ist am schwierigsten
im Winter herzustellen, weil dann mit der frischen
Luft durch das geöffnete Fenster zugleich die Kälte
eindringt. Diese ist nun zwar an und für sich nicht
schädlich, denn wir können uns im Bette durch Nacht-
jacke und mehrfache Bedeckung schützen, aber doch darf
sie nicht so bedeutend sein, daß der ausgeatmete Wasser-
dampf sich an den Wänden niederschlägt, weil die
dadurch entstehende Feuchtigkeit und Modrigkeit un-
gesund ist. Wir sollen eben kühl und lustig, jedoch
nicht eiskalt schlafen; sich des letzteren zu rühmen, wie
manche zu thun pflegen, ist eine hygienische Thorheit.
Im Winter ist es daher in gesundheitlicher Beziehung
am besten, das Schlafzimmer mit einem Kachelofen
(natürlich ohne Ofenklappe) zu Heizen und je nach der
draußen herrschenden Kälte einen oder zwei Fenster-
flügel teilweise offen zu halten. Damit die Fensterflügel
in der gewünschten Stellung verharren und auch nicht
etwa durch Zuklappen stören, klemme man in den Spalt
ein Stück Holz oder Kork und binde die beiden Griffe
(Haken) fest aneinander. Hieraus wird die Fensterrolle
heruntergelassen oder die Zuggardine zusammengezogen,
damit nicht direkter Wind den Schläfer treffen, noch
das Mondlicht ihn belästigen kann. Hat man keinen
Ofen im Schlafzimmer oder scheut man die Kosten
des Heizens, so lasse man die Thüre zum erwärmten
Nebenzimmer die ganze Nacht hindurch weit auf und
halte dort mehrere Fensterflügel offen. Bei Doppel-
fenstern ist es zweckmäßig, unten außen und oben innen
zu öffnen. Jedenfalls muß irgendwo auch im Winter
ein Fenster ein wenig offen sein, damit die verdorbene,
ungesunde Binnenluft sich fortwährend durch reine
Außenluft genügend erneuern kann. Denn es ist ein
thörichter Muhmenklatsch, daß die Nachtluft schädlich
sei, und die schrecklichen Schauergeschichten, welche von
schweren Erkrankungen nach Einatmung von Nachtluft
berichtet werden, sind weiter nichts als wahnwitzige
Ammenmärchen. Rachtluft ist vielmehr, abgesehen von
sehr sumpfigen Gegenden, viel reiner und gesünder
als Tageslust, namentlich in Städten. Am Tage
wird der Straßenstaub mit all seinen Unreinheiten
und Schädlichkeiten immer wieder ausgewirbelt von
Wagen, Passanten und Tieren; die Ausdünstungen
von Menschen und Vieh steigen von der Straße zu
unfern Fenstern empor; Fabriken, Gewerbebetriebe und
Schornsteine erfüllen die Atmosphäre mit einer Un-
menge von Dünsten, Verbrennungsgasen und Ver-
brennungsprodukten ; dies alles fällt in der Nacht fast
ganz fort. Daher ist die Nachtlnft entschieden reiner
und gesunder.
Noch viel leichter läßt sich in der warmen Jahres-
zeit eine regelrechte Ventilation Herstellen. Da öffnet
man einfach im Schlafzimmer selbst mindestens die
oberen Fensterflügel, läßt die Fensterrolle herunter
und befestigt diese unten mit einem schweren Steine
oder dergleichen, damit sie nicht vom Winde hin und
her geschleudert wird. Das Bett soll natürlich nie,
weder Sommer noch Winter, dicht am Fenster stehen,
sondern sich möglichst an der entgegengesetzten Wand
befinden. Gerade im Sommer ist es zur Erholung
von des Tages Hitze überaus nötig, bei offenem Fenster
zu schlafen, besonders auch für die ganz kleinen Kinder.
Bekanntlich haben diese in der heißen Jahreszeit sehr
oft an Brechdurchfall zu leiden und gehen vielfach
daran zu Grunde. Die erste Ursache nun zu dieser
Krankheit bildet häufig eine Erkältung des Magens.
Die armen Kleinen werden selbst im sommerlich heißen
Schlafzimmer noch mit dicken Federbetten fest zngcdcckt.
Zilustrirte Welt.
gehörten mir, und ich mußte morgen um sechs abreisen,
ob ich wollte oder nicht! Vielleicht nach Spanien, mit
den Juwelen in der Tasche. Warum nicht?
Ich gestehe, daß die Versuchung groß war. In
der That waren die Edelsteine so kostbar, daß sicherlich
mancher Halbwegs ehrliche Mensch sein Seelenheil
dafür hingegeben hätte. Aber — ein Berault seine
Ehre? Nein. Die Versuchung war groß, wie gesagt,
aber ich hatte sie bald überwunden. Gott sei Dank!
Es kann wohl einer so weit kommen, daß er vom
Würfelspiel leben muß, er kann gezwungen sein, sich
von einem Weibe „Spion" und „Feigling" schimpfen
zu lassen, aber er braucht deshalb doch kein Dieb zu
sein. Nachdem also diese Versuchung überwunden war
— und ich bin stolz darauf —, begann ich verschiedene
Pläne zu erwägen, wie sie mir sonst von Nutzen sein
konnten. Einmal dachte ich daran, die Juwelen dem
Kardinal zu übergeben und meine Begnadigung damit
zu erkaufen; ein andermal, sie als Köder zu benutzen,
um Cocheforöt zu sangen. Und so ging es weiter, bis
endlich um süns Uhr morgens, während ich noch immer
auf meinem elenden Lager saß und die ersten Licht-
strahlen sich durch die mit Spinnweben überzogene
und mit Heu ausgestopfte Dachluke stahlen, mir ein
Plan kam, der raffinierteste aller Pläne, nach dem ich
handeln wollte.
Er begeisterte mich. Ich schnalzte mit den Lippen
vor Freude darüber und pries mich selbst und fühlte,
wie meine Augen in der Dunkelheit immer größer
wurden, während ich ihn überdachte. Er schien grau-
sam, er schien niederträchtig; das war mir ganz gleich.
Mademoiselle hatte sich ihres Sieges über mich ge-
rühmt, ihres Weiberwitzes und ihres Scharfsinns, und
hatte über meine Dummheit gespottet. Sie hatte
gesagt, ihre Diener würden mich auspeitschen. Sie
hatte mich wie einen Hund behandelt. Gut denn; jetzt
wollten wir mal sehen, wessen Schlauheit die größere
war, wessen Geist der überlegenere, wen die Schläge
treffen würden?!
Vor allen Dingen aber war eine persönliche Unter-
redung mit ihr für die Ausführung meines Planes
unerläßlich; wenn ich die erreicht hatte, konnte ich mich,
was das übrige betraf, auf mich und meine gefundene
Waffe verlassen. Aber das war unumgänglich not-
wendig, und da ich einsah, daß ich dabei auf Schwierig-
keiten stoßen würde, so beschloß ich hinunterzugehen,
als ob ich bereit sei, abzureisen. Dann wollte ich,
unter dem Vorwande mein Pferd zu satteln, zu Fuß
davon schlüpfen und mich in der Nähe des Schlosses
auf die Lauer legen, bis ich sie herauskommen sah.
Wenn es mir auf diese Weise nicht gelingen sollte,
entweder wegen der Wachsamkeit des Wirtes oder aus
irgend einem andern Grunde, so war es immer noch
leicht zu bewerkstelligen. Ich ritt dann eben etwa eine
Meile weit fort, band mein Pferd im Walde an und
kehrte zu Fuß nach der Holzbrücke zurück. Von da
aus konnte ich den Garten und die Vorderseite des
Schlosses beobachten, bis Zeit und Zufall mir die ge-
suchte Gelegenheit boten.
So sah ich meinen Weg klar vor mir, und als
der Kerl kam, um mich zu Wecken und mir grob zuries,
daß ich fort müsse, daß es sechs Uhr sei, hatte ich
meine Antwort schon bereit. Ich erwiderte mürrisch,
daß ich gleich kommen würde, und nach einer kleinen
Kunstpause nahm ich meinen Sattel und meine Mantel-
säcke und kletterte hinunter. «Fortsetzung solgt.)
„Gesangverein Heiserkeit."
«Bild S. SI.)
Wer nie in Berlin war, nie in einem Kremser fuhr, nie
einem Verein angehörte, wird auch für den Gesangverein Heiser-
keit kein rechtes Herz haben. Und nun erst dieser Kremserausflug
in den Grünewald! — Mit der edeln Sangeskunst steht er in
viel loserem Verhältnis als mit der Vereinskasse, die bis auf
den Grund geleert ist zu diesem Sonntagsfeste. Wenn schon
— denn schon! Das ist des Berliners Devise. Der Wagen ist
darum verproviantiert wie für eine achttägige Entdeckungsfahrt.
Neben dem eisgekühlten Erfrischungskorb baumelt träumerisch
das volle Bockfäßcheii. Und damit der Waldfahrt ja nicht die
bequeme Atzung fehle, hat man auch des Wagens Bauch mit
Eßkörben und allerlei gutem Getränk vollgestaut, so daß die In-
sassen zwar vor Entbehrung sehr sicher find, aber zu einen! genuß-
reichen Sitzen nie kommen. Das geniert den Berliner nun gar
nicht. Denn eng muß cs zugehen und lustig, und der Nadau
darf beileibe nicht fehlen. Dafür folgen nun auch die wie zu
einem Fasching ausstasfierten Amateurmusikanten nach Kräften.
Ein gelinder Anschluß wird darum schon von einigen vor der
großen Picknickwiese erreicht — aber zänkisch wird der Spree-
Athener darum niemals, sondern gemütlich, und die Kalauer
erreichen bedenkliche Dimensionen. Am Bestimmungsort beginnt
die eigentliche Festfreude, die nie roh ist und sehr lang währt.
Gesungen wird auch, zumeist nach deutscher Art etwas Sentimen-
tales ; aber da macht der Verein wirklich seinem Namen Ehre, die
Kehlen sind vom vielen — Proben etwas heiser. Die Jugend thut
sich zu Gesellschaftsspielen zusammen, Süßholz wird geraspelt und
zarte Beziehungen werden angebahnt. Die Festmütter vereinigen
sich zu einem vertraulichen Kaffeeklatsch, der zuweilen heftig wird,
weil „Mutter" sehr feste Ueberzeugungen hat. Dagegen kommt
die älteren Herren am Bierfaß nach Kriegserzählungen und
Schnurren die sündige Lust auf einen Skat an. Denn geskatet
muß werden, wenn es auch aus einem ausgezogenen Bratenrock
sein sollte, was wiederum Mutter nicht leiden will — die Heim-
fahrt ist entweder sehr still oder sehr laut, je nachdem die ver-
ehelichen Vereinsmitglieder das Fäßchen bezwungen haben oder
von: Fäßchen bezwungen worden sind.
Manövrierende Torpedoboote.
«Bild S. 68 u. 69Y
Der alte Streit: was im Seekrieg von größerem Wert, das
Schlachtschiff oder die Torpedoflottille — ist noch unentschieden.
Aber während es das Schicksal der Riesenpanzer zu sein scheint,
bereits im Augenblick des Stapellaufs als veraltete Konstruktion
zu gelten, hat das Torpedoboot infolge der viel kürzeren Bau-
zeit eigentlich nur die neuesten Bautypen aufzuweisen. Neben
dem düsteren, massigen Panzerschiff mit seinen schweren, fast er-
drückenden Formen wirkt das Torpedoboot ungemein zierlich
und elegant. Wer je bei mäßig bewegter See manövrierende
Boote sah, wird diese pfeilschnell dahinschießenden Fahrzeuge, von
denen man kaum die Bordlinie und den dampfenden Schlot ge-
wahrt, als geradezu graziös bewundert haben. Das ist ein
Dahinschießen, Wenden, Gaukeln, als wenn das Steuer die
Steuerflosse eines besonders schnellen und gewandten Fisches wäre.
Es erscheint wie Spiel. Wenn man aber bedenkt, daß das
Sprenggeschoß, welches jedes dieser Boote zu schleudern vermag,
auch dem riesigsten Panzer die Eisenplatten zertrümmert, so
kommt uns ein gelindes Grausen vor diesen harmlosen Schiffchen
an. Dem steht freilich beruhigend gegenüber, daß Torpedos nur
mit großer Gefahr eine schwere See zu halten vermögen, weil
der auf Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit gerichtete Bau
Kentern oder Erdrücktwerden gar nicht ausschließt. Außerdem
ist der Kohlenvorrat naturgemäß so gering, daß das Boot in
stetiger Verbindung mit Hafen und Station bleiben muß. Lange
Fahrten sind ihm darum versagt. Im Kriege ist das Wagnis
für diese Flieger ein eminentes. Denn nicht allein würde sie
jede einschlagende Schiffsgranate zertrümmern, auch die Schnell-
feuerkanonen aus den Gefechtsmasten überschütten sie mit einem
Geschoßhagel, der die dünnen Stahlwände leicht durchbohrt. Für
den jungen Marine-Offizier ist freilich die Führung dieser Boote
im Frieden von außerordentlichem Nutzen und im Kriege sicherlich
von außerordentlichem Reiz. Es kann wohl im besonders
glücklich oder klug geführten Angriff dieser Nußschalen die Ent-
scheidung ganzer Seegefechte liegen. — Dem eleganten Aeußern
entspricht auch die innere Einrichtung. Sehr eng, fast puppen-
haft alle Räume, aber von einer Nettigkeit und Sauberkeit, die
angesichts der Raumverhältnisfe doppelt wohlthuend wirkt.
Soll man bei offenem Fenster schlafen?
Von
vr. Htto Gotthilf.
>s^
as Speise und Trank für den Magen, das ist
reine Luft für die Lunge; was Gift für jenen,
das ist unreine Luft für diese." Möchten doch
alle dies überaus wahre Wort des großen hygienischen
Praktikers vr. Niemeyer beherzigen! Was nützen alle
Rekonvalescenten-Anstalten und Kurhäuser für Lungen-
kranke, welche jetzt von wohlthätigen Menschen und
Vereinen vielfach auf dem Lande und in Luftkurorten
errichtet werden, wenn das Uebel nicht an der Wurzel
gefaßt wird, wenn man nicht die Entstehung der
Lungenkrankheiten mit Rat und That zu verhindern
sucht? Das ist ein Gebiet, aus dem die Hygieniker
noch weit mehr in Wort und Schrift wirken sollten;
es ist eine Aufgabe, wahrlich des Schweißes der Edeln
wert und fruchtbringender als der ewige Bazillensport.
Dabei muß man die nackte Wahrheit ganz unverblümt
darstellen, denn es ist doch entschieden besser, die
Hygiene sagt bittere Wahrheiten, als wenn nachher die
medizinische Wissenschaft bittere Arzneien geben muß.
In unbegreiflicher Leichtfertigkeit vergiften sich
täglich Tausende und Abertausende ihre Lungen und
damit ihr Blut und ihren ganzen Körper durch Ein-
atmung verdorbener Luft. Daher die enorme Ver-
breitung aller Arten von Lungenkrankheiten, vom
einfachen Lungenkatarrh bis zur Lungenschwindsucht,
ganz abgesehen von dem vielen Siechtum, welches sich
nicht in der Lunge lokalisiert, sondern von dort aus
den ganzen' Körper in Mitleidenschaft zieht. Leider
bilden meist gerade die wichtigsten Räume der Wohnung
höchst gefährliche, unheilschwangere Lusthöllen, nämlich
die Schlafzimmer. Wer dies nicht glaubt, mache
einmal früh morgens einen Rundgang und überrasche
seine Bekannten noch im Bett oder in der Schlafstube,
bevor die Fenster geöffnet sind. Da dringt einem
dann ein so widriger, verpesteter Dunst entgegen,
daß einem fast der Atem vergeht. Und in dieser
Atmosphäre bringen die Leute ungefähr acht Stunden
lang zu, also nahezu den dritten Teil ihres ganzen
Lebens. Ist es da ein Wunder, wenn sie morgens
mit trägen Gliedern und trüben Sinnen erwachen,
wenn es ihnen „wie Blei in den Gliedern liegt?"
Wodurch wird nun die Luft gerade in den Schlaf-
zimmern so verdorben? Zunächst fällt in der Nacht
jene bedeutende Ventilation ganz weg, welche am Tage
im Wohnzimmer durch gelegentliches Oeffnen des
Fensters beim Hinausschauen und durch das häufige
weite Aufmachen der Thüren beimHinaus- und Herein-
gehen stattfindet. Ferner ist wissenschaftlich bewiesen,
daß wir im Schlafe weit mehr Sauerstoff einatmen
und mehr Kohlensäure ausscheiden als im wachenden
Zustande. Der im Schlafzimmer befindliche Sauer-
stoff, die wahre Lebenslust, wird also schneller ver-
braucht, und der giftige Bestandteil, die Kohlensäure,
fortwährend in reichlicherem Maße der Luft beigemischt.
Jeder einzelne Schläfer atmet während der Nacht un-
gefähr dreihundert Liter Kohlensäure nebst Wasser-
damps nnd mehr oder weniger riechende Zersetzungs-
stoffe durch Haut und Lungen aus. Diese verpestete
Lust nebst sonstigen gasigen Beimischungen Wird die
ganze Nacht hindurch von den im Schlafzimmer be-
findlichen Personen immer von neuem ein- und wieder
ausgeatmet, so daß die Schläfer ihrem Atmungsorgan
eigentlich nur ihren eignen Lungenschmutz und den
ihrer Mitschläfer darbieten. Wahrlich ein arger Selbst-
betrug gegen dies wichtige Organ!
Wie können wir nun der höchst gesundheitsschädlichen
Verunreinigung der Schlafzimmerluft Vorbeugen ? Einzig
und allein durch fortwährende Ventilation während
der ganzen Nacht. Selbstverständlich ist es vor allem
nötig, daß man zum Schlafzimmer einen möglichst
großen Raum wähle und daß recht wenig Personen
rn einem Zimmer beisammen schlafen. Darauf können
wir aber nicht näher eingehen, weil dies hauptsächlich
voni Wohlstände abhängt und unsre Vorschriften für
alle Verhältnisse passen sollen.
Eine genügende Ventilation ist am schwierigsten
im Winter herzustellen, weil dann mit der frischen
Luft durch das geöffnete Fenster zugleich die Kälte
eindringt. Diese ist nun zwar an und für sich nicht
schädlich, denn wir können uns im Bette durch Nacht-
jacke und mehrfache Bedeckung schützen, aber doch darf
sie nicht so bedeutend sein, daß der ausgeatmete Wasser-
dampf sich an den Wänden niederschlägt, weil die
dadurch entstehende Feuchtigkeit und Modrigkeit un-
gesund ist. Wir sollen eben kühl und lustig, jedoch
nicht eiskalt schlafen; sich des letzteren zu rühmen, wie
manche zu thun pflegen, ist eine hygienische Thorheit.
Im Winter ist es daher in gesundheitlicher Beziehung
am besten, das Schlafzimmer mit einem Kachelofen
(natürlich ohne Ofenklappe) zu Heizen und je nach der
draußen herrschenden Kälte einen oder zwei Fenster-
flügel teilweise offen zu halten. Damit die Fensterflügel
in der gewünschten Stellung verharren und auch nicht
etwa durch Zuklappen stören, klemme man in den Spalt
ein Stück Holz oder Kork und binde die beiden Griffe
(Haken) fest aneinander. Hieraus wird die Fensterrolle
heruntergelassen oder die Zuggardine zusammengezogen,
damit nicht direkter Wind den Schläfer treffen, noch
das Mondlicht ihn belästigen kann. Hat man keinen
Ofen im Schlafzimmer oder scheut man die Kosten
des Heizens, so lasse man die Thüre zum erwärmten
Nebenzimmer die ganze Nacht hindurch weit auf und
halte dort mehrere Fensterflügel offen. Bei Doppel-
fenstern ist es zweckmäßig, unten außen und oben innen
zu öffnen. Jedenfalls muß irgendwo auch im Winter
ein Fenster ein wenig offen sein, damit die verdorbene,
ungesunde Binnenluft sich fortwährend durch reine
Außenluft genügend erneuern kann. Denn es ist ein
thörichter Muhmenklatsch, daß die Nachtluft schädlich
sei, und die schrecklichen Schauergeschichten, welche von
schweren Erkrankungen nach Einatmung von Nachtluft
berichtet werden, sind weiter nichts als wahnwitzige
Ammenmärchen. Rachtluft ist vielmehr, abgesehen von
sehr sumpfigen Gegenden, viel reiner und gesünder
als Tageslust, namentlich in Städten. Am Tage
wird der Straßenstaub mit all seinen Unreinheiten
und Schädlichkeiten immer wieder ausgewirbelt von
Wagen, Passanten und Tieren; die Ausdünstungen
von Menschen und Vieh steigen von der Straße zu
unfern Fenstern empor; Fabriken, Gewerbebetriebe und
Schornsteine erfüllen die Atmosphäre mit einer Un-
menge von Dünsten, Verbrennungsgasen und Ver-
brennungsprodukten ; dies alles fällt in der Nacht fast
ganz fort. Daher ist die Nachtlnft entschieden reiner
und gesunder.
Noch viel leichter läßt sich in der warmen Jahres-
zeit eine regelrechte Ventilation Herstellen. Da öffnet
man einfach im Schlafzimmer selbst mindestens die
oberen Fensterflügel, läßt die Fensterrolle herunter
und befestigt diese unten mit einem schweren Steine
oder dergleichen, damit sie nicht vom Winde hin und
her geschleudert wird. Das Bett soll natürlich nie,
weder Sommer noch Winter, dicht am Fenster stehen,
sondern sich möglichst an der entgegengesetzten Wand
befinden. Gerade im Sommer ist es zur Erholung
von des Tages Hitze überaus nötig, bei offenem Fenster
zu schlafen, besonders auch für die ganz kleinen Kinder.
Bekanntlich haben diese in der heißen Jahreszeit sehr
oft an Brechdurchfall zu leiden und gehen vielfach
daran zu Grunde. Die erste Ursache nun zu dieser
Krankheit bildet häufig eine Erkältung des Magens.
Die armen Kleinen werden selbst im sommerlich heißen
Schlafzimmer noch mit dicken Federbetten fest zngcdcckt.