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ÜBER DIE KREUZIGUNG

Der traurige Ruhm, diese Hinrichtungsart erfunden
oder wenigstens erstmals offiziell und ausgiebig an-
gewendet zu haben, gebührt anscheinend den Persern.
Vielleicht bedienten sie sich dieser Tötungsart deswegen,
weil die dem Ormuzd geweihte Erde nicht durch den
Körper eines Hingerichteten verunreinigt werden sollte.
Später begegnet das Kreuz als Hinrichtungsmittel bei
Alexander dem Großen, bei den Diadochenherrschern —
in Griechenland selbst sind Kreuzigungen anscheinend
nie vorgekommen — und vor allem bei den Puniern.
Von Karthago kam die Kreuzigung zu den Römern, die
sie über Schwerverbrecher wie Tempelräuber, fahnen-
flüchtige Soldaten und vor allem über Hochverräter
und Aufrührer verhängten. In den römischen Provinzen
war diese Strafe eines der wichtigsten Mittel zur Auf-
rechterhaltung von Ordnung und Sicherheit, und na-
mentlich die Geschichte der unruhigen Provinz Judäa
weiß von zahllosen Exekutionen am Kreuz zu be-
richten...
Das jüdische Strafrecht kannte die Kreuzigung nicht.
Das Aufhängen am Holz, das nach jüdischem Recht an
gesteinigten Götzendienern und Gotteslästerern voll-
zogen wurde, war keine Todesstrafe, sondern eine Zu-
satzstrafe nach eingetretenem Tod und sollte den Hin-
gerichteten zu einem Gottverfluchten stempeln, gemäß
Deut 21, 23 (LXX): „Jeder, der am Holze hängt, ist
von Gott verflucht." Das Judentum bezog dieses Wort
auch auf einen Gekreuzigten ...
Die Kreuzigung wurde je nach den Verhältnissen
und wohl auch je nach der Laune der Schergen voll-
zogen. Die sehr verbreitete Auffassung, wonach der
Verurteilte an das bereits fertige Kreuz geheftet wor-
den sei, ist aber sicher unrichtig. Der Vorgang war ge-
wöhnlich und vermutlich auch bei der Hinrichtung Jesu
der folgende: Der Verurteilte wurde entkleidet und —
nach vollzogener Geißelung, die bei Jesus vorweg-
genommen war — am Boden mit ausgestreckten Armen

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