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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Frank, Willy: Der Gobelin als Wand-Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0076
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DER GOBELIN ALS WAND-SCHMUCK.

Von Willy Frank — München.

Jeder hat schon einmal bei Durchwanderung eines
alten Schlosses oder Patrizierhauses den hohen
Zauber erfahren, den die gewebten Bildteppiche,
an den Wänden weiter, dämmeriger Säle sich ent-
faltend, ausströmen. Zahlreiche Dichter haben sich
an diesem Zauber, der von der lebendigen Wirkung
eines Ölgemäldes so sehr absticht, berauscht, und
die Lieder, in denen sie uns von den gewebten
Schäferspielen und Rokoko-Amuren erzählen, beben
fast immer von jenen schwermütigen Akkorden,
die man aus Heinrich Heines wundervollem Gedichte
von der Gräfin Melisande und dem Troubadour
Geoffroy kennt.

Es ist sicher nicht bloß das Alter, welches die
meisten Gobelins mit dieser starken Stimmungsflut

umgibt. Ihre tiefe, volle Wirkung entspringt zu
einem wesentlichen Teile unmittelbar aus der Natur
des Gobelins als eines gewebten Bildes und ist
daher jedem Bildteppich aus alter und neuer Zeit
eigen.

Der Gobelin als Wandschmuck hat bekanntlich
eine große Vergangenheit hinter sich. In jenen
glücklichen, kunstfrohen und kunststolzen Zeiten,
da die Scheidung zwischen hoher und angewandter
Kunst noch nicht erfunden war, haben die nam-
haftesten Meister der romanischen Länder ihre
schöpferische Kraft in den Dienst des Bildteppiches
gestellt. Zahllose Geschlechter haben sich an den
zarten Tönen, der tiefen, starren Pracht, der großen
künstlerischen Geberde dieser Gewebe erfreut.
 
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