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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Frank, Willy: Der Gobelin als Wand-Schmuck
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0077

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INNEN-DEKORATION

63

Heute sind nun die alten Gobelins längst zu ehr-
würdigen Seltenheiten geworden, zu Prunkstücken
vornehmer alter Häuser und zu hochbewerteten
Favoriten der Auktionen. Um so mehr muß es
Wunder nehmen, daß die moderne angewandte
Kunst, die sich doch sonst den wertvollen An-
regungen der Vergangenheit gegenüber nicht so
spröde verhalten hat, gerade die Gobelintechnik so
auffallend vernachlässigen konnte. So waren beispiels-
weise in der »Ausstellung für angewandte Kunst«,
die voriges Jahr im Studiengebäude des Münchener
Nationalmuseums zu sehen war, nur zwei Gobelins,
noch dazu im selben Raum und so sehr von
gleichem Geiste beherrscht, daß sie beide fast als
identisch anzusprechen sind. Nach Entwürfen Bruno
Pauls aus der Krainischen Kunstwebeanstalt Laibach
hervorgegangen, bewährten sie als lehrreiches Bei-
spiel was über die schmückende Wirksamkeit der
Gobelins gesagt wurde: in Bruno Pauls reichem
Musiksaale bildeten sie den reichsten Ton, den vollsten,
vornehmsten Akkord. Aus allen Richtungen des
Saales zogen sie die Blicke auf sich; sie sammelten
gewissermaßen alles an Farbe, was der ernste
weite Raum beherbergte, und konzentrierten es zu leb-
haftestem Ausdrucke und beherrschender Steigerung.
Sie stellten den Punkt dar, in dem sich das heimliche
Schönheits-Streben des Raumes klar und ruhig
enthüllte. Dabei aber wichen sie in dem wichtigen
Punkte von den alten Bildteppichen ab, daß sie
einen rein dekorativen Vorwurf wiedergaben und
alle jene malerischen Werte vermissen Hessen, die
zu einem großen Teile den Reiz der früheren
Gobelins ausmachen. Offenbar hat hier, wie bei
anderen modernen Gobelins, das zeitgemäße Axiom
»Materialgemäß« hemmend gewirkt. Was das
Material oder die Technik mühelos zu liefern
vermag, gilt uns heute zugleich als Grenzpunkt
dessen, was man dem Stoff oder dem Verfahren
abnötigen darf. Wir freuen uns, wenn eine Form
recht »hölzern«, »steinern« oder »eisern« ist, das
heißt, wenn möglichst wenige Manipulationen
zwischen dem Zustand des Rohstoffes und dem der
Nutzform liegen. Nun soll zwar nicht bestritten
werden, daß sich in der Gobelintechnik auch bei
rein flächig-dekorativer Arbeit treffliche Wirkungen
erreichen lassen. Es gibt moderne Gobelinfriese,
Füllungen, Supraporten usw., in denen dieser Plakat-
stil mit schönem Erfolge zur Anwendung kommt.
Damit aber sind die Möglichkeiten der Kunstweberei
noch lange nicht erschöpft, geschweige denn die
Schönheit der alten Gobelins erreicht. Mir scheint,
der Gobelin will und soll gerade das sanfte
Spiel der Farbenabstufungen im Kampfe mit dem
strengen linearen System des Gewebes zeigen. Es

PROF. BRUNO PAUL—BERLIN.

Fenster-Dekoration aus neben-
stehendem Schlaf-Zimtner. »

Ausf.: Vereinigle Werkstätten für Kunst im Handwerk-München.
 
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