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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Scheffers, Otto: Geschmacks-Wandlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0257

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INNEN-DEKORATION

243

ALBERT GESSNER—BERLIN.

Aus dem Patienten-Zimmer. S. 242.

aufwühlen, fehlen nicht, es sind die
Geschmacks-Revolutionen, die einzelne
suggestiv wirkende Menschen oder
Völker verursachen, jene Revolutionen,
die wir mit Spannung erwarten, wenn
wir sie herannahen fühlen, die uns
packen, wenn sie da sind, und über
die wir lachen, wenn sie vorüber-
gezogen. Stil, Mode, Laune, sie haben
ihre Ursachen, ihren Zweck, ihr Ziel.
Entspringt auch die Mode im letzten
Grunde der Laune des Menschen, so
übt sie doch, wenn sie sich einmal
durchgesetzt hat, auch wieder eine
tyrannische Gewalt über seine Launen
aus, und alle Schwankungen der Mode
sind nur verschiedene Färbungen des
einmal gültigen Zeitstiles. Erst tief ein-
greifende Veränderungen der Körper-
beschaffenheit, Geistesverfassung und
Lebensgewohnheiten des Volkes, die
sich aber nur ganz allmählich, dem
einzelnen kaum erkennbar, vollziehen,
ändern den Stil.

In allen unsern Kunstäußerungen
der letzten hundert Jahre mit all ihren
uns so groß erscheinenden Verschieden-
heiten wird der in fünftausend Jahren
Geborene bestimmte, gemeinsame Züge
herausfinden, die den Stil unserer Zeit
ausmachen. —

GESCHMACKS-WANDLUNGEN.

OTTO SCHEFFERS —DESSAU.

Auf dem Gebiete des Geschmackes zeigen sich
l dieselben großen und kleinen Bewegungen,
wie in den Wässern des Meeres. Die großen,
Jahrhunderte und Jahrtausende überdauernden
Stilrichtungen gleichen den Meeres-Strömungen,
die in der kurzen Zeitspanne eines Menschen-
lebens sich kaum merklich verändern, aber dennoch
nach Ansicht unserer Geologen früher ganz andere
Richtungen eingenommen haben. Die Mode mit
ihren immer wiederkehrenden ähnlichen Ten-
denzen entspricht dem Auf und Ab der Flut und
Ebbe. Die Spuren, die der einzelne Künstler, ja
jeder Mensch in bezug auf Geschmackssachen
zurückläßt, das Gepräge, das er seiner Umge-
bung aufdrückt, sind die Kielwässer der Schiffe,
welche das Meer durchfurchen, das Wellen-
gekräusel, welches der plätschernde Fisch her-
vorruft. Auch Stürme, Wirbelwinde, Teifune, die
das Meer scheinbar bis in seine tiefsten Tiefen

ALBERT GESSNER.

Waschtisch a. d. Patienten-Zimmer. S. 242.
 
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