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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Jaumann, Anton: Zu den Arbeiten von Wilhelm Keppler
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0391

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INNEN-DEKORATION

377

ARCHITEKT WILHELM KEPPLER—BERLIN.

Entwürfe zu Säulen-Ausbi/dttngen.

ZU DEN ARBEITEN VON WILHELM KEPPLER.

In unseren Tagen wird mehr als je auf die schlichte
Schönheit hingewiesen, die den alten Bauten aus Groß-
väterzeit in Dorf und Stadt eignet. Ein Bund ist ge-
gründet worden, der für ihre Erhaltung eintritt. Denn
ihre kostbaren architektonischen und malerischen Reize
vermochten sie leider nicht genügend zu schützen; die
von grellbunten Schunderzeugnissen geblendeten Augen
des »Volkes«, wie die in Stilformen befangenen Augen
der offiziellen Kunsthistoriker schenkten ihnen keine
Beachtung, erkannten ihre Werte nicht. Es waren
Künstler, die zuerst und am eindringlichsten das be-
drohte Volksgut verteidigten und das Verständnis
weckten für die Schönheiten der Bauern- und Bürger-
häuser , der Stadt- und Dorfanlagen aus alter Zeit.
Und man pries den naiven künstlerischen Instinkt der
Bau- und Zimmermeister, die solche köstlichen Dinge
fertig gebracht, ohne Kunst-Schulstudium , ohne jeden
gelehrten Kram.

Kunstwerke können nach unserer Anschauung nur
von einem richtigen »Künstler«, von einer »Künstler-
Persönlichkeit« herrühren. Die Künstler bilden einen
besonderen Stand, eine eigene Menschenklasse. Eine tiefe
Kluft scheidet sie von allen übrigen Menschen, den Hand-
werkern, Beamten, Technikern usw. Sie allein schaffen
das Schöne, Künstlerische, allen andern ist es versagt.

Die Konsequenz davon ist ein hochgesteigerter
Personenkultus in der Kunst auf der einen, eine Gering-
schätzung handwerklicher Meisterschaft auf der anderen

Seite. Gewiß, man findet unter den Handwerkern heute
künstlerische Begabung weit seltener als ehedem; das
rührt aber nur daher, daß jedes winzige Talentchen
sich eiligst als »Künstler« etabliert. Selbst im Kunst-
gewerbe, wo Schönheit jahrhundertelang so sehr Selbst-
verständlichkeit war, daß sogar der Name »Kunstgewerbe«
oder »Kunsthandwerk« fehlte, ist der Künstler ans Ruder
gekommen. Die Häuser, Möbel, Geräte sind ein Mittel
geworden (in einer Linie stehend mit Malfarben, Griffel,
Modellierton), um eine Künstler-Individualität zu offen-
baren. Sie sind Mittel zum Zweck, sie dienen der
persönlichen Kunst.

Auch jene, die für alte Architektur und altes Handwerk
schwärmen, machen, sobald es sich um heutige Verhält-
nisse handelt, keine Ausnahme; auch sie huldigender Per-
sönlichkeit. Ja, sie machen wohl denen, die sich nicht
mit ihrer Persönlichkeit vordrängen, daraus einen Vor-
wurf, sie vermissen in ihren Werken die künstleriche
Handschrift, man läßt sie überhaupt nicht als Künstler
gelten. Hätten Leute wie Keppler vor hundert Jahren
gelebt und gewirkt, so könnten sie die schlichte sachliche
Schönheit ihrer Arbeiten nicht hoch genug rühmen.
Heute wird jeder übersehen, der nicht in seinen Werken
sein merkwürdiges, einzigartiges »Ich« laut und nach-
drücklich hervorkehrt.

Nachdem soviel für die »großen Künstler« getan
worden ist, muß, glaube ich, jetzt endlich auch auf das
stille verdienstvolle Schaffen dieser patriarchalischen

1007. XII. 8.
 
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