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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Lux, Joseph August: Die Erneuerung der Ornamentik,[1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0300

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286

INN EN-DEKORATION

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EMANUEL J. MARGOLI) — WIEN.

Vestibüle einer .lusstellungs-Halle.

DIE ERNEUERUNG DER ORNAMENTIK.

VON JOSEPH AUGUST LUX — DRESDEN.

In der geistreichen Linie fanden die neuen Ideen der
Künstler auf dem Kontinent, die sich zuerst dem Kunst-
gewerbe zugewendet hatten, den Ausdruck. Ihre Orna-
mentik war eine neue Sprache, suggestiv, lebensvoll und
anziehend. Hatte nicht die moderne Poesie neue Worte, neue
Oleichnisse, neue Suggestionen gesucht und wirkten nicht
dadurch die Verse der Verlaine, Mallarme, Rollinat und
Corbiere ganz originell, ganz neu, ganz frisch ? Hatte nicht
die Malerei aus der modernen Technik den neuen Geist
geschöpft, hatten nicht die Bilder der Modernen, von der
Art eines Jan Toorop eine ausgesprochene Neigung zum
Ornamentalen? War nicht die Architektur geistig blind und
altersschwach geworden, weil sie mit beziehungslosen, ent-
geisterten Ornamenten wirtschaftete? Hattenicht dielngenieur-
kunst durch die unerhörte Neuheit ihrer Konstruktionen und
ihrer Konstruktionsmittel die ganze moderne Intelligenz für
sich beansprucht? Was für die Dichtkunst die neuen
Metaphern, für die Malerei die neuen Licht- und Farben-
anschauungen, für die Technik die neuen Konstruktions-
gedanken sind, das sollte für das Kunstgewerbe die ornamentale
Linie sein, das künstlerische Ausdrucksmittel, wodurch das
Kunstgewerbe den Zusammenhang mit dem Nervenleben und
mit der geistigen Struktur der Gegenwart gewinnen konnte.
Das schien wenigstens die Anschauung der festländischen
Neuerer des Kunstgewerbes. Sie war unzweifelhaft eine
logische Folge der auf verwandten künstlerischen und in-
genieurtechnischen Gebieten entwickelten Fortschritte. Es ist

allgemein bekannt, daß der Name van de Velde mit der Erneue-
rung des Kunstgewerbes auf dem Kontinent ruhmvoll ver-
flochten ist. Das Werk van de Veldes hat den Charakter einer
Neuschöpfung, die in den Anfängen der deutschen Bewegung
die Richtung gab, wenngleich der Künstler nicht von ungefähr
auf seine Entdeckung kam. Wenn auch eine Vorgänger-
schaft vorgezogen werden kann, die mächtiger ist und für
die Zukunft bedeutsamer, so gebührt ihm doch das Ver-
dienst, dag er der erste war, der in der Gestaltung eines
Raumes das Ganze im Auge hatte und das Bedürfnis einer
harmonischen Übereinstimmung empfand. Er hatte sich auf
dem Kontinent als der Erste mit vollem Bewußtsein darüber
geistige Rechenschaft gegeben, daß ein modern empfindender
Mensch, der die Ästhetik der neuen Verse, der neuen Bilder,
der neuen Maschinen empfindet, sich in einem lästigen
Widerspruch zu den zusammengemausten historischen
Möbelstilen der damaligen Fabrikanten und Tapezierer fühlen
mußte. Räume, die nicht dem modernen Empfindungsleben
angemessen sind, erweisen sich für die seelische Hygiene
geradezu als schädlich. Van de Velde zeichnet sich von
seinen Weggenossen durch den Scharfsinn aus, der ihm
gestattet, den ganzen Umfang der kunstgewerblichen Arbeit
zu überblicken und die Notwendigkeit der ornamentalen
Übereinstimmung aller Dinge in dem gegebenen Raum
zu erkennen. Er war der erste, der in seinem Schaffen
von der organischen Idee ausging und seine, auf dieser
organischen Idee begründete Ornamentik an den Möbeln,
 
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