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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 18.1907

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Schulze, Paul: Crefelder Teppich-Stoffe
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https://doi.org/10.11588/diglit.7501#0234

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220

INN EN-DEKORATION

CREFELDER TEPPICH-STOFFE.

Die Vorliebe für einen gewebten Fugbodenbelag ist bis
in das graue Altertum zu verfolgen. Bereits vor
tausenden von Jahren bildeten Teppiche, ebenso wie andere
schöne Gewebe wesentliche Prunkstücke des Hausrates.

Grof3 ist die Zahl der literarischen Hinweise auf reich-
gemusterte und kostbare Teppichgewebe in Zeiten, aus
denen Textilerzeugnisse nicht auf unsere Tage gekommen
sind. Es sei hier nur auf Stellen in der Bibel, in homerischen
und Gedichten anderer griechischer Schriftsteller hingewiesen.
So erwähnt Anthenäus in seinem „Gelehrtengastmahl" die
Muster der Prachtteppiche, die er ausdrücklich als Boden-
belag — im Gegensag zu den sehr häufig mit szenischen
Darstellungen geschmückten Wandteppichen - bezeichnete.
Kurz erwähnt mögen auch die in der zweiten Hälfte des
vorigen Jahrhunderts in den Trümmern des alten Niniveh
gemachten Funde sein, die in flachem Relief auf Alabaster-
platten gearbeitete Kopien von Fugteppichen zeigen, welche
in ihren Einzelheiten mit den orientalischen Teppichen
des fünfzehnten und sechszehnten Jahrhunderts überein-
stimmen, sodaß demnach die Art der orientalischen Teppich-
musterung, wie wir. sie kennen, schon ein recht hohes Alter
haben dürfte.

Der Orient ist die eigentliche Heimat der Teppich-
erzeugung und der „echt orientalische Teppich" noch heute
bei vielen der Inbegriff der höchsten Teppichkostbarkeit.
Es würde den Raum dieser kurzen, aus Anlaß der beige-
fügten Teppichmuster gegebenen Abhandlung weit über-
schreiten, sollte hier näher eingegangen werden auf den
Wert der älteren orientalischen Teppiche im allgemeinen
und auf den Handel mit solchen Teppichen neueren Datums
im besonderen. Daß im Orient auch neben manchem Pracht-
erzeugnis solider Herstellung in Material, Technik und
Färbung heute sehr viel minderwertiges Zeug lediglich für
die Ausfuhr angefertigt und einem europäischen Publikum
von rotbemügten Pseudo-Orientalen unter Erzählung allerlei
wundersamer Geschichten zu meist viel zu hohen Preisen
aufgeschwäßt wird, sollte hinreichend bekannt sein.

Wer sich über alte, wirklich wertvolle Orientteppiche
aufklären und belehren will, dem ist in Museen und u. a.
auch durch das prächtige Werk: „Orientalische Teppiche,
herausgegeben vom k. k. österreichischen Handelsministerium
Wien 1894" Gelegenheit geboten. Wer das nicht kann,
auch nicht Mittel für textile Seltenheiten besigt, kann sich
dreist mit dem genügen lassen, was unsere europäischen
Teppichfabriken leisten und liefern.

Bei dem heute durch alle Gebiete der Innendekoration
gehenden Zuge nach Eigenart, Einfachheit und Abstimmung
aller einzelnen Teile des Ganzen auf eine gemeinsame Note
war es nötig, dem Innendekorateur ebenso wie beim Möbel
auch bei dem Stimmen von Wand, Decke und Fußboden
freie Hand zu geben, so zwar, dag er nicht nur wie früher
auch die Tapete und den Teppich mit aussuchen durfte,
sondern daß er jegt diese wichtigen Teile mit in seinen
Schaffenskreis einbeziehen kann. Heute findet der Künstler,
der sich die Innendekoration zur Aufgabe macht, in unseren
deutschen Möbelstoff-, Tapeten- und Teppichfabriken die
rechte Unterstützung und ein Eingehen auf seine Gedanken,

die es ihm ermöglichen, ohne große Umstände seine künst-
lerischen Absichten in der Innendekoration zu verwirklichen.

Die verschiedenen Ausstellungen der legten Jahre haben
gezeigt, daß gerade die deutschen Teppichfabriken immer
mehr aus dem alten Fahrwasser, in dem auch sie sich noch
bis gegen das Ende des 19. Jahrhunderts bewegten, heraus-
gekommen sind. Nicht mehr die Nachahmung der Orient-
muster oder der Teppiche, wie sie der französische Ge-
schmack beliebte und noch beliebt, ist es, was sie pflegen,
sondern sie bestreben sich, es anderen Gebieten kunstge-
werblichen Schaffens gleich zu tun und eine früher nicht
gekannte Eigenartigkeit ihrer Musterung zu erzielen, moderne
Künstler für ihre Vorwürfe zu Rate zu ziehen und so sich
zielbewußt in den Dienst der guten Sache zu stellen: unsere
Innendekoration zu modernisieren und dem neuzeitlichen
Geschmack entsprechend umzubilden.

Wohl die erste deutsche Teppichfabrik, die sich mit
vollem Zielbewugtsein mutig an die Spige dieser Bewegung
stellte, war die derzeitige Knüpfteppichfabrik, vorm. Joh.
Kneusels & Co., jegige Crefelder Teppichfabrik Aktien-
Gesellschaft. Ihre Lehre in der Teppichknüpferei hatte sie
durchgemacht im eingehenden Studium älterer orientalischer
Teppiche, die sie mit großem Geschick täuschend nach-
zuahmen verstand. Doch bald genügte ihr dieses sklavische
Kopieren nicht mehr. Mit der erlangten technischen Vollen-
dung wollte sie auch aus Eigenem dazutun, und da war es
kein Geringerer als Otto Eckmann, der die ersten Skizzen
für ihre Neuschaffungen lieferte. Es folgten andere Künstler,
so Professor Läuger, der die Entwürfe für die 1900 in
Paris mit der goldenen Medaille gekrönten Teppiche schuf.
Doch mit der Erweiterung der Fabrik zur Aktien-Gesell-
schaft wurde auch das Arbeitsfeld erweitert und es kam
neben dem geknüpften auch der gewebte Teppich zur An-
fertigung, der der handlicheren Verarbeitung wegen in Rollen-
ware hergestellt wird. Auch hier ist es der neuzeitliche
Stil, der fast allein gepflegt wird. Fand man früher für
das Vorbild eines Teppichs nichts schöner als den „blumen-
übersäten Teppich der Wiese", den man leider zu häufig
mit unschön und sinnwidrig vergrößerten, plastisch schattierten
Blumengebilden musterte, so ist an den vorliegenden
Mustern zu sehen, daß ebenso wie bei den in früheren
Nummern dieser Zeitschrift (Juli 1906 und März 1907) ab-
gebildeten Möbelstoffmustern sich ein Zurücktreten der
Muster in der Größe und eine Bescheidenheit derselben im
Motiv bemerkbar macht, die sie angenehm von dem
früheren Blumenüberfluß unterscheidet und in wohltuender
Unterordnung in den damit ausgestatteten Raum einfügt.

Es ist interessant zu sehen, mit wie wenig Mitteln die
moderne Kunst ihre Wirkungen erzielt, und wie gerade
durch die geringe Wirksamkeit, durch das Fehlen jeder
Aufdringlichkeit des einzelnen Teiles die größere Harmonie
des Ganzen erzielt wird.

Betreffs der technischen Ausführung der Muster mag
zum Schluß noch erwähnt sein, daß die damit gezierte
Ware teils auf Rutenstühlen, teils aber auch in einfacher
Bindung aus Kette und Schuß mit kräftigem Material ge-
webt ist. — PROFESSOR PAUL SCHULZE—CREFELD.
 
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